In der Mathematik ordnet die Betragsfunktion einer reellen oder komplexen Zahl ihren Abstand zur Null zu. Dieser sogenannte absolute Betrag, Absolutbetrag, Absolutwert oder auch schlicht Betrag ist immer eine nichtnegative reelle Zahl. Der Betrag einer Zahl wird meist mit , seltener mit , bezeichnet. Das Quadrat der Betragsfunktion wird auch Betragsquadrat genannt.
Den absoluten Betrag einer reellen Zahlkonstanten erhält man durch Weglassen des Vorzeichens. Auf der Zahlengeraden bedeutet der Betrag den Abstand der gegebenen Zahl von Null.
Ist reell (d. h. , also ), so geht diese Definition in
über, was mit der Definition des Betrages einer reellen Zahl übereinstimmt.
Veranschaulicht man die komplexen Zahlen als Punkte der Gaußschen Zahlenebene, so entspricht diese Definition nach dem Satz des Pythagoras ebenfalls dem Abstand des zur Zahl gehörenden Punktes vom sogenannten Nullpunkt.
Die Betragsfunktion erfüllt die drei Normaxiome Definitheit, absolute Homogenität und Subadditivität und ist damit eine Norm, genannt Betragsnorm, auf dem Vektorraum der reellen oder komplexen Zahlen. Die Definitheit folgt daraus, dass die einzige Nullstelle der Wurzelfunktion im Nullpunkt liegt, womit
gilt. Die Homogenität folgt für komplexe aus
und die Dreiecksungleichung aus
wobei sich die beiden gesuchten Eigenschaften jeweils durch Ziehen der (positiven) Wurzel auf beiden Seiten ergeben. Hierbei wurde genutzt, dass die Konjugierte der Summe bzw. des Produkts zweier komplexer Zahlen die Summe bzw. das Produkt der jeweils konjugierten Zahlen ist. Weiterhin wurde verwendet, dass die zweimalige Konjugation wieder die Ausgangszahl ergibt und dass der Betrag einer komplexen Zahl immer mindestens so groß wie ihr Realteil ist. Im reellen Fall folgen die drei Normeigenschaften analog durch Weglassen der Konjugation.
Die Betragsnorm ist vom Standardskalarprodukt zweier reeller bzw. komplexer Zahlen und induziert. Die Betragsnorm selbst induziert wiederum eine Metrik (Abstandsfunktion), die Betragsmetrik
,
indem als Abstand der Zahlen der Betrag ihrer Differenz genommen wird.
Die einzige Nullstelle der beiden Betragsfunktionen ist 0, das heißt gilt genau dann, wenn gilt. Dies ist somit eine andere Terminologie der zuvor erwähnten Definitheit.
Für alle gilt , wobei die Vorzeichenfunktion bezeichnet. Da die reelle nur die Einschränkung der komplexen Betragsfunktion auf ist, gilt die Identität auch für die reelle Betragsfunktion. Die Ableitung der auf eingeschränkten Betragsfunktion ist die auf eingeschränkte Vorzeichenfunktion.
Stetigkeit, Differenzierbarkeit und Integrierbarkeit
Die reelle Betragsfunktion ist an der Stelle nicht differenzierbar und somit auf ihrem Definitionsbereich keine differenzierbare Funktion. Sie ist jedoch fast überall differenzierbar, was auch aus dem Satz von Rademacher folgt. Für ist die Ableitung der reellen Betragsfunktion die Vorzeichenfunktion . Als stetige Funktion ist die reelle Betragsfunktion über beschränkte Intervalle integrierbar; eine Stammfunktion ist .
Beide Betragsfunktionen, die reelle und die komplexe, werden archimedisch genannt, weil es eine ganze Zahl gibt mit . Daraus folgt aber auch, dass für alle ganzen Zahlen ebenfalls ist.[1]
Integritätsbereiche mit einem archimedischen Betrag haben die Charakteristik 0.
Integritätsbereiche mit einer von 0 verschiedenen Charakteristik (haben Primzahlcharakteristik und) nehmen nur nichtarchimedische Beträge an.
Endliche Integritätsbereiche sind endliche Körper mit Primzahlcharakteristik und nehmen nur den trivialen Betrag an.
Der Körper der rationalen Zahlen als Primkörper der Charakteristik 0 und seine endlichen Erweiterungen nehmen sowohl archimedische als auch nichtarchimedische Beträge an.
Der Körper lässt sich für jede Betragsfunktion, genauer: für die von jeder Betragsfunktion (oder Bewertung) induzierte Metrik, vervollständigen. Die Vervollständigung von wird häufig mit bezeichnet.
Archimedische Vervollständigungen der rationalen Zahlen sind und , nichtarchimedische sind für Primzahlen .
Nach dem Satz von Ostrowski repräsentieren die in diesem Artikel erwähnten Beträge, der eine archimedische (und euklidische) und die unendlich vielen je einer Primzahl zuzuordnenden nichtarchimedischen, alle Klassen von Beträgen (oder Bewertungen) der rationalen Zahlen .
Die Betragsfunktion auf den reellen bzw. komplexen Zahlen kann durch die Eigenschaften Definitheit, absolute Homogenität und Subadditivität auf beliebige Vektorräume verallgemeinert werden. Eine solche Funktion wird Norm genannt. Sie ist aber nicht eindeutig bestimmt.