Anton Friedrich Wilhelm von Webern, Stettin 1912
Anton Webern, Aufnahme von Georg Fayer (1927)

Anton Friedrich Wilhelm (von) Webern (* 3. Dezember 1883 in Wien; † 15. September 1945 in Mittersill, Salzburg, Österreich; das „von“ musste er 1919 aufgrund des Adelsaufhebungsgesetzes ablegen) war ein österreichischer Komponist, Dirigent und Musikwissenschaftler. Als einer der ersten Schüler von Arnold Schönberg gehörte er zum inneren Kreis der Wiener Schule.

Leben

Anton (von) Webern, Sohn von Karl Freiherr von Webern, einem erfolgreichen, aus Südtirol (Salurn) stammenden Bergbauingenieur, wuchs in Graz und Klagenfurt auf. Die Familie war 1574 in den Adelsstand erhoben worden. Durch seine Mutter erhielt Anton Webern früh Klavierunterricht; später erteilte ihm Edwin Komauer Privatunterricht in Musiktheorie. Außerdem erlernte Webern das Violoncello-Spiel. Von Herbst 1902 bis 1906 studierte er an der Universität Wien Musikwissenschaft. Er wurde dort mit einer Edition des Choralis Constantinus II von Heinrich Isaac, die 1909 als Band 32 der Denkmäler der Tonkunst in Österreich erschien,[1] zum Dr. phil. promoviert.

Von 1904 bis 1908 erhielt Webern Kompositionsunterricht von Arnold Schönberg.

In den folgenden Jahren arbeitete Webern zeitweise als Kapellmeister in Bad Ischl, Teplitz, Danzig, Stettin und Prag – Tätigkeiten, über die er in vielen Briefen klagte.

Nach dem Ersten Weltkrieg war Webern u. a. Leiter des Wiener Schubertbundes (bis 1922), der Wiener Arbeiter-Sinfoniekonzerte sowie Chormeister des Wiener Arbeiter-Singvereins. 1927 wurde er ständiger Dirigent beim österreichischen Rundfunk. Er gab Gastspiele in der Schweiz, in England, Spanien und Deutschland. Als Dirigent (1926, 1932 und 1935), Juror (1932 und 1936) und Komponist (an zehn Weltmusiktagen mit Werken vertreten) war er von der Gründung der ISCM 1922 bis zum Zweiten Weltkrieg eine der prägenden Gestalten bei den Weltmusiktagen der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (ISCM World Music Days). Mehrere seiner Werke wurden bei den Weltmusiktagen auch uraufgeführt: 5 Stücke für Orchester op.10 (1926), Konzert für 9 Instrumente op.24 (1935), Kantate Das Augenlicht op. 25 (1938), Kantate Nr. 1 op. 29 (1946), Kantate Nr. 2 op. 31 (1950).[2][3]

Weberns Verhältnis zur NS-Ideologie und zum NS-Staat ist in der Forschung umstritten. „Ungeachtet partieller Übereinstimmungen mit dem ‚Nationalsozialismus‘ hatte (und wollte) er nach dem „Anschluss Österreichs“ 1938 als ‚Kulturbolschewist‘ keine Chance im offiziellen Musikleben“, schreibt das Lexikon Komponisten der Gegenwart. Ab 1939 stellte er für die Universal Edition Klavierauszüge her und zog sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück. Eine authentische Sicht auf den Komponisten in dieser Zeit geben die Erinnerungen Karl Amadeus Hartmanns, der Webern im November 1942 in Maria Enzersdorf bei Wien besuchte, um Unterricht zu nehmen.[4]

Am 15. September 1945 wurde Anton Webern in Mittersill bei Zell am See von einem Soldaten der US-Armee irrtümlich erschossen, als er während einer Razzia in seinem Haus – sein Schwiegersohn wurde des Schwarzmarkthandels verdächtigt – vor die Tür trat, um eine Zigarre zu rauchen. Webern wurde in der Annakirche in Mittersill aufgebahrt und auf dem Ortsfriedhof begraben. Die Umstände von Anton Weberns Tod sind Thema von René Staars op. 9 Just an Accident? A Requiem for Anton Webern and Other Victims of the Absurd aus dem Jahr 1986.

Büste im Anton-Webern-Park in Mittersill

Heute (Stand 2018) ist er zusammen mit seiner Frau Wilhelmine und seiner Tochter Maria Halbich († 2000) in einem Ehrengrab der Gemeinde Mittersill beigesetzt. Auf der Rückseite des Grabsteins ist ein Gedicht Hildegard Jones zu lesen, das Webern 1935 vertont hatte. Der größte Teil des Nachlasses von Anton Webern befindet sich heute in der Paul-Sacher-Stiftung in Basel.

Werk und Wirkung

Bereits aus der „Klagenfurter Periode“ (1899) sind zwei Stücke für Cello und Klavier aus Weberns Hand bekannt. Weberns frühe, zu Lebzeiten nicht aufgeführte Stücke (Im Sommerwind, 1904; Langsamer Satz, 1905) stehen noch deutlich in der Tradition der Spätromantik. Darauf folgte, beginnend 1908/1909 mit den Liedern nach Stefan George und den Fünf Sätzen für Streichquartett, eine lange atonale Phase, die den Ruf Weberns als eines Vertreters des musikalischen Expressionismus begründete. Bis 1914 entstanden Stücke von aphoristischer Kürze. 1924/1925 wendete Webern dann erstmals Schönbergs Zwölftontechnik an. Während Schönberg und Alban Berg diese Technik für große Formen anwendeten, vollendete sich die Kunst Weberns in der kleinen, hochkonzentrierten Form und er begann „seine Diamanten zu schleifen, seine blitzenden Diamanten, von deren Minen er eine so vollkommene Kenntnis hatte“ – wie Igor Strawinski es einmal ausdrückte.

Von da an konzentrierte sich Webern auf die Organisation der Struktur – neben der Ordnung der Tonhöhen auch die der Dauern und der Dynamik. György Ligeti hat in Salzburger Vorträgen, bei denen er unter anderem die Bagatellen für Streichquartett op. 9 analysierte, deren komplexe Symmetrien gezeigt und dafür den Ausdruck „Prinzip der gestörten Ordnung“ geprägt. Eine konsequente, strenge Regelhaftigkeit in der Festlegung der musikalischen Parameter nahmen nach dem Zweiten Weltkrieg die Komponisten der Darmstädter Schule vor, vor allem Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen, die Weberns Verfahren übernahmen und zu Kompositionstechniken der seriellen Musik ausbauten. Schüler waren bei Webern Gerd Muehsam und Eduard Steuermann.

Werke (Auswahl)

Werke mit Opuszahl

Zu seinen Lebzeiten veröffentlichte Werke:

1. „Das Dunkle Herz“ (1934), 2. „Es stürzt aus Höhen Frische“ (1933), 3. „Herr Jesus mein“ (1933)

Werke ohne Opuszahl

Schriften / Vorträge

Preise und Ehrungen

Grab auf dem Friedhof Mittersill

Literatur

Einzelnachweise

  1. dtoe.at
  2. Programme der ISCM World Music Days von 1922 bis heute
  3. Anton Haefeli: Die Internationale Gesellschaft für Neue Musik – Ihre Geschichte von 1922 bis zur Gegenwart. Zürich 1982, S. 480ff
  4. Karl Amadeus Hartmann: Lektionen bei Anton Webern, Briefe an meine Frau. In: Opus Anton Webern S. 9–11, siehe Literaturverzeichnis
  5. als Musikbeilage abgedruckt in: Kandinsky, Franz Marc: Der Blaue Reiter. Piper, München 1912 (Nachdruck der Ausgabe von 1912. Piper Verlag, München 2004, ISBN 3-492-24121-2)
  6. Webern – Pierre Boulez – Das Gesamtwerk Op. 1-31
  7. Preis der Stadt Wien. Musik (1947 – dato) im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  8. Minor Planet Circ. 16886 (PDF; 341 kB)
  9. Mödling. Abgerufen am 12. Dezember 2022.