Erna Mohr (* 11. Juli 1894 in Hamburg; † 10. September 1968 ebenda) war eine deutsche Zoologin. Sie war Kustodin der Wirbeltierabteilung des Zoologischen Museum Hamburg und Zuchtbuchführerin des internationalen Zuchtbuchs für Wisente.

Leben

Erna Mohr wurde als Tochter eines Lehrers in Hamburg geboren. Von 1909 bis 1914 machte sie eine Ausbildung am Lehrerinnenseminar und war von 1914 bis 1934 als Lehrerin tätig: 1914 bis 1919 an der Volksschule für Mädchen am Rhiemsweg (Hamburg-Horn), 1919 bis 1930 in den gemischten Klassen der Hilfsschule Bramfelder Straße (Hamburg-Barmbek-Nord), und 1930 bis 1934 in der Volksschule am Alten Teichweg (Hamburg-Dulsberg). 1934 wurde sie vom Schuldienst beurlaubt, als sie Abteilungsleiterin am Zoologischen Museum Hamburg wurde.

Noch während ihrer Ausbildung begann sie, am Zoologischen Museum zu arbeiten. Anfangs als Zeichnerin und als Mitarbeiterin in der Fischereibiologischen Abteilung tätig, wechselte sie schließlich in die Abteilung für niedere Wirbeltiere. 1934 wurde sie in der Nachfolge von Georg Duncker Abteilungsleiterin dieser Abteilung und übernahm 1936 zusätzlich die Abteilung für höhere Wirbeltiere.

1946 wurde sie beim Wiederaufbau des Zoologischen Museums (nun: Zoologisches Staatsinstitut und Zoologisches Museum) in der Wirbeltierabteilung als Kustos übernommen. Diese Position hatte sie bis zu ihrer Pensionierung inne. Sie beherrschte mehrere Sprachen und publizierte ihre Arbeiten in ausländischen Fachorganen in deren Landessprachen. Bis in ihre allerletzten Lebenstage korrespondierte sie handschriftlich mit aller Welt, trotz einer mit großer Selbstbeherrschung ertragenen schweren Krankheit.[1]

Wissenschaftliche Arbeit

Zentraler Bestandteil von Erna Mohrs Arbeit am Zoologischen Museum war die Anlage, Ordnung und Erweiterung zoologischer Sammlungen. Ein Großteil ihrer frühen Arbeit ging im Zweiten Weltkrieg bei der Bombardierung Hamburgs verloren; nach dem Krieg begann sie jedoch sofort den Neuaufbau der Sammlungen. 1931 stellte Erna Mohr die Vermutung auf, dass die Waldbirkenmaus (Sicista betulina (Pallas, 1779)), die einzige Hüpfmaus Nordeuropas, auch in Deutschland vorkomme, zwei Jahre später wurde diese Vermutung von einem anderen Zoologen bei der Untersuchung von Waldkauzgewöllen bestätigt. Sie stellte den russischen Hagenbeck-Hirsch (Cervus (Cervus) elaphus hagenbecki) anhand Aussehen wie Stimme systematisch in die Mitte zwischen den Europäischen Rothirsch (C. (C.) e. elaphus Linnaeus, 1758 und die nordamerikanischen Wapitis (C. (C.) e. subsp., und sie war Erstbeschreiberin etlicher Tierarten, z. B. des Schulterklappen-Doktorfisches (Acanthurus nigricauda Duncker & Mohr, 1929) aus der Gattung der Doktorfische sowie etlicher Arten der Gattung Zenarchopterus aus der Familie der Halbschnäbler.[2]

Erna Mohr arbeitete auch mit lebenden Tieren sowie im freien Feld. 1936 erhielt sie als Erste in Deutschland eine lebendige Waldbirkenmaus, die der Bauer Hans Möller aus Schwensby im Tolker Moor in Schleswig gefangen hatte. Sie stellte fest, dass das Knacken, das Rener beim Laufen hören lassen, durch eine Bewegung der Sehnen in den Fußgelenken verursacht wird und nicht, wie bis dahin angenommen, durch ein Aneinanderschlagen der Hufe. Mohr war die erste, die erfolgreich verwaiste Fledermausbabys mit einem Saugfläschchen aufzog. Außerdem untersuchte sie die zoologische Artenvielfalt der Kalkberghöhle.[3]

Am bekanntesten dürfte jedoch Erna Mohrs Mitarbeit bei der Erhaltung des Wisents sein. Ab 1927 arbeitete sie bei der 1923 in Berlin gegründeten „Internationalen Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents“ mit und war einige Jahrzehnte die Zuchtbuchführerin. Auch hier zerstörten die Verheerungen des Zweiten Weltkriegs einen Teil ihrer Arbeit; Erna Mohr fing, zusammen mit dem Warschauer Zoologen Jan Żabiński, nach dem Krieg sofort an, das Zuchtbuch wiederherzustellen. Heinz-Georg Klös, Direktor des Zoologischen Garten Berlin, urteilte: „Sie [Erna Mohr] hat sich um den Wiederaufbau der Wisentzucht besonders hohe Verdienste erworben.“[4]

Ehrungen

Plastik einer Baumratte am Grab von Erna Mohr auf dem Ohlsdorfer Friedhof

1984, zu ihrem 90. Geburtstag, wurde in Hamburg eine Straße nach ihr benannt, die Erna-Mohr-Kehre in Hamburg-Neuallermöhe.[5]

Blick in die Erna-Mohrstraße in Hannover-Wettbergen

Im Jahr 2000 benannte die Stadt Hannover im Stadtteil Wettbergen eine Straße nach ihr.[6]

Zu ihrer bleibenden Erinnerung wurde ihr Grabstein im Garten der Frauen des Friedhofs Ohlsdorf in Hamburg aufgestellt. Beigegeben ist die Skulptur einer Baumratte.

Veröffentlichungen (Auswahl)

Erstbeschreibungen (Auswahl)

Literatur

Darstellungen

Nachrufe

Einzelnachweise

  1. H. Petzsch: Frau Dr. h. c. Erna Mohr zum Gedenken. In: Das Pelzgewerbe,H. Hermelin-Verlag Dr. Paul Schöps, Berlin u. a., Band 19 (1969), Heft 4, S. 3–5
  2. Waldbirkenmaus, Anoa, Hagenbeck-Hirsch - Grzimek 1967.
    Erstbeschreibungen -The Taxonomicon: Taxon by Authorship: Mohr. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 25. Januar 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/sn2000.taxonomy.nl. [Stand: 2. September 2006 / Zugriff am: 29. September 2007]
  3. Ren-Sehnen - Grzimek 1967.
    Fledermausbabys - Bake 2005.
    Kalkberghöhle - Wikipedia (deutsch): Kalkberghöhle. [Stand: 27. März 2007 / Zugriff am: 29. April 2007]
  4. Grzimek 1967 und Bake 2005.
    Zitat Heinz-Georg Klös: Grzimek 1967, Band 13: Säugetiere IV, Seite 396
  5. a b Rita Bake: Erna-Mohr-Kehre. In Rita Bake: Wer steckt dahinter? Nach Frauen benannte Straßen, Plätze und Brücken in Hamburg, Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg 2005, 4. akt. u. erw. Aufl., ISBN 3-929728-29-X (online)
  6. Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.): Bedeutende Frauen in Hannover. Eine Hilfe für künftige Benennungen nach weiblichen Persönlichkeiten. Hannover, 2013. S. 63.