Franz Josef Degenhardt (1987)

Franz Josef Degenhardt (* 3. Dezember 1931 in Schwelm; † 14. November 2011 in Quickborn)[1] war ein deutscher Liedermacher, Schriftsteller und Rechtsanwalt. Degenhardt stand der 68er-Bewegung nahe und nahm zu zahlreichen politischen Themen seiner Zeit Stellung. Bekannt wurden insbesondere sein Lied Spiel nicht mit den Schmuddelkindern aus dem gleichnamigen Album (1965) und sein Debüt-Roman Zündschnüre (1973).

Leben

Franz Josef Degenhardt, geboren am südöstlichen Rand des Ruhrgebiets, wuchs in einer katholischen Familie auf. Als Gymnasiast wurde er nach 1945 durch den Reformpädagogen Fritz Helling unterrichtet, der bis 1952 als Direktor des Jungengymnasiums lehrte. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Köln und Freiburg 1952–1956 und Ablegen des ersten juristischen Staatsexamens 1956 sowie des zweiten juristischen Staatsexamens 1960 arbeitete er ab 1961 für das Institut für Europäisches Recht der Universität des Saarlandes. Er promovierte 1966 mit einer Studie über Die Auslegung und Berichtigung von Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. 1968 verteidigte Degenhardt als Rechtsanwalt in mehreren Prozessen Sozialdemokraten oder Kommunisten, die wegen Aktionen der APO angeklagt waren. 1972/73 verteidigte er Mitglieder der Baader-Meinhof-Gruppe.[2]

1961 trat Degenhardt der SPD bei, wurde jedoch 1971 ausgeschlossen, weil er in Schleswig-Holstein zur Wahl der DKP aufgerufen hatte. 1978 trat er in die DKP ein. Als Liedermacher war er eine Stimme der 68er-Bewegung, engagierte sich für die Ostermarschbewegung, die Proteste gegen den Vietnamkrieg, die Notstandsgesetze und den Radikalenerlass.[3]

Seine ersten Auftritte hatte er auf den Burg-Waldeck-Festivals. 1963 erschien sein erstes Album Zwischen null Uhr null und Mitternacht – Baenkel-Songs, 1965 Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, dessen Titellied ihn berühmt machte.

1967 produzierte er im Quartett mit Hanns Dieter Hüsch, Wolfgang Neuss und Dieter Süverkrüp das gemeinsame Liederbuch Da habt ihr es! Das Album Franz Josef Degenhardt Live von 1968 nahm drei aktuelle politische Themen auf: Für Mikis Theodorakis verurteilt die griechische Militärdiktatur, Zu Prag bezieht sich auf den Prager Frühling, Der Gott der Pille nimmt Stellung für die Empfängnisverhütung. Auf dem Album Wildledermantelmann (1977) kritisierte er die sozial-liberale Einstellung vieler seiner ehemaligen Kampfgenossen. Er schrieb auch eine deutsche Fassung des Songs Here’s to You über Sacco und Vanzetti.

Degenhardt trat bei den UZ-Pressefesten der DKP sowie bei zahlreichen Konzerten der westdeutschen Friedensbewegung auf. In mehreren Liedern setzte er sich mit dem Zweiten Weltkrieg, dem Vietnamkrieg und der Gefahr eines Atomkriegs auseinander. Die Liedermacher Konstantin Wecker und Prinz Chaos II. schrieben in ihrem Nachruf auf Degenhardt: „Degenhardts Lieder in den öffentlichen Rundfunkanstalten zu spielen, war ab Ende der 70er verboten.“[4]

Er verfasste mehrere Romane mit zum Teil autobiografischen Zügen, in denen meist Rechtsanwälte oder Liedermacher die Protagonisten sind, unter anderem Brandstellen, Für ewig und drei Tage und Der Liedermacher. Sein Roman-Erstling Zündschnüre (1973) erzählt den Alltag und die Abenteuer einiger Arbeiterkinder am Ende des Zweiten Weltkriegs in der Stadt Schwelm. Er war ein großer Erfolg und wurde 1974 von Reinhard Hauff fürs Fernsehen verfilmt.[3] Sein zweiter Roman Brandstellen erzählt vom Widerstand einer Bürgerinitiative gegen einen Truppenübungsplatz der NATO. Als literarischer Anstoß diente der vergebliche Kampf der Gemeinde Klausheide gegen den NATO-Bombenabwurfplatz Nordhorn Range in den Jahren 1971 bis 1973. Der Roman wurde 1977 von der DEFA (DDR) verfilmt (Drehbuch Gerhard Bengsch, Regie Horst E. Brandt).[3] Im Kulturmaschinen-Verlag erscheint seit 2011 eine auf zehn Bände angelegte Werkausgabe seiner belletristischen Arbeiten.

Während die allgemeine Rezeption Degenhardts als politischer Autor die künstlerische Würdigung oft an den Rand rückt, ergänzen J. Gundelach und A. Schalk in ihrem Beitrag hier die Perspektive. Sie weisen auf die Verwurzelung Degenhardts in der Tradition der Romantik hin, speziell in der schwarzen Romantik, besonders in der Leidenschaft für die schaurige Moritat (z. B. im Lied Der Talisman vom Album Wenn der Senator erzählt). Die makabere Situation im Nachkriegsdeutschland zwischen Restauration und Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bot diesbezüglich viele Ansatzpunkte, die, wie die Autoren an den frühen Liedern zeigen, von Degenhardt auf originelle Weise aufgegriffen wurden. Sie gebrauchen das Bild einer dünnen und zweifelhaft tragfähigen Grasschicht über Massengräbern, um den Umgang Degenhardts mit dieser Herausforderung zu beschreiben. Auch wenn später die konkrete Agitation mehr und mehr bestimmend wurde, blieb dieser Aspekt untergründig in Degenhardts Werk lebendig und gewann im späteren Werk wieder mehr Platz im Vordergrund (z. B. Olle Klaas vom Album Aus dem Tiefland von 1994). Auch in den Romanen Degenhardts finden die Autoren ein hintergründiges, der Romantik angehöriges Befreiungs- und Versöhnungsmodell, welches bei Degenhardt letztlich die von ihm selbst verkündete Skepsis gegenüber Zwischentönen in der politischen Auseinandersetzung übersteht sowie sein Werk bereichert und weit über reine Agitprop-Literatur erhebt. Dies zeige sich bereits in Degenhardts ersten Romanen Zündschnüre und Brandstellen, in denen Degenhardt den dargestellten Personen z. T. facettenreich über ihre Rollen in einem politischen Lehrstück hinaus Gestalt gibt.

Degenhardt war seit 1983 bis zum Ende der DDR korrespondierendes Mitglied der Akademie der Künste der DDR. Er trat seit den 1970er Jahren mehrmals beim Festival des politischen Liedes auf. Seine beiden Söhne Jan Degenhardt und Kai Degenhardt veröffentlichten als Liedermacher ebenfalls Soloalben. Degenhardt war ein Cousin des 2002 verstorbenen Paderborner Kardinals Johannes Joachim Degenhardt und Schwager der Illustratorin Gertrude Degenhardt, die für ihn mehrere Plattencover illustrierte. Franz Josef Degenhardt lebte in Quickborn im Kreis Pinneberg. Dort starb er im November 2011 im Kreise seiner Familie.

Werke

Diskografie

Sampler, Singles, EPs, Sonstiges

Romane

Mitherausgeber

Werkausgabe

Liederbücher

Filmografie

Drehbuchvorlage

OFF-Sprecher

Komponist

Weitere Auftritte

Auszeichnungen

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Mitteilung zum Tod von Franz Josef Degenhardt (Memento vom 14. Oktober 2012 im Internet Archive) bei seinem Verlag Kulturmaschinen.
  2. Presseerklärung von zwölf Rechtsanwälten, darunter Degenhardt, vom 22. Januar 1973 zum Hungerstreik von 17 Häftlingen, dort „politische Gefangene“ genannt. In: Kritische Justiz, 6 (1973), S. 63. Nach Georg Fülberth: Geschichte der Bundesrepublik in Quellen und Dokumenten. Köln 1983, S. 364.
  3. a b c Illustrierte Geschichte der deutschen Literatur in sechs Bänden, v. Anselm Salzer u. Eduard von Tunk, neu bearb. v. Claus Heinrich u. Jutta Münster-Holzlar, Bd. VI, Köln o. J., S. 292.
  4. Nachruf auf FJD von Konstantin Wecker und Prinz Chaos II. der Freitag vom 15. November 2011

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