Heiliges Kreuz oder wahres Kreuz Christi ist die Bezeichnung für das Kreuz, an dem Jesus Christus gemäß der biblischen Überlieferung und der vorherrschenden christlichen Theologie den Opfertod starb. Dieses Kreuz wurde angeblich im Jahr 325 gefunden, in mehrere Teile geteilt und an verschiedene Orte gebracht. Es existieren Mutmaßungen über die Größe des Kreuzes und seine Holzarten.[1] Im Mittelalter gab es eine große Anzahl von Reliquien des wahren Kreuzes Christi; diese zählten zu den wichtigsten christlichen Reliquien überhaupt. Sie wurden in wertvollen Reliquiarien, den sogenannten Staurotheken, aufbewahrt. Um diese Reliquien entstanden zahlreiche Heilig-Kreuz-Kirchen in ganz Europa.
Feste des Heiligen Kreuzes sind Kreuzerhöhung am 14. September und einige andere, bewegliche Feste. Am Karfreitag findet in den römisch-katholischen Kirchen in der Feier vom Leiden und Sterben Christi die Kreuzverehrung statt. In den orthodoxen Kirchen gibt es im Kirchenjahr mehrere sogenannte Kreuzprozessionen. Gedenktag der Wiederauffindung ist das Fest der Kreuzauffindung (3. Mai, nur noch in der außerordentlichen Form des römischen Ritus erhalten, 6. März oder 7. Mai, orthodox).
um 325: Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, ließ im Heiligen Land nach Gegenständen suchen, die mit dem Leiden und Sterben Christi in direktem Zusammenhang standen.
325: Diese Findung war Anlass zum Bau der Grabeskirche in Jerusalem. Ein Teil des Kreuzes wurde in die Palastkapelle Helenas, Santa Croce in Gerusalemme, nach Rom gebracht, ein anderer Teil zu ihrem Sohn nach Konstantinopel. Ein weiterer Teil blieb in Jerusalem, davon berichtete die PilgerinEgeria im Jahre 383:
„In Jerusalem wird ein vergoldetes Kästchen gezeigt, in dem sich ein Teil des Heiligen Kreuzes befindet; es wird geöffnet, das Kreuzholz herausgehoben und zusammen mit der Kreuzinschrift auf den Tisch gelegt.[2]“
628: Der Sassanidenkönig Chosrau II. unterlag dem byzantinischen Kaiser Herakleios. Durch seinen Tod entstanden Machtkämpfe um den Thron. Die Tochter Chosraus II., Boran, schloss mit Byzanz einen Friedensvertrag ab und veranlasste die Rückgabe der Reliquien[3].
630, 21. März: feierliche Wiederausstellung des Teilstücks des „Heiligen Kreuzes“ in Jerusalem.
638: Eroberung von Jerusalem durch die Muslime. Die byzantinischen Kreuzteile sind seit dieser Zeit verschollen – angebliche Splitter tauchen später in Kreuzfahrerkreisen auf. Anderen Versionen zufolge wurden sie vor den Muslimen nach Konstantinopel in Sicherheit gebracht oder verblieben in Jerusalem.
1099: Nach der Eroberung Jerusalems wurde ein Teil des „wahren Kreuzes“ wahrscheinlich im August 1099 in einer Silberkiste in einer abgeschiedenen Ecke der Grabeskirche entdeckt. Wilhelm von Tyrus berichtet, dass es von einem syrischen Christen gefunden worden sei, der das Versteck bereits einige Zeit davor entdeckt hatte.[4] Seither wurde das Kreuz bei allen wichtigen Feldzügen und Schlachten gegen die Sarazenen bis zur Schlacht bei Hattin 1187 mitgeführt.
1187: nach Aussage mittelalterlicher Quellen geriet das Heilige Kreuz – also vermutlich jenes, das 628 nach Jerusalem zurückgebracht worden war – bei der Schlacht von Hattin in die Hände der muslimischenAyyubiden und ist seither verschollen.
1204: Eroberung von Konstantinopel. Hunderte kleinste Holzteile, die vom dort angeblich zerteilten Kreuz stammen sollen, wurden von Kreuzrittern nach Europa gebracht. Die Kölner Königschronik, die Chronica regia Coloniensis,[5] berichtet zum Jahre 1204: „Nach der Eroberung der Stadt wurden unschätzbare Reichtümer gefunden, unvergleichlich kostbare Edelsteine und auch ein Teil des Kreuzes des Herrn, das, von Helena aus Jerusalem überführt und mit Gold und kostbaren Edelsteinen geschmückt, dort höchste Verehrung erfuhr. Es wurde von den anwesenden Bischöfen zerteilt und mit anderen sehr kostbaren Reliquien unter den Rittern aufgeteilt; später, nach deren Rückkehr in die Heimat, wurde es Kirchen und Klöstern gestiftet.“[6]
Die aus Byzanz stammende Limburger Staurothek wurde ursprünglich – zusammen mit ein weiteres Stück des Kreuzes – in der Pharos-Palastkapelle im Großen Palast in Konstantinopel aufbewahrt. Bei der Eroberung und Plünderung der Stadt im Zuge des Vierten Kreuzzugs fiel sie 1204 einem Ritter in die Hände, der sie nach Deutschland brachte.
Orte
Zahlreiche Orte sind nach Heilig-Kreuz-Kirchen oder Heilig-Kreuz-Klöstern benannt:
Barbara Baert: A Heritage of Holy Wood. The Legend of the True Cross in Text and Image. Brill, Leiden 2004, ISBN 90-04-13944-3 (aktuelles Überblickswerk).
Anatole Frolow: La relique de la vraie croix. Recherches sur le développement d’un culte (= Archives de l’Orient Chretien 78). Institut Français d’Études Byzantines, Paris 1961.
Anatole Frolow: Les reliquaires de la Vraie Croix (= Archives de l’Orient Chretien 8). Institut Français d’Études Byzantines, Paris 1965.
Michael Hesemann: Die stummen Zeugen von Golgatha. Die faszinierende Geschichte der Passionsreliquien Christi. Hugendubel, München 2000, ISBN 3-7205-2139-7 (populärwissenschaftlich).
Holger A. Klein: Byzanz, der Westen und das „wahre“ Kreuz. Die Geschichte einer Reliquie und ihrer künstlerischen Fassung in Byzanz und im Abendland (= Spätantike – Frühes Christentum – Byzanz. Kunst im ersten Jahrtausend Reihe B: Studien und Perspektiven Band 17). Reichert, Wiesbaden 2004, ISBN 978-3-89500-316-5.
Chiara Mercuri: La vera croce. Storia e leggenda dal Golgota a Roma. Laterza, Bari 2014, ISBN 978-88-581-1471-1.
↑Anton Hungari (Hrsg.): Osterglöcklein. Erbauliche Unterhaltungen für den Osterfestkreis im katholischen Kirchenjahre. J. D. Sauerländer, Frankfurt am Main 1862, S. 333 („Das Kreuz soll, wie viele Schriftausleger meinen, bei fünfzehn Schuh lang und am Querbalken acht Schuh breit gewesen sein.“) und S. 372–374 (Die fünf Holzgattungen am Kreuze).
↑Peregrinatio Etheriae. 37, 1: […] et affertur loculus argenteus deauratus, in quo est lignum sanctum crucis, aperitur et profertur, ponitur in mensa tam lignum crucis quam titulus.
↑Adrian J. Boas: Jerusalem in the Time of the Crusades: Society, Landscape and Art in the Holy City under Frankish Rule. Routledge, London and New York 2001, ISBN 0-415-23000-4, S.33.
↑Übersetzung nach Norbert Breuer: Geschichtsbild und politische Vorstellungswelt in der Kölner Königschronik sowie der Chronica S. Pantaleonis. Dissertation. Würzburg 1966, S. 57.