Gilbert Simondon (* 2. Oktober 1924 in Saint-Étienne; † 7. Februar 1989 in Palaiseau) war ein französischer Philosoph.

Biografie

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1944 begann Simondon sein Studium an der École normale supérieure und der Sorbonne. Er war, wie sein Zeitgenosse Michel Foucault, ein Schüler von Georges Canguilhem. Daneben hörte er Maurice Merleau-Ponty und Martial Gueroult. Ab 1953 unterrichtete er am Lycée Descartes (Tours). Er verfasste über seine unterrichtlichen Tätigkeiten, in denen er versuchte, seine philosophischen Überlegungen praktisch umzusetzen zwei didaktische Aufsätze[1]. 1963 wurde er zum Professor der Psychologie an die Sorbonne berufen.

Werk

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In seiner in zwei Teilen erschienenen Dissertation, L’individuation à la lumière des notions de forme et d’information (1964 und 1989) versuchte er, alle Formen biologischer, psychologischer und sozialer Individuation durch die Verbindung von Informationstheorie und Gestaltpsychologie als Formen eines einzelnen Phänomens zu verstehen.

Simondon erkannte darüber hinaus früh die Bedeutung der Technik für die Philosophie. In Du Mode d'Existence des Objets Techniques (1958) versucht er, die technische Entwicklung und die biologische Evolution in einem neuen Verständnis zusammenzubringen. Sein Ziel besteht darin, die erkenntnistheoretischen Grenzen der Kybernetik zu durchbrechen und zu einer allgemeinen Theorie der Maschine zu gelangen.

Als zentrale Probleme einer Kybernetik, wie sie zum Beispiel von Norbert Wiener vertreten wird, sieht Simondon deren Fixierung auf die Idee des Automaten und damit eine Überbetonung der Bedeutung von Gleichgewichten. Der perfekte Automat, der Umwelteinflüsse als Störungen seines systemischen Gleichgewichts registriert, sie verarbeitet und dadurch zu diesem Gleichgewicht zurückkehrt, ist für Simondon lediglich ein Grenzfall, dem sich technische Entwicklungen annähern können. Eine in diesem Sinn von Simondon als „technizistisch“ bezeichnete Kybernetik wird der historischen Entwicklung und Entfaltung konkreter Techniken folglich nicht gerecht.

Simondon versucht die Geschichte bestimmter Technologien, also ihrer Erfindung, Perfektionierung und Vernetzung, mit den zentralen Begriffen der Konkretisierung und Individualisierung zu fassen. In seinen Schriften zielt er auf die Entwicklung einer „direkten Untersuchung der Technizität nach einer genetischen Methode“.[2] Auf diese Weise bleibt Simondons Denken der Technik an die genetische Ontologie zurückgebunden, die er in seiner Dissertation entwickelt hat.

Wirkung

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Simondon beeinflusste Gilles Deleuze, der ihn für einen der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts hielt. Trotz seines prominenten Fürsprechers blieb Simondon lange Zeit internationale Anerkennung versagt. Die Theorien Simondons fanden ihr Echo in den Werken des Philosophen Bernard Stiegler und denen des Soziologen Bruno Latour.[3] Durch sein Erzählen von Mikrogeschichten von Objekten sowie einer kritischen Haltung gegenüber der Anthropologie kann er als einer der Vorbereiter für die Akteur-Netzwerk-Theorie Latours angesehen werden.[4]

Publikationen

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Davon bisher in deutscher Übersetzung:

Sekundärliteratur

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Einzelnachweise

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  1. Gilbert Simondon: Place d'une initiation technique dans une formation humaine complète. In: Recherches en didactiques. No23, Nr. 1, 2017, ISSN 2116-9683, S. 143, doi:10.3917/rdid.023.0143 (cairn.info [abgerufen am 14. September 2022]).
  2. Jean-Hugues Barthélémy: "Simondon – Ein Denken der Technik im Dialog mit der Kybernetik." in: Die technologische Bedingung. Beiträge zur Beschreibung der technischen Welt. Erich Hörl (Hg.), Berlin 2012.
  3. [1] Henning Schmidgen, Rezension zu Die Existenzweise technischer Objekte, FAZ, 17. September 2012.
  4. Heßler, Martina; Liggieri, Kevin (Hrsg.): Technikanthropologie. Nomos, Baden-Baden 2020, ISBN 978-3-8452-8795-9, S. 180, doi:10.5771/9783845287959 (nomos-elibrary.de [abgerufen am 14. September 2022]).
Personendaten
NAME Simondon, Gilbert
KURZBESCHREIBUNG französischer Philosoph
GEBURTSDATUM 2. Oktober 1924
GEBURTSORT Saint-Étienne
STERBEDATUM 7. Februar 1989
STERBEORT Palaiseau