Hans Baldung (* 1484 oder 1485 in Schwäbisch Gmünd; † September 1545 in Straßburg), auch Hans Baldung Grien nach der von ihm bevorzugten Farbe Grün genannt, war ein deutscher Maler, Zeichner und Kupferstecher zur Zeit Albrecht Dürers, der auch zahlreiche Entwürfe für Holzschnitte und Glasmalereien gefertigt hat. Er zählt zu den herausragenden Künstlern der Renaissance im deutschsprachigen Raum.
Hans Baldung wurde in der Reichsstadt Schwäbisch Gmünd geboren. Obwohl er aus einer Gelehrtenfamilie stammte, die um 1490 nach Straßburg umgezogen war, begann er als Fünfzehnjähriger seine Lehrzeit wahrscheinlich in der Werkstatt eines Straßburger Meisters.
Im Jahre 1503 wanderte Hans Baldung nach Nürnberg, um sich bei Albrecht Dürer weiterzuentwickeln. Hier erhielt er den Beinamen „Grien“, der Legende nach „der Grüne“, da er gerne grüne Kleidungsstücke trug und überhaupt die grüne Farbe bevorzugte; auf diese Weise wollte man ihn von den anderen Gesellen der Werkstatt mit dem Namen Hans, Hans Schäufelein und Hans Süß von Kulmbach, unterscheiden. Er wurde Dürers bedeutendster Mitarbeiter und leitete während Dürers Abwesenheit dessen Werkstatt. Er blieb dem 15 Jahre Älteren, als dieser 1506 Nürnberg verließ, in lebenslanger Freundschaft verbunden. Dürer schätzte ihn sehr und schenkte beispielsweise 1521 auf seiner niederländischen Reise dem Maler Joachim Patinir des „Grünhansens Ding“, worunter Holzschnitte zu verstehen sind, die von Baldung in Dürers Werkstatt gefertigt worden waren.[1] Schon zu Lebzeiten wurde er als der eigentliche Nachfolger Dürers angesehen und erhielt nach dessen Tode eine Haarlocke Dürers. Gegen Ende seiner Zeit in Nürnberg durfte er seinen ersten Auftrag im eigenen Namen ausführen, und zwar die Anfertigung von zwei Flügelaltären als Erstausstattung für die Maria-Magdalena-Kapelle der Bischofsresidenz auf der Moritzburg in Halle/Saale, die dann aber von 1608 bis 1838 im Halleschen Dom standen; es waren der Dreikönigsaltar aus dem Jahr 1506 und der Sebastiansaltar von 1507.[2]
Im Frühjahr 1509 kehrte Baldung nach Straßburg zurück und erwarb dort das Bürgerrecht. 1510 wurde er von der Zunft „zur Steltz“ als Meister aufgenommen und eröffnete eine eigene Werkstatt. Er heiratete Margarete Herlin, die Tochter eines wohlhabenden Bürgers, und erfreute sich wachsender Beliebtheit und zunehmender Nachfrage als Maler. Er begann damit, seine Werke mit dem Monogramm HBG in Ligatur zu signieren, was er für den Rest seiner Schaffensperiode meistens verwendete. Sein Stil wurde immer mehr manieristisch.
1512 wurde Hans Baldung von den Münsterpflegern in Freiburg im Breisgau beauftragt, für den gerade vollendeten spätgotischen Chor des Münsters Unserer Lieben Frau einen Wandelaltar zu gestalten, bestehend aus vier Tafeln mit Szene aus dem Marienleben (bei geschlossenem Zustand), einer Mitteltafel mit der Marienkrönung und zwei Flügeln mit den zwölf Aposteln (bei geöffneten Flügeln), einer ebenfalls bemalten Rückseite mit der Kreuzigung Jesu auf der Mitteltafel und je zwei Heiligen auf den beiden Flügeln, dazu eine bemalte Predella mit den porträtartigen Brustbildern der Münsterpfleger im Gebet vor Maria als der Patronin des Münsters. Dieser Altar sollte der Höhepunkt seines frühen Schaffens und auch sein Hauptwerk werden. Aus diesem Grund zog er mit seiner Frau nach Freiburg und richtete im dortigen Barfüßerkloster St. Martin seine Werkstatt ein. Während seiner Freiburger Zeit bis 1518 entstanden mehrere Altäre und Andachtsbilder, Holzschnitte und Entwürfe für Kirchenfenster, u. a. zur Ausstattung der Kapellen adeliger Familien im Chorumgang des Münsters sowie für die Serie von Glasfenstern der Kartause Freiburg.[3][4]
Wegen der in Straßburg herrschenden Pest ging Hans Baldung erst 1518 wieder nach Straßburg und erwarb dort erneut das Bürgerrecht. Er brachte es in Straßburg zu hohem gesellschaftlichem Ansehen und Wohlstand. Von 1533 bis 1534 nahm er in seiner Zunft das Schöffenamt wahr und wurde 1545, im Jahr seines Todes, sogar Ratsherr.
Bis 1520 schuf Hans Baldung zahlreiche Altarbilder. Danach gingen große kirchliche Aufträge zurück, so dass er mehr und mehr für private Kunstliebhaber arbeitete, was sich auf die Thematik seiner Bilder auswirkte. Zwar tauchen auch in seinem nachreformatorischen Œuvre noch religiöse Bildthemen auf, hierbei handelt es sich vor allem um Madonnen- und Andachtsbilder; es kamen aber auch neue Themen hinzu, darunter Schönheit und Tod, Hexen, Pferde, Historien- und Genrebilder sowie Porträts. In seinen Werken der Spätzeit wird besonders deutlich, dass Hans Baldung den bisher üblichen Bildmotiven neue inhaltliche Akzente verleiht und einen stärkeren künstlerischen Ausdruck sucht.[5] Besonders zu erwähnen ist das Karlsruher Skizzenbuch mit mehr als 100 Silberstiftzeichnungen aus der Zeit zwischen 1511 und 1545.
Ein Lieblingssujet war die Schönheit und die Erotik des nackten Menschen, insbesondere der Frau. In zahlreichen Variationen schuf Baldung einen Schönheitskult, für den es in Deutschland kaum Vorgänger gab. Die Frau wird dargestellt als Eva, als antike Göttin, als Hexe oder als Verführerin. Oft stehen diese Verkörperungen des blühenden Lebens jedoch im Kontrast zum Memento mori, zur Bedrohung durch den unausweichlichen Tod in Gestalt schauerlicher Skelette. Den Aspekt der Erotik spiegelt auch eine Auseinandersetzung mit antiken erotischen Texten wider. Als früheste bildnerische Darstellung von Schamhaar in der europäischen Neuzeit gilt Baldungs Gemälde Der Tod und das Mädchen von 1517.[6]
Obwohl schon Dürer das Hexensujet manchmal aufgriff (in den Werken Die Vier Hexen oder Die Hexe), ist vor allem Baldung dafür bekannt, dieses Thema intensiv in seinem Gesamtwerk zu verarbeiten. Hexen waren im damaligen Straßburg ein viel beachtetes Thema. Die Straßburger Humanisten studierten die Hexerei und der Straßburger Bischof war mit der Hexenverfolgung befasst. Zu betonen ist aber, dass der Glaube an Hexen in Straßburg zuerst vorwiegend theoretisch behandelt wurde, typische Hexenprozesse und -verfolgungen setzten erst nach Baldungs Tod ab 1570 nennenswert ein.[7]
Typischerweise waren diese Gemälde kleinformatig, eine Serie von rätselhaften, oft erotischen Allegorien und mythologischen Werken. Baldungs Interesse an Hexerei dauerte bis zum Ende seiner Karriere an. Ab 1510 schuf er zahlreiche Werke, in denen Hexen lüstern, verführerisch und gleichzeitig böse dargestellt sind. Diese Werke wurden nicht nur als Holzschnitte massenhaft vervielfältigt, sondern waren auch als Federzeichnungen für einzelne Kleriker bestimmt, wie etwa der Neujahrsgruß von 1514 (Albertina Wien). Insgesamt überwiegt in diesen Werken ein verspieltes, betörendes Bild von Baldungs Hexen, was sie auch von den Abbildungen in den Hexentraktaten unterscheidet. Aus diesem Grund wird eher ein künstlerisches (und weniger ein religiöses) Motiv hinter Baldungs Hexenabbildungen vermutet, in dem die Hexenthematik einen Rahmen bildet, um den weiblichen Körper ästhetisch darstellen zu können. Besonders erwähnenswert ist hier der Hexensabbat als einer der ersten Clair-obscur-Holzschnitte, eine Technik, die mehrere Farbabstufungen beim Druck zuließ.[7][8]
Baldungs Abbildungen von Pferden lassen die sakralen Motive hinter sich. Als Beispiel dient eine anspruchsvolle Perspektivstudie mit Pferd und Stallknecht, die um 1544 entstanden ist. Der sich verkürzende Körper des Mannes in Rüstung liegt lang hingestreckt auf dem Boden vor einem Stall. Der ansteigende Bildraum ist als Bühne konstruiert. Auf der Schwelle zum nächsten Raum steht eine Stute, die den Mann niedergestreckt zu haben scheint und ihn bösartig anschaut. Auf Picassos Meisterwerk Guernica erscheint ein schreiendes Pferd, das Picasso von Hans Baldung übernommen hat, ebenso wie die Fackel der alten Hexe am rechten oberen Bildrand. In einer Holzschnittfolge mit Wildpferden von 1534[9] beißen sich erregte Hengste im Kampf um eine Stute gegenseitig in den Hals und fallen übereinander her.[10] Pferde symbolisieren in der Renaissance das Triebhafte auch im Menschen.
In der Tradition seines Vorbilds Albrecht Dürer begann Hans Baldung sehr früh mit der Porträtkunst, allerdings in seinem sehr selbstbewussten eigenen Stil. Sein erstes Werk war ein Selbstbildnis, das er wahrscheinlich zu Beginn seiner Gesellenzeit in Nürnberg (um 1503) mit Feder und Pinsel vor einem Spiegel gemacht hat. In der Straßburger Zeit ab 1518 erhielt er seine Aufträge vor allem von adeligen Familien, dem gebildeten Straßburger Bürgertum sowie von den sogenannten Altgläubigen und den Reformierten.[11] Zu den anerkannten Porträts aus den Jahren 1513 bis 1538 gehören:
Von Hans Baldung sind nur fünf echte Selbstbildnisse bekannt:[12]
Außerdem gibt es in seinem graphischen Werk noch eine Selbstdarstellung als Voyeur auf dem ersten Blatt der Holzschnittfolge der „Wildpferde“ von 1534 (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg).
Hans Baldung hat seine Arbeiten in den ersten Jahren seiner selbständigen Tätigkeit mit dem einfachen Monogramm * HB * (Hans Baldung) signiert, und ab 1510 mit dem unverwechselbaren ligierten * HBG * (Hans Baldung Grien). Die Signatur ist häufig an irgendeiner Stelle im Bild integriert, manchmal auch auf einer kleinen Tafel und mit Datum. Man gewinnt den Eindruck, er benutzte sein Monogramm nicht nur als Kennzeichnung, sondern auch als Werbung, zum Beispiel wenn er mitten im Bild eine eigene Szene einfügt wie bei dem kleinen Jungen mit Monogrammtafel auf der Freiburger Kreuzigungstafel (1516) oder bei dem Affen mit Monogrammtafel im ersten Holzschnitt der Folge mit den Wildpferden (1534). Bei dem Freiburger Hochaltar benutzt Hans Baldung auf der rückseitigen Predella mit den Münsterpflegern sogar eine Bildunterschrift einschließlich der Krypto-Signatur im Namenszug des Münsterschaffners Nikolaus Scheffer, um auf sein Werk hinzuweisen: „Johannes (Baldung) hat dieses Werk geschaffen – im Jahr des Heils 1516“; und noch deutlicher ist der Text auf der Inschriften-Tafel im rechten Zwickel der Predella, wo es übersetzt heißt: „Hans Baldung genannt Grien, der Gmünder, schuf dies mit Hilfe Gottes und aus eigener Befähigung“.[13]
In Ergänzung der vorstehend aufgeführten graphischen Arbeiten, Porträts und Selbstbildnisse folgt eine Zusammenstellung der bekanntesten Gemälde von Hans Baldung, aufgeführt nach ihren Verwahrungsorten: