Chu (chinesisch 楚, Pinyin Chǔ, W.-G. Ch'u, Altchinesisch *s-r̥aʔ[1]) war ein Königreich im Gebiet des heutigen Süd-China während der Westlichen Zhou-Dynastie (1046 bis 771 v. Chr.), der Zeit der Frühlings- und Herbstannalen (722 bis 481 v. Chr.) und der Zeit der Streitenden Reiche (475 bis 221 v. Chr.). Ursprünglich war das Land als Jing (荆) und nachfolgend als Jingchu (荆楚) bekannt. Die größte Ausdehnung bildete ein umfangreiches Gebiet, einschließlich das der heutigen Provinzen Hunan, Hubei, Chongqing, Henan, und Teilen der Provinz Jiangsu.
Kennzeichnend für den Staat Chu war die auf den chinesischen Schamanismus aufbauende Kultur und Politik.[2] Die Gedichtesammlung Chuci, welche als das früheste vollkommene schriftliche Zeugnis der schamanistischen Kultur Zentralasiens gilt, entstand im Staat Chu.
Als erstem Vasallen der Zhou-Könige gelang es dem Fürst Chu Wuwang (König Wu von Chu) im Jahr 703/704 vor Christus, sich selbst dauerhaft als König zu etablieren und sich damit gleichrangig zum Herrscher der regierenden Zhou-Dynastie zu machen.[3] Hintergrund dafür war die Lage des nie voll unterworfenen, teilautonomen Flächenlandes im südlichsten Teil des Zhou-Herrschaftsbereichs. Historiker erklären diese Selbsterhöhung mit diplomatischen Schwierigkeiten, welche der Zi (子, übersetzt meist als Vizegraf) von Chu mit seinen südlichen Nachbarn gehabt haben müsse. Führer jener nichtchinesischen Regionen und Stammestümer bezeichneten sich ebenfalls als Könige. Nachdem dem Fürsten von Chu ein gebührender Rang (etwa der eines Gongs) durch die regierenden Zhou jahrzehntelang trotz inständigen Bittens verweigert worden war, sei die Königs-Ernennung weniger als Akt der Rebellion gegen die Zhou-Könige zu verstehen, denn als Bemühung, sich den Respekt der Vasallen und Nachbarreiche zu erhalten.[4] Für lange Zeit blieb Chu das einzige chinesische Fürstentum, welches von einem dem Zhou-König formell gleichrangigen Herrscher regiert wurde, und beanspruchte auch bald in vielerlei weiteren politischen Gesten den Status eines unabhängigen Staates, der nicht länger Vasall der Zhou sei. Erst zur Zeit der Streitenden Reiche wagten es weitere mächtige Gongs, sich ebenfalls als Könige zu bezeichnen, angefangen in der Mitte des 6. Jahrhunderts in den Staaten Wu und Yue.
Das südliche Chu war damit seit Beginn der Frühlings- und Herbstannalen eine stetige Bedrohung für die brüchigen Bündnispartner rund um den Zhou-Hof des Nordens. Chu blieb darum auch lange einer der mächtigsten Staaten Chinas; der spätere König Zhuang (um die Jahrhundertwende 600 v. Chr.) wird meist zu den Fünf Hegemonen gezählt und somit zu den Garanten für die Aufrechterhaltung der feudalen Ordnung Chinas in dieser Zeit.
Chu wurde dafür bekannt, seine Verbündeten und Vasallen (zumeist kleine bis sehr kleine Staaten in seinen Randgebieten) zu annektieren und auf diese Weise seinen direkten Herrschaftsbereich langsam auszudehnen. Dazu gehörten (alle Jahreszahlen vor Christus): E (863), Quan (704), Luo (690), Shen und Xi (zwischen 688 und 680), Deng (678), Huang (648), Dao (nach 643), Jiang (623), Liao und Lù (622), Ruo (nach 622), Yong (611), Shuliao (601), Sui (nah 506), Shuyong (574), Lai (538), Xu (512), Chen (479), Cai (447), Qi (445), Ju (431), Pi (nach 418), Zou, Yue (334) und Lu (249).
223 wurde Chu im Zuge der Reichseinigung als einer der letzten chinesischen Staaten durch Qin erobert.
In den 1200 Jahren des Bestehens von Chu wurde die Hauptstadt mehrfach verlegt. Zunächst befand sich die Hauptstadt in Danyang (丹阳)[5], anschließend in Yanying (鄢郢)[6], Jiying (纪郢), Chenying (陈郢), Shouying (寿郢), und schlussendlich in Pengcheng (彭城); verlinkt sind die heutigen Namen der jeweiligen Standorte.
Archäologisch wurde durch Auswertung von Grabgestaltung und -beigaben erwiesen, dass der Staat Chu um 600 v. Chr., also in der mittleren Zeit der Frühlings- und Herbstannalen, hinsichtlich seiner Sitten und Kultur voll unter dem Einfluss der Zhou-Könige stand, während seine Führer zugleich politische Souveränität und Gleichrangigkeit zu den Zhou beanspruchten. Ob die Chu-Herrscher und ihre Kultur allerdings einer einheimischen Führerschaft entstammten oder aber ob und unter welchen Umständen sie aus dem Zhou-Reich im Norden gekommen waren, ließ sich bislang nicht feststellen. Auch die erste Hauptstadt Danyang ist bislang nicht gefunden worden.[4]
Es existieren heutzutage mehrere Ausgrabungsstätten, in denen Artefakte des Staates Chu gefunden wurden. Bei den beiden größten handelt es sich um:
Obwohl Bronzeinschriften aus dem Staat Chu kaum schriftsprachliche Unterschiede zu der in der Zentralchinesische Ebene verwendeten Sprache (雅言, yǎyán – „Elegante Sprache“) zur Zeit der Östlichen Zhou-Dynastie aufweisen,[11] wird seit langem angenommen, dass die in Chu gesprochene Varietät des Altchinesischen lexikalische Entlehnungen und syntaktische Interferenzen aus nicht-sinitischen Substraten reflektiert. Im Zuozhuan wird jedoch berichtet, dass es so große Unterschiede in der gesprochenen Sprache der Chu und den Varietäten in der Zentralchinesische Ebene gab, dass die Kommunikation mit Chu Soldaten schwierig war.[12]
Es besteht die Hypothese, dass die Sprache der Chu die genannten Entlehnungen möglicherweise im Zuge einer Südwanderung in das vermuteten Ursprungsgebiet der Kra-Tai oder (Para-)Hmong-Mien in Südchina, erworben hat.[13][14]
Es existieren konkurrierende Hypothesen über ihre genealogische Zugehörigkeit der Sprache der Chu:[15][16]
Möglicherweise handelt es sich bei dem Nachnamen Mi (芈), den die Herrscherfamilie trug, um ein Wort, welches ursprünglich aus der Chu Sprache stammt und "Bär" bedeutet.