Feministische Kunst (englisch feminist art) bezeichnet eine zeitgenössische Kunstbewegung. Der Begriff entstand Ende der 1960er Jahre in den USA und war mit der zweiten Frauenbewegung verknüpft. In der feministischen Kunst befassen sich Künstlerinnen mit weiblicher Identität sowie kollektiven Erfahrungen von Frauen und setzen sich mit konventionellen Geschlechterkonstruktionen und Kunstnormen auseinander.
Bereits im 19. und frühen 20. Jahrhundert artikulierten Künstlerinnen feministische Themen und Forderungen in ihren Werken, darunter Hannah Höch, Claude Cahun und Alice Lex-Nerlinger. Der Begriff „feminist art“ tauchte jedoch erst in den späten 1960er Jahren in den USA auf. Bereits Anfang der 1970er Jahre gab es am San Francisco Art Institute ein „Feminist Art Program“, das von den Künstlerinnen Judy Chicago und Miriam Schapiro entwickelt worden war. Im deutschsprachigen Raum hat den Begriff „feministische Kunst“ Ulrike Rosenbach zunächst nur für ihre eigene Arbeit geprägt. Neben ihr war Valie Export die einzige, die sich in den 1960er und '70er Jahren selbst als „feministische Künstlerin“ bezeichnete. Der Begriff verbreitete sich im deutschsprachigen Raum durch ein 1976 erschienenes Essay von Silvia Bovenschen über die Frage, ob es eine „‚weibliche’ Ästhetik“ gibt.[1][2]
Feministische Kunst ist nicht gleichzusetzen mit „Frauenkunst“ oder „weiblicher Kunst“, nicht jede Kunst von Frauen ist feministisch. Die Kunsthistorikerin Margarethe Jochimsen, Kuratorin der Ausstellung Frauen machen Kunst 1976/77 in Bonn, schrieb im Ausstellungskatalog, feministisch sei Kunst, „wenn Künstlerinnen in ihr Gedanken zur Anschauung bringen, die sich im weitesten Sinne aus der diskriminierenden gesellschaftlichen Situation der Frau, aus dem gesellschaftlichen Diktat so genannter weiblicher Funktionen, Eigenschaften und Verhaltensweisen usw. ableiten lassen, gegen die sich Künstlerinnen in irgendeiner Form wenden“.[3] Nach Jochimsen ist feministische Kunst ihrem Charakter nach vorübergehend. Es gebe sie nur so lange, wie die gesellschaftliche Gleichstellung der Geschlechter nicht verwirklicht ist.
Die zweite Frauenbewegung entwickelte sich zeitgleich mit einem Aufbruch in der Kunst. Neue Kunstformen wie Performance und Body-Art öffneten den Werkbegriff hin zu einem situations- und handlungsbetonten Prozess, lösten die strikten Grenzen zwischen Kunst und Alltag auf und thematisierten das Verhältnis von Künstler und Leben. Aus dem Zusammenspiel mit dem Feminismus entstand eine neue Kunstbewegung. Sie umfasste Künstlerinnen in Europa und in den USA, die begannen gegen die Vormachtstellung von Männern in der Kunstwelt kämpfen. Sie gründeten Aktionsgemeinschaften, demonstrierten vor Museen gegen den Ausschluss von Künstlerinnen, organisierten Symposien und kuratierten ihre Ausstellungen selbst, gründeten Verlage und Zeitschriften und verfassten Manifeste. Valie Export rief 1972 in ihrem Manifest Women's Art auf: „die kunst, die der mann uns aufdrängt, verändern, heißt, die facetten der frau, die der mann gebaut hat, zerstören“.[4]
In ihren Arbeiten konzentrierten sich feministische Künstlerinnen auf Themen wie stereotype Weiblichkeitsbilder, Körperlichkeit, Sexualität, sexuelle Gewalt und stellten Machtverhältnisse und Hierarchien in Frage. Ein Thema war die Passivität, die seit Jahrhunderten mit der Rolle der Hausfrau und Mutter verbunden war. Sie trugen jedoch auch grundlegend zur Weiterentwicklung von Kunstformen bei. Sie nutzten als Ausdrucksmittel Medien wie Photographie, Film und Video, die ihnen weniger von der männlich bestimmten Kunstgeschichte vorgeprägt zu sein schienen als Malerei und Bildhauerei. Sie schufen Rauminstallationen, mit denen sie Frauen zugedachte private Räume besetzten und neu definierten, sowie Performances und Aktionen, für die sie ihren eigenen Körper zum Material ihrer Kunst machten.[5]
Die Performance- und Aktionskunst war in den 1960er Jahren wesentlich von Frauen getragen. Diese Künstlerinnen zeigten früher als es in den Gender Studies diskutiert wurde, dass soziales Geschlecht (gender) mit dem Körper verbunden ist, und dass es der Körper ist, der mit heteronormativen Vorstellungen und Fantasien aufgeladen wird.[6] Wegweisend war die Performance Cut Piece von Yoko Ono von 1964, deren Themen Marina Abramovic mit ähnlichen Strukturen in ihrer Performance Rhythm 0 1974 wiederaufnahm,[7] und das Tapp- und Tastkino von Valie Export von 1968. Sie luden dazu ein mit unerschüttlich passiven weiblichen Körpern zu interagieren und konfrontierten mit der Objektifizierung von Frauen.[8]
Die 1970er Jahre waren die Hochphase feministischer Kunst in den USA, vor allem in New York und Los Angeles, in Großbritannien und in Deutschland. Jeremy Strick, Direktor des Museum of Contemporary Art, Los Angeles (MOCA) nannte 2007 in der Rückschau die feministische Kunst dieser Jahre „die einflussreichste internationale Kunstbewegung der Nachkriegszeit“.[9] Zu ihrer Zeit fand sie jedoch oft keine Präsenz in etablierten Kunstinstitutionen. Judith Bernstein begann 1969 Serien wandgroßer Kohlezeichnungen von behaarten Rundkopfschrauben. Mit der offensichtlichen Gleichsetzung von Schrauben und Phallus verspottete sie männliche Vorherrschaft. Die Zeichnungen drückten die Wut aus, die viele Frauen empfanden.[10] Als eines der Werke aus der Serie mit dem Titel Horizontal[11] für die Kunstausstellung Women's Work – American Art 1974 am Philadelphia Civic Center nominiert wurde, bestand dessen Direktor John Pierron darauf, dass das Kunstwerk ausgeschlossen wird. Es wurde als „moralisch verwerflich“ zensuriert.[12] Daraufhin gab es eine Petition zahlreicher Künstler, die jedoch Pierron ungerührt ließ. Erst anlässlich einer Solo-Ausstellung 2012 im New Museum of Contemporary Art wurden die Phallic Screws als „Meisterwerke feministischen Protestes“ gewürdigt.[13]
Nicht alle Künstlerinnen, die sich in ihrer Kunst mit Geschlechterrollen, Weiblichkeitsbildern und geschlechtsspezifischen Machtverhältnissen auseinandersetzten, sahen sich als feministische Künstlerinnen, wie Marina Abramović oder Niki de Saint Phalle.[14] Gleichwohl werden Performances von Abramović aus den 1970er Jahren, mit denen sie die traditionelle Rolle von Frauen in der Kunst kritisierte und parodierte,[15] und die voluminösen Nanas von Niki de Saint Phalle[16] mit feministischer Kunst assoziiert.
Laut Gabriele Klein ist die aktuelle Situation durch eine „Musealisierung und Historisierung der Feministischen Avantgarde“ in der Kunst geprägt. Es sei ambivalent, wenn ihre einstige gesellschaftliche Sprengkraft im Kanon der Künste zur Konvention werde, aber zugleich würden auch vergessene Künstlerinnen wiederentdeckt. Andrerseits sei die radikale Ästhetik der feministischen Avantgarde in die Kulturindustrie überführt und von Künstlerinnen wie Madonna, Lady Gaga oder Beyoncé als Pop in Video-Clips und Bühnenperformances aufbereitet und vermarktet oder in Protestaktionen wie von Pussy Riot oder Femen übersetzt worden.[17]
Feministische Künstlerinnen der jungen Generation, darunter Petra Collins oder Arvida Byström, nutzen Social-Media-Kanäle, um Bilder von Sexualität und ästhetischen Normen zu inszenieren, mit denen sie das Ziel eines anderen Umgangs damit verfolgen.[18] Die Kunstprojekte im öffentlichen Raum der Serie „Solange“ von Katharina Cibulka basieren wie die Lichtinstallationen von Jenny Holzer auf Text. Mit 56 Quadratmeter großen Kreuzstich-Stickereien in Pink auf Staubschutznetzen weist Cibulka auf feministische Themen hin und verhüllt damit Gebäude, die seit Jahrhunderten Männerdomänen sind. Das Baugerüst vor der Fassade der Wiener Kunstakademie verhängte sie mit dem Slogan „As long as the art market is a boys' club, I will be a feminist“, das Baugerüst des Innsbrucker Doms mit „Solange Gott einen Bart hat, bin ich Feminist“.[19] Der Generalvikar hatte darum gebeten, „Feminist“ und nicht „Feministin“ zu formulieren, damit klar würde, dass er persönlich dahinterstehe.[20]
Repräsentanz von Frauen in der Kunstwelt war von Anfang an eins der zentralen Thema feministischer Künstlerinnen. In einem Artikel der Kunsthistorikerin Linda Nochlin mit dem Titel Why have there been no great Women Artists? im Jahr 1971, der den Grundstein für die feministische Kunstwissenschaft legte,[21] diskutierte sie die sozialen und kulturellen Einschränkungen von Künstlerinnen und ihren Ausschluss aus den Kunstinstitutionen. Ausstellungen, die feministische Künstlerinnen und Kunstwissenschaftlerinnen in den 1970er und '80er Jahren kuratierten, sowie Publikationen zielten darauf ab, den Beweis zu erbringen, dass Frauen trotz Ausgrenzung als Künstlerinnen gearbeitet hatten.[22]
Mit der rhetorischen Frage „Do women have to be naked to get into the Met. Museum?“ auf einem Plakat vor dem Museum of Modern Art protestierte die feministische Künstlerinnengruppe Guerrilla Girls 1989 gegen die sexistische Diskriminierung von Frauen in der Kunstwelt. Zu der Zeit machten Künstlerinnen in der Sektion Moderne Kunst des Met Museums lediglich fünf Prozent aus und 85 Prozente der Akte waren weiblich. Die Aktion machte darauf aufmerksam, dass die Frau zwar eine der liebsten Inspirationsquellen sowie häufiges Sujet der abendländischen Malerei ist, jedoch nur selten auch als Schöpferin von Kunst präsent. Wie die feministischen Installationskünstlerinnen Barbara Kruger und Jenny Holzer nutzten die Guerilla Girls die visuelle Sprache der Werbung, insbesondere des Flypostings (wildes Plakatieren), um ihre Botschaften schnell und verständlich zu vermitteln.[23]
In einem Artikel von 2004 schrieb Nochlin, dass Frauen in der Kunst mittlerweile nicht mehr die Ausnahme seien, sondern ein selbstverständlicher Teil des Kunstbetriebs.[24] Nach Gabriele Klein zeigen jedoch verschiedene Studien aus europäischen und nordamerikanischen Ländern, dass Frauen im Kunstbetrieb keineswegs gleichgestellt sind und noch immer das Bild des „männlichen Kunstgenies“ dominiert, was sich in Berufspositionen, Einkommen und Ansehen ausdrückt.[25] Als das Museum of Modern Art 2012 Cindy Sherman eine Retrospektive widmete, bemängelte die Kunstkritikerin Roberta Smith in der New York Times, das Museum habe eine große Chance vertan, weil es eine der wichtigsten Künstlerinnen unserer Zeit nicht auf gleich großer Fläche gewürdigt habe wie zuvor Willem de Kooning, Martin Kippenberger oder Richard Serra.[26]
Zu den Kunstinstitutionen, die speziell feministische Kunst ausstellen oder sammeln, zählen einige der Frauenmuseen. Das 2007 eröffnete Elizabeth A. Sackler Center for Feminist Art im Brooklyn Museum in New York widmete zahlreiche Ausstellungen der feministischen Kunst von den 1990er Jahren bis in die Gegenwart und deren Einfluss auf internationale Kunstbewegungen. Die Sammlung Verbund in Wien legt einen Schwerpunkt auf die internationale Feministische Avantgarde der 1970er Jahre.
Die Liste enthält Ausstellungen, die der feministischen Kunst gewidmet waren oder kuratiert wurden, um Kunst von Frauen Repräsentanz zu verschaffen.
Die folgende Liste von Künstlerinnen ist unvollständig und enthält die Namen von Frauen, die sich selbst als feministische Künstlerinnen verstehen oder von denen Werke oder Schaffensphasen zur feministischen Kunst gezählt werden:[50][51]