Kommunikation bezieht sich in der Biologie zum einen auf die (zeichenvermittelten) Interaktionen zwischen Zellen, Geweben, Organen und Organismen zum Zwecke der Verhaltens­koordination, aber auch auf die Informationsübertragung innerhalb eines Organismus. Ebenso umfasst sie die Übermittlung von Signalen und Nutzinformation zwischen zwei oder mehreren Einzelorganismen.

Interne Kommunikationsvorgänge

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Kommunikation ist eine Grundbedingung alles Lebendigen. Lebende Systeme sind so beschaffen, dass sie in Kreisprozessen positiver Rückkopplung Energie gewinnen.[1] Als Träger dieser Prozesse fungieren Zellen. Bei höher organisierten Lebewesen bestehen diese aus einem in seinem Aufbau und seinen Funktionen hoch komplizierten Zellkern. Dieser ist umgeben von einer Zellflüssigkeit, in die eine Vielzahl hochorganisierter Körperchen, so genannte Organellen, eingebettet ist. Zwischen ihnen und dem Zellkern, aber auch zwischen den Organellen selbst laufen in vielfältiger Weise Rückkoppelungen ab, sie kommunizieren unentwegt miteinander. Umschlossen wird dieser Zellinhalt von einer Membran, die durch ihre Struktur und ihre spezifischen Durchlässigkeitseigenschaften das Zellinnere gegenüber Einflüssen seiner Außenwelt abschirmt, gleichzeitig aber einen kontrollierten Stoffaustausch ermöglicht.[2] Letzteres stellt eine Form lebensfördernder Kommunikation dar.

Sowohl die chemischen Bauelemente dieser Zellen als auch die in ihnen ablaufenden chemischen Prozesse sind bei allen Lebewesen im Wesentlichen die gleichen.[3] Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Organismen, die sich aus ihnen entwickeln kann, hat ihren Ausgangspunkt in unterschiedlichen genetischen Festlegungen in den Zellkernen.[4] Das dort gespeicherte Entwicklungsprogramm hat mehrere Funktionen: zunächst ist dieses der Bauplan für den gesamten Organismus – sei es nun ein Einzeller oder ein Mensch. Ferner enthält es zugleich einen Netzplan, in dem der Prozess der Umsetzung dieses Bauplanes Schritt für Schritt festgelegt ist. Letztlich hält das gespeicherte Entwicklungsprogramm die Anweisungen für die netzplangerechten Umsetzungsschritte des Bauplanes bereit.[5] Diese Umsetzung des in den Genen gespeicherten Bauplanes geschieht einfach gesagt dadurch, dass die Gene zu den jeweils netzplangerechten Zeitpunkten ihre Informationen im Wege chemischer Übersetzungsprozesse (Transkription und Translation) an bestimmte Komponenten im Zellplasma abgeben. Diese Komponenten werden ihrerseits zu Veränderungen und Umbildungsprozessen innerhalb der Zelle oder zu bestimmten Reaktionen mit der Umgebung der Zelle, etwa Nachbarzellen, angeregt. Die Gerichtetheit und die Präzision, mit der diese zellulären Prozesse ablaufen, werden durch ein subtiles Geflecht kommunikativer Rückkopplungen ermöglicht und gewährleistet.[6][7][8] Die für komplexere Organismen wichtigsten Reaktionsweisen der Zellen sind die Zellvermehrung und die Neubildung von Zellorganismen.

Zellvermehrung

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Alle höher entwickelten Lebewesen sind mehrzellig. Die Entwicklung dorthin erfolgt durch Zellteilung (Mitose). Hierbei verdoppelt sich die ursprüngliche Zelle und bildet damit den Anfang eines Zellverbundes, der sich je nach dem in den Zellkernen niedergelegten Bau- und Netzplan in weiteren, auf identische Weise verlaufenden Zellteilungen, fortsetzt. Wo dies geschieht, kann man in aller Regel beobachten, dass die sich vermehrenden Zellen mehr und mehr ausdifferenzieren. Je nach ihrer Lage im entstehenden Gesamtorganismus bilden sie sich auf unterschiedliche Funktionen hin aus: gleichartig spezialisierte Zellen verbinden sich dabei zu kooperierenden Zellverbänden, die als Gewebe (z. B. Binde-, Knochen-, Muskelgewebe) bezeichnet werden. Aus solchen, zumeist unterschiedlichen Geweben, bauen sich die einzelnen Organe auf. Bei den sich höher entwickelnden Lebewesen sind dies beispielsweise Skelett, Haut, Muskulatur, Bindegewebe, Drüsen, Blut- und Lymphgefäße oder Nerven.[9] Wie unterschiedlich sich die Zellverbände in einem Organismus auch immer entwickeln, an der Struktur ihrer Zellkerne verändert sich hierbei nichts. Der in den Kernen aller Zellen des Zellverbundes unveränderliche Bauplan initiiert aber über biochemische Kommunikationsprozesse einen Organismus mit differenzierten Funktionen. An jeder Stelle des sich entwickelnden Zellverbundes gibt es Rückkopplungen mit dem in den Kernen der Zellen niedergelegten Hauptplan für den Organismus. Hierdurch wird es den einzelnen Zellen ermöglicht, ihre spezifischen, systemkonformen Ausprägungen zu entwickeln und ihre Bedeutung im jeweils passenden Bauelement darzustellen.[10]

Neubildung von Zellorganismen

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In höher entwickelten Organismen hat sich ein Zelltyp (Keimzelle) herausgebildet, der zwar den gleichen Zellkern hat wie die zuvor beschriebenen Zellen, der aber ein anderes Zellteilungsverhalten aufweist. Es ermöglicht die Neukombination der eigenen Erbinformationen mit denen einer art­spezifisch gleichen Zelle eines anderen Organismus und wird damit selbst zum Ausgangspunkt eines Lebewesens, das sich in einer im Einzelnen nicht vorhersehbaren Weise von den beiden Ausgangsorganismen unterscheidet. Zu der im Zuge der normalen Zellvermehrung in biochemischen Kommunikationsprozessen sich ausbildenden inneren Differenzierung der einzelnen Organismen kommt mit der Paarung von genetischen Entwicklungsprogrammen unterschiedlicher Herkunft ein neues kommunikatives Element, eine im wahren Sinne des Wortes innovative Interaktion von Zellen zu eigenständigen Zellverbänden hinzu.

Kommunikation zwischen Zellverbänden

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Wo immer sich Zellverbände bilden, geht deren Entwicklung in aller Regel Hand in Hand mit einer funktionalen Ausdifferenzierung. Spezialisierte Teilsysteme innerhalb eines Gesamtorganismus erweisen sich deshalb als lebensdienlich, weil sie eine bessere Ausnutzung von Lebenschancen gestatten, die seine Umgebung ihm bietet. Je höher der Grad seiner Arbeitsteiligkeit, desto unerlässlicher wird das aufeinander abgestimmte Zusammenwirken der spezialisierten Teilsysteme. Bei den Wirbeltieren als den höchstentwickelten Organismen wird das Zusammenspiel aller funktional spezialisierten Teilsysteme (Sinnes- und Körperorgane, Gliedmaßen) von drei voneinander unterscheidbaren, aber vielfältig ineinander greifenden peripheren Netzwerken geleistet, dem endokrinen System und zwei, in ihren funktionalen Aufgaben unterscheidbaren neuronalen Systemen. Aller drei Funktionen werden in unterschiedlichem Umfang von einem Zentralorgan, dem Gehirn, gesteuert, koordiniert und kontrolliert.

Externe Kommunikation

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Die zentralen und peripheren Informations- und Kommunikationssysteme, die das Zusammenspiel der spezialisierten Teilsysteme in komplexen Organismen ermöglichen, schaffen zugleich wichtige Voraussetzungen für die Kommunikation des Organismus mit seiner Umgebung. Sinnesorgane, Gehirn und das somatische Nervensystem sind zusammen unerlässlich für die Informationsaufnahme, die Informationsverarbeitung und vor allem für die sich in bewussten Bewegungen ausdrückenden kommunikativen Handlungen. Die Vorgänge im endokrinen und vegetativen Steuerungssystem schlagen sich dabei in ihrer Rückkopplung auf das zentrale Nervensystem auf vielfältige Weise in emotional registrierten Befindlichkeiten nieder und wirken nachhaltig auf die Wahrnehmung eines Organismus und in deren Folge auf die Kommunikation mit seiner Umgebung ein.

Sinnesorgane

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Die externe Kommunikation wird ermöglicht durch Sensoren, die auf bestimmte Umgebungsreize ansprechen. In höher entwickelter, zunehmend komplexer Ausformung werden sie als Sinnesorgane bezeichnet. Sie bilden die Brücken eines Organismus zu seiner Umgebung.

500.000 Duftdrüsen des weiblichen Seidenspinners (Bombyx mori L.) wurden benötigt, um die Molekülstruktur des Bombykols aufzuklären.
Strukturformel von Bombykol, dem ersten eindeutig chemisch identifizierten Insektenpheromon, ein Sexuallockstoff des Seidenspinners (Bombyx mori).[16]

Reiz-Reaktionsmuster

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Reiz-Reaktionsmuster sind genetisch verankerte Mechanismen, die es einem Organismus ermöglichen, instinktiv in ihm sich manifestierende Bedürfnisse – primär nach Gewinnung lebenserhaltender und wachstumsfördernder Energien aus seiner Umgebung – einer Befriedigung zuzuführen.

Menschenspezifische Besonderheiten

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Die auf Homöostasen und Reiz-Reaktionsmustern basierenden, bei höher entwickelten Tieren durch Erfahrungen bedingt konditionierbaren Instinktreaktionen ermöglichen eine in der Regel optimale Einpassung der Lebewesen in ihr jeweiliges äußeres Umfeld und funktionieren im Sinne ihrer lebensdienlichen Bestimmung außerordentlich eindeutig, verlässlich und störunanfällig.[31] Verglichen mit dieser perfekt anmutenden Eingepasstheit ist der Mensch vergleichsweise unzulänglich darauf vorbereitet, mit seinem Lebensumfeld zurechtzukommen. Dies findet seinen Ausdruck zunächst darin, dass der menschliche Organismus bei seiner Geburt noch weitgehend unfertig ist. Er ist vielmehr über viele Jahre hinweg auf Hege und Anleitung seiner Eltern oder Artgenossen angewiesen. Hinzu kommen die beim hochzivilisierten Menschen unzulänglich entwickelten Instinkte. Aufgenommene Reize lösen zumeist nicht automatisch bestimmte, lebensdienliche Reaktionen aus.[32] Das menschliche Antriebsgefüge ist mithin nicht fest auf die Befriedigung spezifischer Lebensbedürfnisse fixiert, sondern weitgehend zieloffen. Dieser Zieloffenheit entspricht schließlich eine im Tierreich sonst nicht anzutreffende Reizoffenheit des menschlichen Sensoriums. Ist für Tiere nur das von Bedeutung, was ihren instinktgesteuerten Lebensbedürfnissen dient, kann für den Menschen alles bedeutsam werden. Dies korrespondiert in besonderer Weise mit einem Trieb, der sich bei Tieren, wenn überhaupt, meist nur übergangsweise zeigt: dem Explorationstrieb, ein auf Betätigung drängender Erregungszustand, der den Menschen zeitlebens im Wachzustand begleitet.[33]

Siehe auch

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Stimmfühlung, Phytohormone, Tiersprache, Zoosemiotik, Biosemiotik

Einzelnachweise

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  1. Konrad Lorenz: Die Rückseite des Spiegels. 4. Auflage. dtv, München 1980.
  2. Niels Birbaumer, Robert F. Schmidt: Biologische Psychologie. 3. Auflage. Springer, Berlin 1996, ISBN 3-540-59427-2.
  3. Jacques Monod: Zufall und Notwendigkeit. 3. Auflage. Piper, München 1971, ISBN 3-492-01913-7, S. 130.
  4. Jacques Monod: Zufall und Notwendigkeit. 3. Auflage. Piper, München 1971, S. 227.
  5. Manfred von Lewinski: Wie einsam bleibt der Mensch? Pro Business, Berlin 2006, ISBN 3-939000-70-1, S. 5.
  6. Niels Birbaumer, Robert F. Schmidt: Biologische Psychologie. 3. Auflage. Springer, Berlin 1996, S. 18.
  7. Frederic Vester: Denken, Lernen, Vergessen. 4. Auflage. dtv, München 1979, S. 58.
  8. Gunther Witzany (Hrsg.): Natural Genetic Engineering and Natural Genome Editing. Blackwell, Boston 2009, ISBN 978-1-573-31765-8.
  9. Niels Birbaumer, Robert F. Schmidt: Biologische Psychologie. 3. Auflage. Springer, Berlin 1996, S. 40.
  10. Manfred von Lewinski: Wie einsam bleibt der Mensch? Pro Business, Berlin 2006, S. 8.
  11. Niels Birbaumer, Robert F. Schmidt: Biologische Psychologie. 3. Auflage. Springer, Berlin 1996, S. 68.
  12. Niels Birbaumer, Robert F. Schmidt: Biologische Psychologie. 3. Auflage. Springer, Berlin 1996, S. 64.
  13. a b Philip G. Zimbardo, Siegfried Hoppe-Graff: Psychologie. 5. Auflage. Springer, Berlin 1992, ISBN 3-540-53968-9, S. 119.
  14. Niels Birbaumer, Robert F. Schmidt: Biologische Psychologie. 3. Auflage. Springer, Berlin 1996, S. 267.
  15. Manfred von Lewinski: Wie einsam bleibt der Mensch? Pro Business, Berlin 2006, S. 42.
  16. Albert Gossauer: Struktur und Reaktivität der Biomoleküle. Verlag Helvetica Chimica Acta, Zürich 2006, S. 134, ISBN 978-3-906390-29-1.
  17. a b Philip G. Zimbardo, Siegfried Hoppe-Graff: Psychologie. 5. Auflage. Springer, Berlin 1992, S. 143.
  18. Manfred von Lewinski: Wie einsam bleibt der Mensch? Pro Business, Berlin 2006, S. 43.
  19. Konrad Lorenz: Die Rückseite des Spiegels. 4. Auflage. dtv, München 1980, S. 76.
  20. Jakob von Uexküll, Georg Kriszat: Streifzüge durch die Umwelten von Tieren und Menschen. Rowohlt, Hamburg 1958, S. 49.
  21. Konrad Lorenz: Die Rückseite des Spiegels. 4. Auflage. dtv, München 1980, S. 90.
  22. Manfred von Lewinski: Wie einsam bleibt der Mensch? Pro Business, Berlin 2006, S. 31.
  23. Konrad Lorenz: Die Rückseite des Spiegels. 4. Auflage. dtv, München 1980, S. 95.
  24. LKonrad Lorenz: Die Rückseite des Spiegels. 4. Auflage. dtv, München 1980, S. 97.
  25. Konrad Lorenz: Die Rückseite des Spiegels. 4. Auflage. dtv, München 1980, S. 102.
  26. Konrad Lorenz: Die Rückseite des Spiegels. 4. Auflage. dtv, München 1980, S. 106.
  27. a b Konrad Lorenz: Die Rückseite des Spiegels. 4. Auflage. dtv, München 1980, S. 84.
  28. Konrad Lorenz: Die Rückseite des Spiegels. 4. Auflage. dtv, München 1980, S. 85.
  29. Konrad Lorenz: Die Rückseite des Spiegels. 4. Auflage. dtv, München 1980, S. 128–133.
  30. Manfred von Lewinski: Wie einsam bleibt der Mensch? Pro Business, Berlin 2006, S. 38.
  31. Jakob von Uexküll, Georg Kriszat: Streifzüge durch die Umwelten von Tieren und Menschen. Rowohlt, Hamburg 1958, S. 27.
  32. Arnold Gehlen: Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt. 7. Auflage. Athenäum, Frankfurt am Main 1962, S. 53.
  33. Manfred von Lewinski: Wie einsam bleibt der Mensch? Pro Business, Berlin 2006, S. 76.