Friedrich Gundolf, Fotografie von Philipp Kester, Aufnahme vor 1931

Friedrich Gundolf, eigentlich Friedrich Leopold Gundelfinger (* 20. Juni 1880 in Darmstadt; † 12. Juli 1931 in Heidelberg), war ein deutscher Dichter und Literaturwissenschaftler. Spätestens sein Goethe (1916) machte ihn über Fachgrenzen hinweg bekannt; er war der wohl meistgelesene Germanist der Weimarer Republik.

Leben und Werk

Titelblatt von Gundolfs Goethe-Biografie in der Ausgabe von 1920

Friedrich Gundolf war ein Sohn des jüdischen Mathematikers Sigmund Gundelfinger (Professor an der Technischen Hochschule Darmstadt) und dessen Ehefrau Amalie Gunz (1857–1922). Der Autor und bildende Künstler Ernst Gundolf war sein jüngerer Bruder.

Friedrich Gundolf studierte als Schüler von Erich Schmidt und Gustav Roethe Germanistik und Kunstgeschichte an den Universitäten München, Berlin und Heidelberg. Er wurde 1903 in Berlin promoviert und habilitierte sich 1911 mit einer Schrift zum Thema Shakespeare und der deutsche Geist. Ab 1916 wirkte er als – zunächst außerordentlicher – Germanistikprofessor an der Universität Heidelberg, wo er 1920 eine ordentliche Professur bekam.

Seit 1899 gehörte Gundolf dem Kreis um Stefan George an, nachdem er sich dort durch ins Deutsche übersetzte Sonette Shakespeares eingeführt hatte. In der Folge wurde er Georges engster Freund und Liebhaber.[1] Weitere literarische Arbeiten veröffentlichte er in den von Stefan George herausgegebenen Blättern für die Kunst. 1910 bis 1912 gab er zusammen mit Friedrich Wolters das Jahrbuch für die geistige Bewegung heraus, das die kulturpolitischen Gedanken und die Weltanschauung des George-Kreises propagierte.

Da Gundolfs Gesundheit ab 1916 durch den Kriegsdienst als Landsturmmann mit schwerem Dienst als Schipper hinter der französischen Front gefährdet war, gelang es seinem Freund Reinhold Lepsius, Walter Rathenau dafür zu gewinnen, ihn in das Kriegspresseamt nach Berlin zu berufen.[2]

Am 30. November 1917 wurde in München Gundolfs Tochter Cordelia außerehelich geboren. Seine Heirat mit ihrer Mutter, der in Berlin lebenden jüdischen Pianistin Agathe Mallachow (1884–1983), hatte Stefan George verhindert.[3][4] Die folgende Liebesbeziehung Friedrich Gundolfs zu der promovierten Nationalökonomin Elisabeth Salomon (genannt „Elli“, 1893–1958) führte ab den späten 1910er Jahren zu einer Krise in seiner Beziehung zu George. 1923 kam es schließlich zu einer Trennung, die beide als sehr schmerzlich empfanden und die besonders bei Gundolf tiefe Wunden hinterließ. Am 4. November 1926 heiratete er Elisabeth Salomon; kurz zuvor adoptierte er seine Tochter Cordelia.[3]

In seinen vielen literaturwissenschaftlichen Arbeiten vertrat Gundolf eine neue, geistesgeschichtlich orientierte Literaturbeobachtung, in der die lebensphilosophisch geprägte Erfassung des Dichters im Mittelpunkt steht. Die großen Künstler wie Shakespeare, Goethe – den er besonders verehrte – oder Heinrich von Kleist sah er als Symbolgestalten ihrer Epoche. Das Ziel seiner wissenschaftlichen Forschung war die Darstellung des Künstlers und die Wirkung seines Werkes. Er übersetzte und interpretierte Werke von Shakespeare.

Während der Weimarer Republik zählte Gundolf zu den prominentesten Gelehrten in Deutschland; seine Bücher wurden ungewöhnlich häufig aufgelegt. 1930 erhielt er als Erster den Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg.

Zu seinen Hörern zählten Hannah Arendt, Benno von Wiese, Golo Mann, Claus Schenk Graf von Stauffenberg und 1920 Joseph Goebbels, der bei ihm auch promovieren wollte. Goebbels trat zu dieser Zeit noch nicht als Antisemit in Erscheinung; Goebbels’ Promotionsvorhaben scheiterte aus anderen Gründen. Gundolf verwies Goebbels an seinen Kollegen Max von Waldberg.

Friedrich Gundolfs Grabstätte auf dem Heidelberger Bergfriedhof

1927 erkrankte Friedrich Gundolf an Krebs, dem er wenige Wochen nach Vollendung seines 51. Lebensjahres am 12. Juli 1931 erlag.[5] Er wurde auf dem Heidelberger Bergfriedhof in der Waldabteilung A zur Ruhe gebettet. Der Grabstein ist ein niedriger Granitquader von schmaler Grundform, in dem sein Name und seine Lebensdaten eingemeißelt sind.

Seine Tochter Cordelia Gundolf emigrierte mit ihrer Mutter nach Australien und wurde dort eine der führenden Professorinnen der italienischen Sprache und einflussreiche Literaturwissenschaftlerin.[6]

Das erstmals Anfang 1931 in der Zeitschrift „Jugendland – Jungenblätter des Bundes“ veröffentlichte Lied Schließ Aug und Ohr für eine Weil wurde zum Lied der Weißen Rose.[7]

Ehrungen

Gundolf-Preis

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung stiftete 1964 den Friedrich-Gundolf-Preis, der jährlich als Preis für Germanistik im Ausland für die Vermittlung deutscher Kultur im Ausland verliehen wird.

Werke (Auswahl)

Eine ausführlichere Bibliographie der Werke Friedrich Gundolfs findet sich auf Wikisource.

Wissenschaftliches

Übersetzungen

Lyrik

Briefe und Briefwechsel

Sekundärliteratur

Einzelnachweise

  1. Gundolf, Friedrich. Abgerufen am 23. Januar 2023.
  2. Lothar Helbing: Gundolf und Elli. In: Elisabeth Gundolf: Stefan George. Castrum Peregrini Presse, Amsterdam 1965, S. 16.
    Elisabeth Gundolf: Stefan George. Meine Begegnungen mit Rainer Maria Rilke und Stefan George und der Nationalsozialismus. Wallstein, Göttingen 1965, ISBN 978-3-8353-0375-1, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  3. a b Ulrich Joost: Gundolf, Friedrich. In: Stadtlexikon Darmstadt. Abgerufen am 7. August 2022.
  4. Ann Goldberg: Friedrich Gundolf and Jewish Conservative Bohemianism in the Weimar Republic. In: Benjamin Maria Baader, Sharon Gillerman, Paul Lerner: Jewish Masculinities: German Jews, Gender, and History. Indiana University Press, Bloomington u. a. 2012, ISBN 978-0-253-00221-1, S. 195 (online).
  5. Thomas Karlauf: Stefan George: Die Entdeckung des Charisma. Biographie. 2. Auflage. Blessing, München 2007, ISBN 978-3-89667-151-6, S. 525 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – Inhaltsverzeichnis).
  6. John Martin: Einstein factor led to Parkville. In: smh.com.au. Sydney Morning Herald, 9. Dezember 2008, abgerufen am 7. August 2022 (englisch).
  7. Schließ Aug und Ohr für eine Weil vor dem Getös der Zeit. In: Neue Rundschau. September 2020, abgerufen am 20. Februar 2021 (Abschnitt „Entstehung“).
  8. Mitglieder der HAdW seit ihrer Gründung 1909. Friedrich Gundolf. Heidelberger Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 8. Juli 2016.