Elwetritschenbrunnen von Gernot Rumpf am Klemmhof in Neustadt an der Weinstraße, vorne eine weibliche Elwetritsche

Die Elwetritsch (auch Elwetrittche, Elwedritsch, Ilwedritsch; in der Mehrzahl Elwetritsche(n); in (pseudowissenschaftlichem) Latein bestia palatinensis) ist ein vogelähnliches Fabelwesen, von dem in Südwestdeutschland und vor allem in der Pfalz berichtet wird.

Die Elwetritsch ist als lokale Entsprechung zu Fabelwesen anderer Regionen anzusehen, wie dem bayerischen Wolpertinger oder dem thüringischen Rasselbock.

Aussehen, Abstammung und Nachkommen

Steinskulptur einer männlichen Elwetritsch
Aus dem Ei schlüpfende Elwetritsch

Elwetritschen werden als im weitesten Sinne hühnerähnlich beschrieben. Allerdings heißt es, sie könnten ihre Flügel kaum gebrauchen, weshalb sie sich überwiegend im Unterholz oder unter den Rebstöcken aufhalten müssten. Manchmal werden Elwetritschen auch mit einem Hirschgeweih abgebildet, ihr Schnabel wird oft als sehr lang dargestellt.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gingen Künstler vermehrt dazu über, Elwetritschen teilweise auch als weiblich zu kennzeichnen, indem sie die Wesen mit Brüsten abbildeten.

Elwetritschen sollen aus Kreuzungen von Hühnern, Enten und Gänsen mit im Wald lebenden Kobolden und Elfen stammen. Als Geflügelabkömmlinge legen sie selbstverständlich Eier, die allerdings wegen der Waldgeisterherkunft während der Brutzeit wachsen. Eier in verschiedenen Größen und Reifestadien sind am Elwetritschenbrunnen in Neustadt an der Weinstraße künstlerisch dargestellt.

Geographische Verbreitung

Skulptur einer Elwetritsch im Kurpark von Dahn (Südwestpfalz)

Der Verbreitungsraum der Erzählungen von der Elwetritsch erstreckt sich vom Pfälzerwald im Westen nach Osten über die Rheinebene hinweg bis in den südhessischen Odenwald, auch weiter nach Nordbaden und Nordwürttemberg (Bauland, Madonnenländchen). Im Main-Tauber-Kreis wird den Kindern erzählt, die „Ilwedridsche“ würden in den Kronen der Weiden an der Tauber nächtigen. Am bayerischen Untermain ist das „Elfetritschle“ oder „Ilwetritschje“ genannte Fabelwesen ebenfalls bekannt. In Großheubach wurde ihm ein Denkmal gesetzt. Dort gibt es Erklärungen zu Art und Wesen, wie man es fängt und wie man sich bei einer spontanen Begegnung mit ihm verhalten sollte. In der bayerischen Oberpfalz kommt das Fabelwesen vereinzelt unter dem Namen „Elbatrietscherl“ vor. Vermutlich wurde es im Spätmittelalter von den Söhnen der Pfälzer Kurfürsten eingeführt, als sie in Amberg das Regieren lernen sollten. Darüber hinaus sind Geschichten zum „Elvertritschla“ im oberfränkischen Fichtelgebirge bekannt.

Das Verbreitungsgebiet ist nahezu deckungsgleich mit der historischen Kurpfalz und einigen ihrer dynastischen Exklaven. Als heimliche Hauptstadt der Elwetritschen gilt die ehemalige Residenz der Pfalzgrafen bei Rhein, Neustadt an der Weinstraße. Hier steht der vom Bildhauer Gernot Rumpf geschaffene Elwetritschen-Brunnen. Andere Quellen verlegen den Ursprung nach Dahn in der Südwestpfalz, das gleichfalls über einen Elwetritschen-Brunnen verfügt. Zudem werden Erfweiler oder andere Gemeinden der Gegend als Herkunftsort vermutet.

Für die Herkunft aus der Pfalz spricht zudem, dass Pennsylvaniadeutsche die Meinung vertreten, nach Amerika ausgewanderte Pfälzer – von denen diese Volksgruppe vorwiegend abstammt – hätten einige „Elbedritschlicher“ mitgenommen, „so ass sie kenn Heemweh grigge deede“ (hochdeutsch wörtlich: so dass sie kein Heimweh kriegen täten). Geschichten von der Elwetritsch sind bei den Amischen belegt.[1] Eine (englischsprachige) Zeitung der Pennsylvaniadeutschen Gesellschaft in Kutztown trägt den Titel Es Elbedritsch.[2]

Schreibweise und Wortherkunft

Die überregional gebräuchlichste Schreibweise[3] ist Elwetritsch. In der Pfalz wird Elwetritsch und Elwedritsch etwa zu gleichen Teilen genutzt. Die Fassungen Elbe(n)-, Elfe(n)-, Elwen-, Ilbe(n)- und Ilwe(n)-(t/d)ritsch sowie Elwetrittche werden erheblich seltener und nur regional begrenzt verwendet.

Zur Wortherkunft existieren mehrere Theorien.

Brauchtumspflege

Jagd

Beleuchtete Falle zur nächtlichen Jagd auf Elwetritschen
Künstlerische Darstellung: Sack zum Fangen von Elwetritschen

In etlichen pfälzischen Gemeinden wird Touristen als launiger Zeitvertreib der Erwerb eines Elwetritschen-Jagdscheins angeboten. Einheimischen dagegen ist die Jagderlaubnis selbstverständlich „in die Wiege gelegt“ worden. Die Elwetritschenjagd wird als eine hohe Kunst ausgegeben, da die Wesen als sehr scheu gelten. Die günstigste Jagdzeit sind dunkle Neumond­nächte. Bei einer Variante der Jagd benötigt der Fänger einen Sack, eine Öllampe und einen Knüppel. Treiber versuchen, durch lautes „Tritsch, tritsch“-Rufen und durch Stockschläge gegen Bäume oder Weinbergspfähle die Elwetritschen aufzuscheuchen, damit sie in den Sack des Fängers flüchten. Bei einer anderen Variante der Jagd nimmt man einen Sack, der an beiden Enden eine Öffnung hat. Der Sack wird mit Hilfe eines Astes zu einer Art Schlauch aufgestellt. An die hintere Öffnung des Sackes wird die Lampe gestellt. Nun ist zu warten, bis eine Elwetritsche, durch das Licht angezogen, den Sack durch die vordere Öffnung betritt; dann wird der Sack geschlossen. Allerdings entkommt die Elwetritsche dabei meist durch die zweite Öffnung.

Um sich vor Angriffen der Elwetritschen zu schützen, trinken die Jäger vor und während der Jagd reichlich Alkohol, dessen Geruch angeblich die Elwetritschen auf Distanz hält. Der häufig ahnungslose Fänger und Jagdscheinaspirant wird gelegentlich heimlich im Freien zurückgelassen, bis er endlich durchgefroren – und ohne Jagdbeute – heimfindet. Dann gibt es den obligatorischen Festschmaus und dazu passende Getränke zum Aufwärmen, zum Beispiel Wein oder Obstbrände. In einem Weingut im pfälzischen Bissersheim wurde sogar ein spezieller „Elwedritsche-Drobbe“ (-Tropfen) hergestellt.

Sonstiges Brauchtum

Forschung

Im Verbreitungsgebiet der Fabelwesen wird die Elwetritsch nicht nur im Rahmen der Erzählforschung oder Volkskunde, sondern auch als wissenschaftlicher Witz zoologisch und damit vorgeblich naturwissenschaftlich untersucht. So ist ein pfälzisches „Forscherteam“ unter Leitung des schon erwähnten Stephan Dreyer bestrebt, in Zusammenarbeit mit noch nicht ganz namhaften „Tritschologen“ die Existenz von Elwetritschen auch in anderen Wirbeltiergruppen zu belegen. In den bisher publizierten Forschungsergebnissen der Gruppe wird die Ernährungsweise (ursprünglich angeblich nur von Trauben der Rebstöcke) als vielmehr sehr mannigfaltig dargestellt.[5]

Zur Weiterpflege und Modernisierung der Systematik werden gar Fisch-, Lurch-, Kriechtier- und Säugetiertritschen diskutiert. Gehandelt hat bereits die pfälzische Gemeinde Otterstadt bei Speyer. Sie ließ 2004 durch Gernot Rumpf den Otterdritschenbrunnen errichten, der eine Verbindung zwischen Elwetritschen und Fischottern herstellt. Die Dokufiktion „Das Elwedritsch Projekt“ – eine beabsichtigte Analogie zum Blair Witch Project – der Ludwigshafener Medienwerkstatt CUT e. V. (2001) geht gar von der Existenz von Raubdritschen aus und gewährt darüber hinaus noch andere spannende Einblicke in das sagenumwobene Leben dieser Kreaturen. Auch die Methode der historischen Jagd mit Sack und Laterne wird im Film durch den Pfälzer Mundartdichter und Elwedritsche-Experten Paul Tremmel ausführlich erläutert. Die Jagd ist in ihrer Umsetzung durch Laien mit unvorhersehbaren Risiken verbunden. Wobei sich letztlich die Geister scheiden, ob die Elwedritschen dem Menschen freundlich gesinnt sind oder nicht oder ob sie geschlachtet und gegessen werden dürfen oder unter Artenschutz zu stellen sind.

Historisch und fabel-„naturwissenschaftlich“ erwiesen scheinen die verwandtschaftlichen Beziehungen zum bayerischen Wolpertinger (Hirschgeweih, Säugetierbezug) zu sein. Auch deswegen ist die überwiegende Definition und biologische Klassifizierung der Tritschen – ob Elwe-, Ilwe- oder sonstige – als Vögel oder vogelartige Fabelwesen in Frage zu stellen. Womöglich gibt es sekundäre Kreuzungen dieser beiden Fabelwesengruppen, die wohl aus der Zeit stammen müssen, als die Pfalz noch bayerisch war. Allerdings „müsste“ es in diesem Fall auch im räumlich dazwischengelegenen badisch-schwäbischen Korridor zu Bayerisch-Schwaben hin ähnliche Wesen geben, oder entlang der recht kurzen Verbindung zwischen Odenwald und Franken sollten Elwetinger oder Wolperdritschen vorkommen. Über entsprechende Forschungen ist bisher jedoch nichts bekannt.

Sonstiges

Ein Hochleistungsrechner an der Technischen Universität Kaiserslautern ist nach dem Fabelwesen benannt.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Projekt Linguistic Atlas of Kansas German Dialects. University of Kansas, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. Juni 2012; abgerufen am 18. November 2010 (Interviews in einer Amisch-Gemeinde in Kansas).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www2.ku.edu
  2. Es Elbedritsch – Newsletter of the Pennsylvania German Society. books.google.de, abgerufen am 22. September 2018.
  3. Suchmaschinenabfragen (22. September 2018).
  4. Elfen (richtiger Elben, altnordisch Alfar, angelsächs. Älf, engl. u. schwed. Elf, alt- und mittelhochd. Alb, Plur. Elbe). In: Meyers Konversations-Lexikon. Band 5. Verlag des Biographischen Instituts, Leipzig 1886, S. 549 (archive.org).
  5. a b Stephan Dreyer: Beiträge zur Elwedritschologie.
  6. Hiwwe wie Driwwe.
  7. Elwedritsche-Museum Speyer. Stadt Speyer, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. März 2013; abgerufen am 11. September 2012.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.speyer.de
  8. a b Walter Rupp: Pfälzer Elwedritschen. Abgerufen am 11. September 2012.
  9. Black Elwis. Brauerei Bischoff, archiviert vom Original am 10. Februar 2013; abgerufen am 11. September 2012.
  10. Ilwedritsche Bad Peterstal e. V. Abgerufen am 21. Februar 2014.
  11. Hilwedritsche. Fasnachtsgesellschaft Feurio Vimbi, abgerufen am 8. Januar 2011.