Kunstkopf mit im Inneren integrierten Mikrofonen, mit Ohrmuscheln und Schulterpartie doch ohne Gesichtsdetails, in einem reflexionsarmen Raum
Kunstkopf ohne Ohrmuscheln, mit einem schräg von unten herangeführten externen Mikrofon

Mit dem Wort Kunstkopf oder englisch Dummy Head verbindet man eine spezielle Tonaufnahmetechnik – die „Kopfhörer-Stereofonie“ oder binaurale Tonaufnahme. Der Kunstkopf besteht aus einer Kopfnachbildung, in der an Stelle der Ohren je ein Mikrofon mit Kugelcharakteristik am Eingang der Gehörgänge mit der Nachbildung der Ohrmuscheln angebracht ist. Durch die abschattende Wirkung des Kopfes und die für das Gehör auswertbaren Gangunterschiede zwischen den beiden Mikrofonpositionen können Aufnahmen gemacht werden, die durch die so aufgenommenen interauralen Signaldifferenzen, also die Ohrsignale, bei der Wiedergabe über Kopfhörer eine recht gute Richtungslokalisation der Schallereignisse vermitteln. Die Rechts-links-Lokalisation geschieht sicher, Oben-unten- und Vorne-hinten-Unterscheidungen sind dagegen schwieriger. Die direkte Vorne-Lokalisation scheint immer in einem bestimmten Winkel nach oben verschoben. Kunstköpfe können laut Physikalisch-Technischer Bundesanstalt auch zur Messung der Belastung der Ohren durch Kopfhörer und anderer „ohrnahen Schallquellen“ eingesetzt werden.[1]

Wiedergabe

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Kunstkopfaufnahmen mit freifeldentzerrtem Kunstkopf sind ausschließlich zur Wiedergabe über Kopfhörer geeignet. Bei einer Lautsprecherwiedergabe wirken sie verfärbt, eng und unnatürlich, denn interaurale Signaldifferenzen (Ohrsignale) sind grundverschieden von Interchannel-Signaldifferenzen (Stereo-Lautsprechersignale). Interaurale Signaldifferenzen entstehen bereits bei der Aufnahme und werden bei der Lautsprecherwiedergabe mit den hier entstehenden interauralen Signaldifferenzen gemischt, was zu Frequenz- und Lokalisationsproblemen führt. Nur wenn interaurale Signalfrequenzen beim Abhören einer Aufnahme vermieden werden, indem ein Kopfhörer verwendet wird, kann die Kunstkopfaufnahme ihrem Zweck gerecht werden. Auch die Lautsprechertauglichkeit bei diffusfeldentzerrtem Kunstkopf ist umstritten.[2]

Neben Kunstköpfen sind auch Kugelflächenmikrofon, Kopfbügelmikrofon, und Jecklin-Scheibe für binaurale Aufzeichnungen geeignet.

Beim nicht mehr produzierten Kopfbügelmikrofon Sennheiser MKE-2002 sind die Mikrofone in zwei externen Bügeln untergebracht, die in die Ohren einer Person oder bei einem mitgelieferten künstlichen Kopf (MZK 2002) am Ohr-Referenz-Punkt (ear reference point) in nachgebildete Ohrmuscheln gehängt werden. Ein Mikrofon, das ähnlich arbeitet und wie ein Walkman-Kopfhörer im Ohr getragen wird, ist das Originalkopfmikrofon (OKM) der Firma Soundman.

Geschichte

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Hörspiel in Kunstkopf-Stereofonie

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Tonträger in Kunstkopf-Stereofonie

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Literatur

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Commons: Kunstkopf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. ptb.de: Bericht über Mögliche Gehörschäden durch übermäßig lautes Spielzeug (deutsch, abgerufen am 3. Februar 2011)
  2. Werbeaussagen – kritisch betrachtet Werbung für den Kunstkopf KU 81 (Memento vom 2. April 2014 im Internet Archive)
  3. Patent US1624486A: Binaural telephone system. Angemeldet am 15. Juni 1925, veröffentlicht am 12. April 1927, Anmelder: Western Electric Co, Erfinder: Harvey Fletcher, Leon J. Sivian.
  4. Martha Brech: Der hörbare Raum: Entdeckung, Erforschung und musikalische Gestaltung mit analoger Technologie. transcript Verlag, 2015, ISBN 978-3-8394-3096-5, S. 139 (google.de [abgerufen am 2. August 2022]).
  5. Patent US1855149A: Method and means for the ventriloquial production of sound. Angemeldet am 13. April 1927, veröffentlicht am 19. April 1932, Erfinder: Barlett W. Jones.
  6. FIRESTONE, F.A.: The phase difference and amplitude ratio at the ears due to a source of pure tone, J. Acoust. Soc. Am. 2, 1930, 260
  7. HOFFMANN, F. (Hrsg.): Encyclopedia of Recorded Sound, 2nd ed., New York 2005 (Routledge), 214
  8. DE BOER, K. u. VERMEULEN, R.: Eine Anlage für einen Schwerhörigen. In: Philips Technische Rundschau, Bd. 4, 1939, S. 329–332
  9. DE BOER, K., VERMEULEN, R.: On improving defective hearing, Philips Tech. Review 4, 1939, 316-319
  10. DE BOER, K.: Plastische Klangwiedergabe, Philips Tech. Review 5, 1940, 107
  11. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 2. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rfcb.ch
  12. SCHODDER, G.R.: Vortäuschungen eines akustischen Raumeindrucks, Acta Acustica united with Acustica, Volume 6, Supplement 2, 1956, 482-488
  13. BAUER, B.: Stereophonic Earphones and Binaural Loudspeakers, Journal of the Audio Engineering Society 9, 1961, 148-151
  14. TOBIAS, J.: Binaural Recordings for Training the Newly Blind, Perceptual and Motor Skills 20, 1965, 385-391
  15. DAMASKE, P., WAGENER, B.: Directional Hearing Tests by the Aid of a Dummy Head, Acta Acustica united with Acustica 21, 1969, 30-35
  16. KÜRER, R., PLENGE, G., WILKENS, H.,: Correct Spatial Sound Perception Rendered by a Special 2-Channel Recording Method, Audio Engineering Society Convention 37, 1969, AES Paper Nr. 666
  17. PLENGE, G.: On the Problem of „In Head Localization“, Acta Acustica united with Acustica 26, 1972, 241-252
  18. SCHROEDER, M.R., GOTTLOB, D., SIEBRASSE, K.F.: Comparative Study of 20 European Concert Halls – A Preliminary Report, J. Acoust. Soc. Am. 54, 1973, 278
  19. CHARLIN, M.: Microphone stéréophonique, Brevet d'Invention No. 1375245, 1963, Bulletin officiel de la Propriété industrielle, No. 42, Paris 1964
  20. SCHROEDER, M.R., GOTTLOB, D., SIEBRASSE, K.F.: Comparative Study of 20 European Concert Halls – A Preliminary Report, J. Acoust. Soc. Am. 54, 1973, 278
  21. KÜRER, R., PLENGE, G., WILKENS, H.,: Correct Spatial Sound Perception Rendered by a Special 2-Channel Recording Method, Audio Engineering Society Convention 37, 1969, AES Paper Nr. 666
  22. PLENGE, G.: On the Problem of „In Head Localization“, Acta Acustica united with Acustica 26, 1972, 241-252