Das landesherrliche Kirchenregiment oder Summepiskopat ist ein Ausdruck aus der deutschen Rechts- und Kirchengeschichte. Es beschreibt die Leitungsgewalt (das Regiment) des Inhabers der Territorialgewalt (des Landesherrn) über das evangelische Kirchenwesen in seinem Territorium bis 1918.

Ursprung

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Anfänge des landesherrlichen Kirchenregimentes sind schon in vorreformatorischer Zeit zu finden. Aufgrund der kritikwürdigen Zustände in der Reichskirche des Spätmittelalters, etwa hinsichtlich der Lebensführung und Dienstauffassung der Bischöfe und Pfarrpriester, wagten viele deutsche Landesfürsten und Stadträte schon deutlich vor dem Auftreten Martin Luthers Eingriffe in nach damaligem Verständnis eigentlich kirchliche Bereiche wie etwa Pfarrstellenbesetzung und geistliche Gerichtsbarkeit. Der Reichstagsabschied von Speyer 1526 wurde das Startsignal für die Fürstenreformation. In der Frühphase gab es in Hessen und in Kursachsen zwei konkurrierende Vorstellungen von der Kirchenleitung. Luther lehnte die synodale Konzeption Hessens ab. In Kursachsen bat er den Kurfürsten um die landesherrliche Aufsicht über die Kirche, dachte dabei allerdings anfänglich an eine Übergangs- und Notlösung. Davon war aber in den kurfürstlichen Visitationsinstruktionen nichts zu merken. Die Leitung der Kirche wurde zunächst durch Kommissionen, später behördlich durch ein Konsistorium ausgeübt. In Kirch- und Schulvisitationen wurde das gesamte Kirchen- und Schulwesen kontrolliert.[1]

Nachdem mit der Reformation die Einheit von Kirche und Reich zu zerbrechen drohte, hielt der Augsburger Religionsfrieden durch das Prinzip cuius regio, eius religio („wessen Land, dessen Glaube“) zumindest die religiöse Einheit innerhalb der einzelnen Territorien aufrecht: die Konfessionszugehörigkeit der Untertanen richtete sich nach der des Landesfürsten. Der Westfälische Friede weitete dieses Prinzip von Katholiken und Lutheranern auf die bisher nicht anerkannten Reformierten aus.

Obwohl es unter den Reformatoren verschiedene Ansätze zum Thema Kirche und Staat gab, setzte sich die Ansicht durch, dass jedenfalls bis auf weiteres der Landesfürst bzw. der Rat einer Reichsstadt als membra praecipua ecclesiae (hervorragende Glieder der Kirche) als Notbischöfe anzusehen wären, die in ihrem jeweiligen Kirchenwesen (den heutigen Landeskirchen) die Leitungsfunktion innehätten.

Was als Notlösung bis zu einer umfassenden Neuordnung durch ein Konzil gedacht war, entwickelte sich jedoch in den protestantischen Kirchen zu einem langlebigen Instrument, das erst 1918 endete.

Theorien

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Es lassen sich drei Phasen des landesherrlichen Kirchenregiments unterscheiden, die jeweils durch zeitgenössische Rechtstheorien charakterisiert werden können:

Ius in sacra – Ius circa sacra

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Im 19. Jahrhundert bildete sich im Zuge der gesellschaftlichen und juristischen Entwicklungen, nicht zuletzt ausgelöst durch die Gebietsveränderungen des Reichsdeputationshauptschlusses und der Koalitionskriege, eine folgenreiche Unterscheidung heraus. Beim Kirchenregiment sei zu unterscheiden zwischen

Institutionen und Praxis

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Die wichtigsten Institutionen des landesherrlichen Kirchenregiments waren das Konsistorium als kirchenaufsichtliche Behörde sowie der Superintendent als Vorgesetzter der Pfarrerschaft. Gerade an seiner Person wurde das Dilemma des Konstrukts deutlich: als Teil der an ihren Ordinationseid gebundenen Pfarrerschaft stand er dem Fürsten gegenüber, gleichzeitig aber war er ein fürstlicher Beamter und vertrat diesen gegenüber der Pfarrerschaft.

In den städtischen Kirchentümern gab es darüber hinaus das Geistliche Ministerium als Gesamtvertretung der Pfarrerschaft mit dem gewählten Senior an der Spitze, das darüber wachte, dass seine Beratungs- und Mitwirkungsrechte, etwas bei der Herausgabe von Agenden und Gesangbüchern sowie bei Fragen der öffentlichen Moral, auch gewahrt blieben.

Ende

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Das landesherrliche Kirchenregiment fand sein Ende mit den Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung in Artikel 137 zum Selbstbestimmungsrecht der Kirche. Die Kirchenleitung ging auf die Synoden über; die Konsistorien wurden rein kirchliche Behörden.

Literatur

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Wikisource: Adolf von Stählin: Das landesherrliche Kirchenregiment – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Johannes Wallmann: Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation. 7. Auflage. Mohr Siebeck, Tübingen 2012 (UTB; 1355), ISBN 978-3-8252-3731-8, S. 62 f.