Thelonious Monk (1947)
Foto: William P. Gottlieb

Der Begriff Jazz-Piano steht für die Rolle des Klaviers im Jazz, insbesondere die im Laufe der Jazzgeschichte entstandenen spezifischen Spiel- und Satztechniken.

Geschichte

James Price Johnson (etwa 1921)

Das Klavier spielt in der Geschichte des Jazz von Beginn an eine wichtige Rolle. Der Ragtime zählt zu den Wurzeln des Jazz und ist überwiegend Klaviermusik. Der Blues, eine andere Wurzel des Jazz, entfaltete seinen Einfluss auf das Jazz-Piano über den Umweg des Barrelhouse Piano (das später in den Boogie-Woogie mündete).

Zu Beginn der Jazz-Geschichte trat das Klavier eher als Soloinstrument auf – die Marching Bands kamen naturgemäß ohne Klavier aus. Im Lauf der Zeit entwickelte es sich immer mehr auch zum Begleit- und Ensembleinstrument. Ab den 1910er Jahren wurde das Klavier in die Bands des New-Orleans-Jazz integriert; erster Pianist war dort vermutlich Buddy Christian.[1]

Im traditionellen Jazzensemble unterstützte das Klavier die Instrumente Kontrabass/Tuba und Gitarre/Banjo und diente damit in erster Linie der Profilierung von Rhythmus und Harmonie. Im neu aufkommenden Swing wurden Beat und Bass immer mehr den Schlagzeugern und Bassisten überlassen. Obgleich der Rhythmusgruppe zugehörig, gingen Pianisten größerer Bands dazu über, nur noch einzelne Off-Beat-Akkorde einzuwerfen und Akkordfolgen eher anzudeuten als auszuspielen – allen voran Count Basie. Gleichzeitig traten sie zunehmend als Solisten hervor und glichen sich in der Melodieführung stark an die Bläser an.[2]

Nach der Swing-Ära – im Modern Jazz – kehrten viele Pianisten zu einer eher „perkussiven Spielweise zurück“ und ließen „ihr Instrument klar, durchsichtig und hart klingen.“[3] Andererseits pflegten Pianisten wie Chick Corea wieder ein romantischeres Tonideal und setzten beispielsweise stärker auf Pedalklang.

Bereits in den 1940er Jahren wurde das akustische Klavier gelegentlich durch elektro-mechanische Instrumente ersetzt; so verwendete Earl Hines ein Storytone-E-Piano. Ende der 1950er Jahre zählten Ray Charles und Sun Ra zu den einflussreichen E-Piano-Spielern. Joe Zawinul experimentierte mit unterschiedlichen Klangfarben: Für „Mercy, Mercy, Mercy“ verwendete er ein Wurlitzer-Piano, für „Country Preacher“ ein Fender Rhodes.[4] Später, insbesondere im Fusion Jazz, erweiterten Synthesizer und andere Keyboards das Klangbild. Heute ist das akustische Klavier eines von vielen Tasteninstrumenten im Jazz.

Jeder Jazz-Stil und jede wesentliche jazz-pianistische Neuerung fanden auch in späteren Entwicklungen Verwendung.[5] Damit ist das Jazz-Piano stilistisch ebenso vielfältig wie der Jazz überhaupt.

Praxis

Jazzpianisten weisen den Händen oft unterschiedliche Rollen zu. Im Solospiel kennt die linke Hand vielfältige Arten, die Basslinien und die Akkordprogressionen zu gestalten, die rechte Hand übernimmt in ebenso vielfältiger Weise vor allem die Melodielinien. Jazz-Piano-Spiel im Ensemble verlangt eine jeweils angemessene, gegebenenfalls sparsame Auswahl aus diesen Möglichkeiten.[6]

Traditionsreiche Elemente des Jazz-Klaviers sind im Einzelnen:

Art Tatum, ca. Mai 1946.
Fotografie von William P. Gottlieb.

Neben den Satztechniken ist die Tongebung kennzeichnend für das Jazz-Piano.[9] Im Vergleich zum klassischen Klavierspiel fallen folgende Besonderheiten auf:

In den sechziger und siebziger Jahren emanzipierte sich das Jazz-Piano von den genannten traditionsreichen Satztechniken und schloss sich in vielerlei Hinsicht der musikalischen Avantgarde an. Phrasing und timing allerdings blieben weitgehend kenntlich.

Die Rolle einiger wichtiger Pianisten

Folgende Jazz-Pianisten gelten als stilbildend:

Siehe auch: Liste von Jazz-Pianisten

Literatur

Stilentwicklung
Jazzpianisten
Praxis

Einzelnachweise

  1. Floyd Levin: Classic Jazz: A Personal View of the Music and the Musicians. University of California Press 2002; S. 50.
  2. Andre Asriel: Jazz; Aspekte und Analysen. Berlin 1984 (4. Aufl.), S. 398.
  3. Andre Asriel: Jazz, S. 399.
  4. Vgl. Henry R. Martin, Keith Waters: Jazz. The First 100 Years. Cengage Learning 2005, S. 349.
  5. vgl. Billy Taylor: Jazz-Piano. Dubucque 1983.
  6. „Das Klavier soll alle Bandpositionen ausfüllen können. Zum einen ist die rechte Hand vornehmlich Melodieinstrument und Solist, die linke Hand übernimmt dagegen Baßaufgaben oder die Akkordbegleitung, zum anderen übernehmen beide Hände zu ‚einer‘ Hand vereint die Akkordbegleitung.“ (Herbert Wiedemann: Klavier. Improvisation. Klang. Gustav Bosse Verlag, Regensburg 1992, S. 183.)
  7. „Stride piano should be played with little or no pedal.“ (Dominic Alldis: A Classical Approach to Jazz Piano Improvisation. Hal Leonard Corporation, Milwaukee 2003, ISBN 0-634-05829-0, S. 129.)
  8. „10ths became the foundation of popularized piano blues in the 1920’s and also had successful jazz applications.“ (Eric Kriss: Barrelhouse & Boogie Piano. Oak Publications, New York 1974, S. 108.)
  9. Die „ausgeprägte Tonbildung“ zählt zu den „konstanten Elementen“ des Jazz. (Arrigo Polillo: Jazz. Geschichte und Persönlichkeiten. Wilhelm Goldmann Verlag, München 1981, S. 15.)
  10. „Use the sustain pedal judiciously, especially when playing ballads.“ (Dominic Alldis: A Classical Approach to Jazz Piano Improvisation. Hal Leonard Corporation, Milwaukee 2003, ISBN 0-634-05829-0, S. 155.), Vgl. auch Andre Asriel Jazz, S. 398f.
  11. zit. nach Berendt 1994, 353
  12. Als seine Glanzleistung sieht Berendt „die Kunst der Begleitung, die Kunst sich einem Solisten anzupassen und ihn anzuregen und ihn die Basis zu geben, auf die er aufbauen kann“. Zit. nach Berendt/Huesmann, S. 354.
  13. Berendt
  14. Basie fand Nachahmer in Johnny Guarnieri oder John Lewis. zit. nach Berendt/Huesmann, S. 356.
  15. Marian McPartland überführte Wilsons Stil in die neuere Zeit. zit. nach Berendt/Huesmann, S. 358.
  16. Zu seinen Nachfolgern zählen Pianisten wie Randy Weston oder Mal Waldron. Vgl. Berendt/Huesmann, S. 364. Matthew Shipp fasste diesen stilistischen Ansatz als den der Black Mystery School Pianists; ähnlich spielten auch Hasaan Ibn Ali, Andrew Hill, Sun Ra, Horace Tapscott und selbst der frühe Cecil Taylor außerhalb der gewohnten Formen, aber innerhalb der musikalischen Regeln. Vgl. Matthew Shipp: Black Mystery School Pianists. New Music USA, 18. Dezember 2020, abgerufen am 1. November 2021.
  17. zit. nach Berendt/Huesmann, S. 364.
  18. zit. nach Berendt/Huesmann, S. 362.
  19. Das Bill Evans Trio mit Scott LaFaro und Paul Motian war das erste Trio, in dem jedem Instrument die Führungsrolle zukommen konnte. So spielte LaFaro auch Linien, die er melodisch und rhythmisch unabhängig von seiner Stützfunktion phrasierte. zit. nach Berendt/Huesmann, S. 365.
  20. zit. nach Berendt/Huesmann, S. 375.