Die Frau auf dem scharlachroten Tier. Facundus-Beatus, f. 225v

Beatus-Apokalypsen, auch Beatus-Handschriften oder kurz Beatus genannt, sind illuminierte Handschriften mit einem dem Beatus von Liébana zugeschriebenen Apokalypsen-Kommentar. Die meisten Beatus-Handschriften entstanden zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert in Nordspanien.

26 illuminierte Handschriften[1] sowie einige reine Texthandschriften sind ganz oder teilweise erhalten. Die umfangreichen, großformatigen Codices mit ihren zahlreichen farbenprächtigen Miniaturen (ein vollständiger Beatus enthält über 100) zählen zu den bedeutendsten Meisterwerken der spanischen Buchmalerei und seit 2015 zum Weltdokumentenerbe.[2]

Entstehung und Verwendung

Die vier apokalyptischen Reiter aus dem Facundus-Beatus (f. 135). Dem Teufel wurden nachträglich die Augen ausgekratzt.

Die älteren erhaltenen Beatus-Codices stammen durchweg aus dem christlichen Norden der Iberischen Halbinsel, vor allem aus dem Königreich León. Hersteller wie Auftraggeber waren fast ausschließlich in Klöstern zu finden.

In der Liturgie fand die Beatus-Apokalypse keine Verwendung, sie diente vor allem der privaten Andacht und Erbauung von Mönchen. Von dem profunden Eindruck auf die gläubigen Leser zeugen die zerkratzten Augen und Gesichter des Teufels oder der Hure Babylon, die in manchen Handschriften zu finden sind.

Einige der prächtigen Codices dürften wohl auch als Prestigeobjekte und Statussymbole gedient haben und wurden wenig gelesen: Sie zeigen wenig Gebrauchsspuren (Glossen, Randnotizen) und sind hervorragend erhalten.

Inhalt

Die Beatus-Handschriften enthalten mit leichten Variationen die folgende Sammlung von Texten:

Wie es gerade zu dieser Zusammenstellung von Texten gekommen ist, deren Zusammenhang nicht immer einleuchtet, ist unbekannt.

Der Apokalypsen-Kommentar des Beatus von Liébana

Die Zuschreibung des anonym überlieferten Kommentars an Beatus von Liébana ist unbestritten: Sie ergibt sich aus der Widmung an den Beatus-Schüler Etherius und aus der stilistischen und inhaltlichen Nähe zur Streitschrift Adversus Elipandum.

Im Vorwort nennt Beatus seine Quellen: Hieronymus, Augustinus, Ambrosius, Fulgentius, Gregor, Tyconius, Irenäus, Apringius von Beja und Isidor. Der eigene Beitrag des Beatus ist gering; sein Werk ist im Wesentlichen eine Kompilation aus Werken der genannten Autoren. Der überwiegende Teil – annähernd die Hälfte – stammt aus dem Apokalypsen-Kommentar des Tyconius, eines Donatisten, der im 4. Jahrhundert in Nordafrika lebte.

Die Einteilung in zwölf Bücher stammt wahrscheinlich schon von Tyconius. Der Text der Apokalypse wird in 66 Abschnitte, storiae genannt, eingeteilt. Nach jeder storia folgt eine explanatio, die mit den Worten incipit explanatio suprascriptae storiae eingeleitet wird und Vers für Vers den Offenbarungstext kommentiert. Das weitschweifige Werk umfasst in einer modernen Druckausgabe mehr als 500 Seiten[5]. Als Entstehungszeit wird das Ende des 8. Jahrhunderts angenommen (um 786)[6].

Das Lamm auf dem Berg Zion, Morgan-Beatus

Stil

In den isolierten christlichen Königreichen der nördlichen Iberischen Halbinsel haben sich Kunstformen entwickelt, die sich von den übrigen europäischen Kunststilen deutlich abheben, auch wenn sich verschiedene Einflüsse nachweisen lassen: Teilweise gehen diese bis auf die Antike zurück; aus dem benachbarten Frankenreich und vor allem aus dem arabischen Raum wurden Anregungen übernommen, letztere wohl durch mozarabische Flüchtlinge vermittelt.

Charakteristisch sind die mangelnde Naturtreue und extreme Stilisierung: Berge sind beispielsweise als einfache geometrische Figuren dargestellt, oft nur simple, mit dem Zirkel gezeichnete Halbkreise. Jede Räumlichkeit fehlt; die Darstellungen sind rein zweidimensional. Dem steht eine reiche Ornamentik gegenüber; bemerkenswert ist vor allem das kunstvolle Flechtwerk. Die Farben sind meist kräftig und leuchtend.

Auch eine eigene Schriftform hat sich auf der nördlichen Iberischen Halbinsel ausgebildet, die westgotische Minuskel, in der alle älteren Beatus-Codices geschrieben sind.

Beatus von Urgell: Das Tier, das aus der Erde heraufsteigt (f. 138v). Darunter der Text der explanatio in westgotischer Minuskel.

Ikonographie

Vermutlich war der Apokalypsen-Kommentar des Beatus von Anfang an als illustriertes Werk angelegt. Das Bildprogramm erfuhr im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Ergänzungen und Erweiterungen, hat sich jedoch nicht wesentlich geändert. Aufgrund ikonographischer, stilistischer und textueller Merkmale wurden von mehreren Autoren Einteilungen und Stemmata der Beatus-Codices vorgeschlagen, unter anderem von Wilhelm Neuß[7], Henry A. Sanders[8], Peter K. Klein[9] und John Williams[10]. Die Ergebnisse unterscheiden sich in einigen Details; allen gemeinsam ist jedoch die Einteilung in zwei Familien, wobei die Familie II sich durch eine reichere Bebilderung mit mehr und größeren Miniaturen auszeichnet. Innerhalb der Familie II werden noch die Zweige IIa und IIb unterschieden.

Bilder zur Einleitung

Bei den Illustrationen vor der eigentlichen Beatus-Apokalypse unterscheiden sich die Handschriften am stärksten; etliche Bilder kommen nur in einer einzigen Handschrift vor. Folgende Miniaturen sind mehreren Codices gemeinsam:

Labyrinth aus dem Fanlo-Beatus mit der Inschrift Pantio abba librum
Die vierte Posaune, Escorial-Beatus (f. 94v)

Bilder zur Johannes-Apokalypse

Der Großteil der Miniaturen illustriert die Apokalypse selbst. Die Miniaturen folgen sehr buchstabengetreu dem Text, beispielsweise werden Sonne und Mond in drei annähernd gleich große Sektoren eingeteilt, um die Verfinsterung eines Drittels zu illustrieren (Offb 8,12 EU). Es findet sich aber auch manche Nachlässigkeit, die Symbolzahlen (sieben Häupter, zehn Hörner, 24 Älteste usw.) sind nicht immer korrekt wiedergegeben.

Die dargestellten Personen, Gegenstände und Szenen sind fast immer beschriftet, beispielsweise Iohannes, angelus (Engel), lapis (Mühlstein, Offb 18,21-24 EU), ubi Iohannes librum accepit (hier nimmt Johannes das Buch entgegen, Offb 10,8-10 EU) usw.

Die Illustrationen befinden sich üblicherweise zwischen storia und explanatio. In den Codices der Familie II sind die meisten ganzseitig und gerahmt. Auch kleinere Formate kommen vor, vor allem bei den Zyklen (sieben Sendschreiben, sieben Posaunen, sieben Schalen); manche Miniaturen sind doppelseitig. Charakteristisch für die Familie II sind auch die monochromen horizontalen Streifen, die den Hintergrund bilden.

Der Altar und die Seelen der Verstorbenen. Beatus von Urgell, f 106
Die Anbetung des Tieres und des Drachen. Escorial-Beatus f 108v
Aus dem Maul des Tieres, des Drachen und des falschen Propheten kommen unreine Geister gleich Fröschen hervor. Beatus von Osma, f. 139
Das Lamm besiegt das Tier, den Drachen und den falschen Propheten. Facundus-Beatus f. 230v

Nachfolgend werden vollständig alle storiae aufgelistet, die in den Beatus-Handschriften illustriert sind:

1. Buch:

2. Buch:

3. Buch:

4. Buch:

5. Buch:

6. Buch:

7. Buch:

8. Buch:

9. Buch:

10. Buch:

11. Buch:

12. Buch:

Bilder zum Kommentar des Beatus

Nur wenige Miniaturen illustrieren die explanationes des Beatus:

Weltkarte aus dem Beatus von Saint-Sever
Arche Noah. Beatus von Urgell f. 82v
Das Gastmahl des Belschazzar im Beatus von Urgell (f. 219)

Bilder zum Buch Daniel

Die Illustrationen zum Buch Daniel sind in allen Handschriften, auch in jenen der Familie II, ungerahmt.

Beatus-Handschriften bis 1100

Die älteren Beatus-Handschriften stammen durchweg aus den christlichen Königreichen der Iberischen Halbinsel und sind in westgotischer Minuskel geschrieben; einzige Ausnahme ist der Beatus von Saint-Sever.

In der Literatur hat sich keine einheitliche Nomenklatur durchgesetzt. So werden Beatus-Handschriften nach ihrem Schreiber oder Illuminator, nach dem Auftraggeber, dem Entstehungs- oder Aufbewahrungsort benannt. Von Neuß wurde ein System von Siglen vorgeschlagen, die im Folgenden in eckigen Klammern angegeben werden.

Ältestes erhaltenes Beatus-Fragment

Einzelblatt aus Silos [Fc]

Das älteste erhaltene Fragment einer Beatus-Handschrift wird heute als Fragment 4 im Kloster Santo Domingo de Silos aufbewahrt, wohin es im 18. Jahrhundert aus Cirueña kam[12]. Der ursprüngliche Herkunftsort ist unbekannt. Das Fragment wird auf das Ende des 9. Jahrhunderts datiert. Die kleinformatige Miniatur von bescheidener handwerklicher Qualität zeigt den Altar und die Seelen der Verstorbenen (Offb 6,9-11 EU).

Handschriften der Familie I

Morgan-Beatus [M]

Die Auferstehung der beiden Zeugen und das Erdbeben. Morgan-Beatus f. 154v

Der Codex, MS 644 der Pierpont Morgan Library in New York, ist nach seinem Aufbewahrungsort benannt. In einem umfangreichen Kolophon auf f. 293 nennt der Schreiber seinen Namen in einem Wortspiel (Maius quippe pusillus – Maius, der Kleine), den Ort (cenobii summi Dei nuntii Micaelis arcangeli – das Kloster San Miguel de Escalada bei León), seinen Auftraggeber, den Abt Victor, und die Jahreszahl (duo gemina ter terna centiese ter dena bina = 2 × 2 + 3 × 300 + 3 × 10 × 2 = 964). Nachdem die damals in Spanien übliche Zeitrechnung von der heute verwendeten um 38 Jahre abweicht, würde das eine Entstehungszeit von 926 bedeuten. In der heutigen Forschung wird ein so frühes Datum aus stilistischen Gründen nahezu ausgeschlossen. Allgemein wird eine Entstehung um die Mitte des 10. Jahrhunderts angenommen, wobei verschiedene Interpretationen der Datumsangabe des Maius vorgeschlagen wurden.

Der Morgan-Beatus ist der älteste erhaltene Codex der Familie II (Zweig IIa). Es ist möglich, dass die Neuerungen der Familie II auf Maius selbst zurückzuführen sind.

Beatus von Tábara [T]

Im Kolophon des Beatus von Tábara [T] (Madrid, Archivo Histórico Nacional, Cod. 1097B) erwähnt dessen Schreiber Emeterius den Tod seines Lehrers Magius im Jahr 968. Es gilt als sicher, dass dieser Magius mit Maius identisch ist.

Beatus von Valladolid [V]

Nach seinem mutmaßlichen Entstehungsort, dem Kloster von Valcavado in der Nähe von Saldaña in der Provinz Palencia wird dieser Codex auch „Beatus von Valcavado“ genannt. Er wird heute in der Biblioteca Santa Cruz in Valladolid aufbewahrt (MS 433) und gehört der Familie IIa an. Eine Inschrift auf f. 3v berichtet, dass die Handschrift am 8. Juni 970 begonnen und am 8. September 970 vollendet wurde. Mit der Arbeit wurde der Mönch Obeco vom Abt Sempronius betraut.

Beatus von Girona [G]

Die beiden Zeugen. Beatus von Girona (f. 164)

Dieser Beatus-Codex stammt aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts und wird heute im Archiv der Kathedrale von Girona aufbewahrt (Archivo Capitular de Girona ms. 7 olim 41). Er gehört der Familie IIb an, weist aber eine Reihe von Besonderheiten auf.

Der Schreiber Senior wird auf f. 283v genannt (Senior presbiter scripsit). Der Kolophon auf f. 284 nennt den Auftraggeber, den Abt Dominicus (Dominicus abba liber fieri precipit) und als Illuminatoren die Nonne En und den Presbyter Emeterius (En depintrix et Dei aiutrix frater Emeterius et presbiter – En, Malerin und Gehilfin Gottes; Emeterius, Bruder und Presbyter). Gelegentlich wird der Name der Malerin auch als Ende bezeichnet, nach der – wohl falschen – Abteilung Ende pintrix[14]. Der Kolophon nennt auch die Jahreszahl (era millesima XIII = 1013), was nach heutiger Zeitrechnung 975 entspricht.

Zu Beginn enthält die Handschrift eine Reihe von Miniaturen, die sonst in keinem Beatus (außer dem Beatus von Turin) vorkommen. Auf ff. 3v–4r befindet sich eine doppelseitige Darstellung des Himmels in sechs konzentrischen Kreisen. Auf die genealogischen Tafeln folgt ein Zyklus von sechs ganzseitigen Miniaturen zum Leben Christi, darunter Kreuzigung und Höllenfahrt.

Bemerkenswert ist auch der Zyklus der sieben Sendschreiben. Die Miniaturen sind ganzseitig und ungerahmt; die Darstellungen der sechs Kirchen (das Blatt mit der Kirche von Pergamon fehlt) sind abwechslungsreich und phantasievoll.

Die Farben wirken – im Vergleich zum kräftigen Kolorit der meisten Handschriften der Familie II – blass und gedämpft. Zahlreiche Miniaturen sind mit Gold und Silber geschmückt.

Der Beatus von Turin [Tu] (Turin, Biblioteca Nazionale Universitaria, ms. lat. 93, sgn I.II,1), entstanden um 1100, ist eine unmittelbare Kopie des Beatus von Girona.

Beatus von Urgell [U]

Dieser Codex wird im Diözesanmuseum von La Seu d’Urgell aufbewahrt (Num. Inv. 501). Er enthält keine Hinweise auf Auftraggeber, Herstellungsort, Schreiber oder Illuminator. Er wurde vermutlich im letzten Viertel des 10. Jahrhunderts im Königreich León hergestellt[15] und wird der Familie IIa zugerechnet. Er scheint bereits 1147 in einem Inventarverzeichnis der Kathedrale von La Seu d’Urgell auf.

Facundus-Beatus [J]

Facundus-Beatus: Die mit der Sonne bekleidete Frau und der Drache (f. 186v)

Der Facundus-Beatus ist eine der bekanntesten und prächtigsten Beatus-Handschriften. Im Buchstaben-Labyrinth am Anfang werden die Auftraggeber genannt, König Ferdinand I. und Königin Sancha, nach denen der Codex manchmal auch „Beatus des Ferdinand und der Sancha“ genannt wird. Es ist der einzige Beatus, der erwiesenermaßen nicht für ein Kloster bestimmt war. Als Herstellungsort wird ein königliches Skriptorium in León angenommen. Das Kolophon (f. 317) nennt den Schreiber Facundus (Facundus scripsit) und die Jahreszahl (bis quadragies et V post millesima, 2 × 40 + 5 + 1000 = 1085, nach unserer Zeitrechnung 1047).

Heute wird die Handschrift in der Spanischen Nationalbibliothek aufbewahrt (Vitr. 14-2). Sie wird zur Familie IIa gerechnet.

Umberto Eco veröffentlichte eine Monographie über den Codex.[16] Er ist eine wichtige Inspirationsquelle für den Namen der Rose, in dem die Miniatur der mit der Sonne bekleideten Frau und dem Drachen eine bedeutende Rolle spielt.

Fanlo-Beatus [FL]

Von diesem Beatus sind nur sieben Seiten in einer Kopie aus dem 17. Jahrhundert erhalten. Die Kopie wurde von Vicente Juan de Lastanosa (1607–84) mit Wasserfarben auf Papier gemalt; die Vorlage befand sich im Kloster Montearagón in der Provinz Toledo. Mit anderen Papieren aus dem Besitz von Juan Francisco Andrés de Uztarroz (1606–53), einem mit Lastanosa befreundeten aragonesischen Historiker, wurde die Kopie 1988 von der Pierpont Morgan Library erworben, wo sie heute unter der Bezeichnung M. 1079 aufbewahrt wird.

Lastanosas Kopien sind so detailgetreu, dass zahlreiche Rückschlüsse auf das Original möglich sind. Es handelte sich dabei höchstwahrscheinlich um eine direkte Kopie des Escorial-Beatus [E] aus der Mitte des 11. Jahrhunderts. Der Schreiber Sancius (Sancho) nennt sich in einem Akrostichon (Sancius notarius presbiter mementote). Das Buchstaben-Labyrinth nennt als Auftraggeber den Abt Pantio. Dieser Pantio wird mit dem aus anderen Quellen bekannten Bancio oder Banzo identifiziert, der von 1035 bis 1070 Abt des aragonesischen Klosters San Andrés de Fanlo war[17].

Beatus von Saint-Sever [S]

Beatus von Saint-Sever: Die erste Posaune – Hagel und Feuer mit Blut vermischt (f 137v).

Dieser Codex wurde vermutlich um 1060 für die Abtei Saint-Sever in der Gascogne geschrieben, möglicherweise wurde er dort auch hergestellt. Das Buchstaben-Labyrinth auf f. 1 nennt den Auftraggeber Gregorius abba[s] nobil[is], womit höchstwahrscheinlich Gregorius Muntaner gemeint ist, der von 1028 bis 1072 Abt von Saint-Sever war. In einer Säule in den genealogischen Tafeln (f. 6) hat sich ein Stephanus Garsia Placidus verewigt, bei dem es sich um einen der Illuminatoren handeln könnte. Die Handschrift wird in Paris in der Bibliothèque nationale aufbewahrt (MS lat. 8878).

Dieser Beatus-Codex ist in vieler Hinsicht bemerkenswert: Er ist der einzige Beatus vor 1100, der jenseits der Pyrenäen entstand und nicht in westgotischer, sondern in karolingischer Minuskel geschrieben ist. Er gehört der Familie I an, enthält aber auch Miniaturen, die sonst nur in der Familie II vorkommen. Stilistisch und inhaltlich gibt es beträchtliche Abweichungen von den spanischen Vorbildern. Die Darstellung von Menschen und Tieren ist wesentlich naturgetreuer. Er enthält etliche Miniaturen, die nicht zum Bildprogramm des Beatus gehören, z. B. die Darstellung zweier glatzköpfiger Männer, die einander an den Bärten ziehen, während eine Frau zusieht (f. 184).

Silos-Beatus [D]

Der Silos-Beatus ist der jüngste der Beatus-Codices in traditionellem Stil und westgotischer Minuskel. Wie aus mehreren Kolophonen (f. 275v, 276, 277v) hervorgeht, wurde der Text von den Schreibern Dominicus und Munnius im April 1091 vollendet, während die Miniaturen vom Illuminator Petrus erst am 1. Juli 1109 vollendet wurden. Begonnen wurde das Werk unter Abt Fortunius von Santo Domingo de Silos; nach dessen Tod wurde es unter den Äbten Nunnus und Johannes weitergeführt.

Die Handschrift gehört der Familie IIa an. Die erste Miniatur ist eine außergewöhnliche Darstellung der Hölle, in der ein reicher Mann (dives) und ein unzüchtiges Paar von mehreren Dämonen (Atimos, Radamas, Beelzebub, Barabbas) gequält werden.

Joseph Bonaparte eignete sich die Handschrift an, als er König von Spanien war. 1840 verkaufte er sie an das British Museum, wo sie heute als Add. MS 11695 aufbewahrt wird.[18]

Spätere Beatus-Handschriften

Gegen Ende des elften Jahrhunderts kam es zu tiefgreifenden Änderungen im kirchlichen und kulturellen Leben der christlichen Königreiche der Iberischen Halbinsel. Die bis dato gültige westgotische Liturgie wurde durch den Römischen Ritus ersetzt, die westgotische Minuskel wurde nach dem Konzil 1090 durch die Karolingische Minuskel ersetzt. Auch Kunst und Architektur näherten sich immer mehr den in Frankreich verbreiteten romanischen Formen an.

Damit war die Blütezeit der Beatus-Handschriften im eigentümlich spanischen (oft – wohl nicht ganz korrekt – „mozarabisch“ genannten) Stil vorbei. Bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts wurde noch eine Reihe von Beatus-Codices in karolingischer Minuskel geschrieben. Die Miniaturen bauen meist auf dem Bildprogramm früherer Beatus-Handschriften auf, weisen aber zahlreiche Stilmerkmale der romanischen Buchmalerei auf. Wichtige dieser Codices sind:

Nachwirkungen

Arche Noah aus dem Beatus von Saint-Sever (f. 85)

Nach 1250 scheint die Produktion von Beatus-Handschriften ganz aufzuhören. Auch die Nachwirkungen und Einflüsse auf andere Kunstwerke waren gering. Beispielsweise lassen sich in den zahlreichen prächtigen gotischen Apokalypsen-Kommentaren, die im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts in England hergestellt wurden, nur ganz vereinzelt – wenn überhaupt – Einflüsse der Beatus-Tradition nachweisen[19].

Im 16. Jahrhundert zeigten einzelne Gelehrte historisches und antiquarisches Interesse an Beatus-Handschriften, so der Humanist Ambrosio de Morales (1513–91) aus Córdoba[20]. Beginnend mit den Arbeiten von Neuß[7] und Montague Rhodes James[21] wurden die Beatus-Codices im 20. Jahrhundert sorgfältig wissenschaftlich erforscht. Die Darstellung der in der Sintflut Ertrunkenen im Beatus von Saint-Sever hat Picassos berühmtes Gemälde Guernica beeinflusst.[22][23] Das gegen Ende des 20. Jahrhunderts weit verbreitete Interesse an Apokalyptik führte auch zu einer großen Popularität des Beatus und zahlreichen Publikationen und Faksimile-Ausgaben.

Theophanie: Vision des Lamms, der vier Wesen und der vierundzwanzig Ältesten aus dem Facundus-Beatus (f. 117v)

Zitat

„Die Theophanie der spanischen Apokalypse begibt sich im Nirgendwo und überall. Alle Einzelerscheinungen sind vom Zentrum aus organisiert – man darf eine solche Darstellung mit Fug und recht als Ausdruck einer theozentrischen Weltanschauung ansprechen.“

Literatur

Anmerkungen

  1. Vollständige Liste, mit Ausnahme des erst nach Erscheinen entdeckten Beatus von Genf, zu Beginn jedes Bandes in J. Williams, The Illustrated Beatus.
  2. The Manuscripts of the Commentary to the Apocalypse (Beatus of Liébana) in the Iberian Tradition. UNESCO Memory of the World, abgerufen am 1. September 2017 (englisch).
  3. Lateinischer Text der Etymologiae Isidors.
  4. Lateinischer Text der Etymologiae Isidors.
  5. Eugenio Romero Pose (Hrsg.): Sancti Beati a Liebana Commentarius in Apocalypsin. Scriptores Graeci et Latini Consilio Academiae Lynceorum Editi, Typis Officinae Polygraphicae, Romae 1985.
  6. Yarza Luaces: Beato de Liébana, S. 42.
  7. a b Wilhelm Neuß: Die Apokalypse des Johannes in der altspanischen und altchristlichen Bibel-Illustration. Münster 1931.
  8. Henry A. Sanders et al.: Beati in Apocalypsin libri duodecim. Codex Gerundensis. Madrid 1975.
  9. Peter K. Klein: Der ältere Beatus-Codex Vitr 14-1 der Biblioteca Nacional zu Madrid. Studien zur Beatus-Illustration und der spanischen Buchmalerei des 10. Jahrhunderts. Hildesheim – New York 1976.
  10. John Williams: The Illustrated Beatus.
  11. Brigitte Englisch: Ordo orbis terrae. Die Weltsicht in den Mappae mundi des frühen und hohen Mittelalters. Berlin 2002, ISBN 3-05-003635-4, S. 193 ff. und S. 259 ff.
  12. Yarza Luaces: Beato de Liébana, S. 69.
  13. Paule Hochuli Dubuis und Isabelle Jeger: Bibliothèque de Genève, Ms. lat. 357.
  14. Gabriel Roura i Guibas und Carlos Miranda García-Tejedor: Beato de Liébana. Códice de Girona. Moleiro editor, Barcelona 2003, ISBN 84-88526-84-9 (spanisch).
  15. J. Williams, The Illustrated Beatus, Band 3, S. 17.
  16. Umberto Eco: Beato di Liébana: Miniature del Beato de Fernando I y Sancha (Codice B. N. Madrid Vit. 14-2). Parma, F. M. Ricci, 1973.
  17. J. Williams: The illustrated Beatus, Band 3, S. 43.
  18. Miguel C. Vivancos und Angélica Franco: Beato de Liébana. Códice del Monasterio de Santo Domingo de Silos. Moleiro, Barcelona 2003, ISBN 84-88526-76-8 (spanisch).
  19. So in der Darstellung des Himmlischen Jerusalem, f. 24v der Trinity-Apokalypse, Trinity College Library Ms. R. 16.2 (nach Yarza Luaces, Beato de Liébana, S. 306).
  20. J. Williams: The Illustrated Beatus. Band 3, S. 35.
  21. M.R. James: The Apocalypse in Art. London, Oxford University Press, 1931.
  22. Santiago Sebastián: El Guernica y otras obras de Picasso: Contextos iconográficos. Editum: Ediciones de la Universidad de Murcia 1984, ISBN 84-86031-49-4, S. 90 (spanisch, online bei Google Books).
  23. Peter K. Klein: Epilogue: the Saint-Sever Beatus, Picasso's Guernica and other modern paintings. In: The Saint-Sever Beatus and its influence on Picasso's Guernica, Patrimonio, Valencia 2012, ISBN 978-84-95061-42-3.
  24. Otto Pächt: Buchmalerei des Mittelalters. Prestel, München 1984, ISBN 3-7913-0668-5, S. 162.