Shirley Clarke (geboren als Shirley Brimberg 2. Oktober 1919 in New York City; gestorben 23. September 1997 in Boston) war eine US-amerikanische Regisseurin und Filmproduzentin.
Shirley Brimberg wurde in New York City als älteste Tochter in eine konservative und wohlhabende New Yorker Familie geboren. Ihre Mutter Florence, geb. Rosenberg, war die Tochter eines lettischen Multimillionärs, der als Fabrikant und Erfinder reich geworden war. Ihr Vater Samuel Nathan Brimberg, ein jüdischer Einwanderer aus Polen, hatte in der Textilindustrie ein Vermögen gemacht[1] und wird als jähzornig und gewalttätig beschrieben.[2] Eine ihrer zwei Schwestern war die spätere Schriftstellerin Elaine Dundy.[3] Brimberg besuchte das Stephens College, die Johns Hopkins University, das Bennington College und die University of North Carolina, schloss ihre Ausbildung jedoch nie ab.[4]
Brimberg nahm Tanzunterricht am College und lernte bei Martha Graham, Hanya Holm, Doris Humphrey und Anna Sokolow. In ihren Zwanzigern trat sie als Tänzerin in der New Yorker Avantgarde auf, entwickelte Choreografien und organisierte Tanzveranstaltungen. Mit 23 heiratete sie einen Jugendfreund, den Lithografen Bert Clarke, um ihrem Vater und den Ansprüchen ihrer Familie zu entkommen. Als Hochzeitsgeschenk erhielt sie eine Bolex-16mm-Kamera.[5]
Zwei Jahre nach der Hochzeit kam ihre Tochter Wendy zur Welt.[1] Als ein Erfolg als Choreografin ausblieb, schlug ihr ein Psychiater berufliche Veränderung vor. Durch Kollaborationen mit den Tänzerinnen Beatrice Seckler und Anna Sokolow verschob sich der Fokus ihrer Arbeit mehr und mehr hinter die Kamera.[6] Anfang der 1950er Jahre schrieb sie sich am New Yorker City College ein und studierte Film bei Hans Richter.[5] 1952 heuerte sie zusammen mit ihrem Mann und Freunden den Regisseur und Komponisten Peter Glushanok[7] an, um von ihm das Filmemachen zu lernen.[4] Sie entwickelte sich zu einer anerkannten Filmemacherin, zu einer Zeit, als nur wenige Frauen auf diesem Gebiet tätig waren. Ihre ersten Werke waren Kurzfilme, die ihre Liebe zum Tanz widerspiegelten. Ihren ersten Film Dance in the Sun drehte sie 1953 mit Daniel Nagrin. Von der New York Dance Film Society wurde er zum besten Tanzfilm des Jahres gewählt.[8] Clarkes Kurzfilm Skyscraper über den Bau des New Yorker Tishman Buildings wurde 1960 für den Oscar als Bester Kurzfilm nominiert.
Ende der 1950er Jahre wurde Clarke die Regie ihres ersten Spielfilms, einer Adaption des erfolgreichen Off-Broadway-Bühnenstückes The Connection von Jack Gelber, angeboten.[9] Um die Produktion zu finanzieren, handelte sie mit rund hundert Investoren eine Gewinnbeteiligung aus. Dieses Vorgehen war damals für Theaterproduktionen üblich, im Filmbereich jedoch neu. Der fertige Film, der im Stil des Cinema verité und als „Film im Film“ eine Gruppe Junkies beim Warten auf ihren Dealer zeigt[10], durfte wegen „Obszönität“ in den USA über ein Jahr lang nicht gezeigt werden. Das innovative Werk gewann jedoch in Cannes den Preis der Kritik und wurde beim Festival von Locarno als bester Erstling ausgezeichnet.[11] Damit hatte sich Clarke als ernstzunehmende Experimentalfilmemacherin etabliert.[4]
Ihr nächster Film The Cool World, nach Warren Millers gleichnamigem Roman, war der erste Spielfilm, der komplett in Harlem spielte. Er gilt außerdem als der erste Spielfilm, der mit einer 35-mm-Handkamera gedreht wurde.[9]The Cool World lief 1963 bei den Filmfestspielen von Venedig.[4]
Während der Dreharbeiten zu The Connection hatte sich Clarke in den afroamerikanischen Hauptdarsteller Carl Lee verliebt,[12] anschließend arbeitete sie mit ihm zusammen am Drehbuch zu The Cool World. Schließlich ließ sie sich von Bert Clarke scheiden; die Liebes- und Arbeitsbeziehung zum drogensüchtigen Carl Lee dauerte bis zu seinem Tod an AIDS 1986.[4]
1961 gehörte sie mit Jonas Mekas, Andy Warhol und 19 anderen New Yorker Künstlern zu den Gründungsmitgliedern der Film-makers’ Cooperative, einem nichtkommerziellen Verleih für unabhängig produzierte Filme.[13]
Im Jahr 1963 drehte Clarke einen Dokumentarfilm über den Dichter Robert Frost mit dem Titel A Lover’s Quarrel with the World (in etwa „Der Streit eines Liebenden mit der Welt“). Dieser Film entstand einige Monate vor dessen Tod und zeigt Frost bei Vorträgen und privat zu Hause. Dieses Werk wurde bei der Oscarverleihung 1964 in der Kategorie Bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.[8][14]
Im Dezember 1966 entstand der experimentelle Dokumentarfilm Portrait of Jason, der auf einem zwölfstündigen Interview mit dem schwarzen Stricher und Lebenskünstler Jason Holliday basiert. Die Dreharbeiten fanden in Clarkes Apartment im Chelsea Hotel statt. Holliday erzählt aus seinem Leben und wird abwechselnd von Clarke und Carl Lee aus dem Off befragt. Portrait of Jason gilt als erster Langfilm, der einen einzigen Protagonisten zeigt.[9] Clarke und Lee wurden dafür kritisiert, Holliday während des Interviews mit ihren Fragen unter Druck gesetzt und damit ausgebeutet zu haben. Clarke selbst war der Meinung, Holliday gehe als „Gewinner “aus dem Film hervor. Der Film wurde beim New York Film Festival gezeigt[15] und lief nach seinem Erscheinen 1967 drei Monate im New Cinema Playhouse in Manhattan. John Cassavetes und Ingmar Bergman zeigten sich begeistert von dem ungewöhnlichen Werk. Eine restaurierte Filmfassung feierte auf der Berlinale 2013[16] zweite Premiere.[17] Über die Entstehung von Portrait of Jason drehte Stephen Winter den Spielfilm Jason and Shirley (2015), in dem Clarke von Sarah Schulman dargestellt wird.[18]
Nachdem Clarke trotz einiger Erfolge kaum noch finanzielle Unterstützung für ihre Filmprojekte fand, unterrichtete sie von 1975 bis 1985 im Bereich der Film- und Videoproduktion an der University of California, Los Angeles. In dieser Zeit drehte sie weitere Dokumentarfilme wie Ornette: Made in America ein Porträt des exzentrischen Musikgenies Ornette Coleman.
Shirley Clarke, die in ihren letzten Jahren an der Alzheimer-Krankheit litt[15], starb 1997 in Boston an einem Schlaganfall.[8][19]
Personendaten | |
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NAME | Clarke, Shirley |
ALTERNATIVNAMEN | Brimberg, Shirley (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanische Regisseurin |
GEBURTSDATUM | 2. Oktober 1919 |
GEBURTSORT | New York City, New York |
STERBEDATUM | 23. September 1997 |
STERBEORT | Boston |