Legitimation bezeichnet in der Politikwissenschaft im engeren Sinne die Rechtfertigung eines Staates für sein hoheitliches oder nichthoheitliches Handeln bzw. dessen Ergebnis. Sie stellt die Legitimität solchen Handelns, seiner Ergebnisse oder der Herrschaft her;[1][2] Legitimität erfordert Legitimation. Der Begriff wird jedoch auch auf supranationale Organisationen und transnationale Akteure angewandt.[3]

Normatives Legitimationsverständnis

Die Existenz von Staaten wird üblicherweise normativ legitimiert durch die Staatszwecke: Die Einschränkungen, die ein Staat für seine Staatsangehörigen immer mit sich bringt, sind demnach in erster Linie gerechtfertigt, weil er eine Friedensordnung gewährleistet, in der sie vor der Selbstsucht und der Aggressivität ihrer Mitmenschen innerhalb und außerhalb geschützt werden. Außerdem sichert er eine gerechte Gemeinschaftsordnung, in der sie ihre Persönlichkeit frei entfalten können.[4] In der politischen Philosophie wird seit der Frühen Neuzeit daraus der Schluss gezogen, dass die Legitimation der Herrschenden erlischt, sobald sie diese Zwecke nicht erreichen, also ungerecht regieren. Die Beherrschten haben in diesem Fall ein Widerstandsrecht.[5]

Die demokratische Rechtfertigung des Staates fügt keine weiteren Staatszwecke hinzu. Im pluralistisch verstandenen demokratischen Rechtsstaat dürfen sich die Bürger ihre jeweils eigenen Zwecke setzen und in größtmöglicher Freiheit zu erreichen suchen. Gleichzeitig sollen sie aber an der Staatsgewalt partizipieren. In einer Demokratie ist der Staat also dann legitimiert, wenn er seine Ordnungs- und Ausgleichsfunktion unter größtmöglicher Zustimmung und Mitbestimmung aller zu erfüllen sucht.[4] In den westlichen Demokratien setzte sich die Auffassung durch, dass sie sowohl durch die Kombination von bestimmten Wertüberzeugungen wie die Menschenrechte, konstitutiven Verfahren zur Partizipation, Entscheidungsbildung und Kontrolle von Herrschaft sowie das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit legitimiert sind.[6] In der neomarxistischen Theorie vom Spätkapitalismus wird dies als nur scheinhafte „Massenlegitimation“ abgetan: Indem „falsche Bedürfnisse“ erzeugt und wohlfahrtsstaatlich befriedigt würden, werde vom weiterhin bestehenden Hauptwiderspruch des Kapitalismus abgelenkt.[7]

Soziologisches Legitimationsverständnis

Die Soziologie arbeitet demgegenüber mit einem empirischen Legitimationsbegriff: Sie schreibt nicht vor, wann Herrschaft legitim ist, sondern wann sie nachweislich dafür gehalten wird. Der deutsche Soziologe Max Weber (1864–1920) beschrieb idealtypisch drei Formen legitimer Herrschaft: Die traditionale, die charismatische und die legale Herrschaft. Die traditionale Herrschaft beruht auf dem Glauben an die Heiligkeit der Traditionen, die seit jeher galten. Zu ihr gehört etwa das Gottesgnadentum, in dem der Monarch durch Geburt legitimiert ist. Die charismatische Herrschaft ist legitim, weil dem Herrscher außeralltägliche Fähigkeiten und gewissermaßen Heldenkraft zugeschrieben werden. Sie basiert auf der affektiven Hingabe der Unterworfenen an den Propheten oder „Führer“. Die legale oder rationale Herrschaft ist legitim, weil sie auf „formal korrekt gesatzten Ordnungen“ beruht. Basis ist nicht die Dynastie oder die Person des Herrschers, sondern das Verfahren, mit dem er ausgesucht wurde.[8]

1969 entwickelte der deutsche Soziologie Niklas Luhmann (1927–1998) in seinem Werk Legitimation durch Verfahren die systemtheoretische Vorstellung, dass Institutionen ihre Legitimität nicht durch das absichtsvolle Handeln der daran beteiligten Menschen erhalten, sondern sie mittels des sozialen Mechanismus des Verfahrens autopoietisch selber produzieren. Die individuellen Intentionen der beteiligten Parteien würden dabei kaum eine Rolle spielen. Diese These wurde intensiv diskutiert. Empirische Untersuchungen zeigten, dass nicht allein das bloße Verfahren Legitimität erzeugt, sondern die Überzeugung, es sei fair.[9]

Input-/ Output-Legitimation

Schaubild Input-Legitimation
Schaubild Throughput-Legitimation
Schaubild Output-Legitimation

Am Beispiel der Europäischen Union entwarf der deutsche Politikwissenschaftler Fritz W. Scharpf 1999 eine Unterscheidung, die sich am Konzept Politischer Input und politischer Output orientiert. Dabei ging er von der Gettysburg Address aus, in der der amerikanische Präsident Abraham Lincoln 1863 Demokratie definierte als „government by the people, of the people, for the people“.[10]

Kritik

Der Kritische Rationalismus lehnt die politische Legitimationstheorie mit ähnlichen Argumenten ab wie er das bei der erkenntnistheoretischen Verallgemeinerung tut. Die Legitimationstheorie behaupte, eine Regierung habe das Recht, zu herrschen, wenn sie „legitim“ sei, d. h. gemäß den Regeln gewählt sei. Jedoch sei auch das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 in diesem Sinne legitim zustande gekommen. Daher reiche das Legitimitätsprinzip nicht hin. Es sei eine Antwort auf die Frage „Wer soll herrschen?“. Diese Frage sei falsch gestellt. Sie müsse ersetzt werden durch die Frage, wie die Verfassung gestaltet werden könne, so dass man die Regierung ohne Blutvergießen loswerden könne. Nicht auf die Art der Einsetzung der Regierung komme es an, sondern die Möglichkeit ihrer Absetzung.[12]

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Gernot Sydow: Verwaltungskooperation in der Europäischen Union (= Jus publicum: Beiträge zum öffentlichen Recht. Band 118). Mohr Siebeck, Tübingen 2004, ISBN 3-16-148553-X, Dritter Teil: Legitimation von Kooperationsverfahren, S. 235, Fn. 1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 2. Mai 2019] – Habilitationsschrift Univ. Freiburg): „Legitimation ist ein Prozeß, Legitimität sein Resultat“.
  2. Helge-Marten Voigts: Die Subjektivierung von Gemeinwohlinteressen als Demokratisierung der Verwaltung (= Studien zum Verwaltungs- und Verwaltungsprozeßrecht. Band 2). Lit Verlag, Münster 2016, ISBN 978-3-643-13352-6, S. 136 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – Dissertation).
  3. Gernot Sydow: Verwaltungskooperation in der Europäischen Union. Mohr Siebeck, Tübingen 2004, Dritter Teil: Legitimation von Kooperationsverfahren, S. 235 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 2. Mai 2019]): „Verwaltungsverfahren und Verwaltungsentscheidungen bedürfen der demokratischen und rechtsstaatlichen Legitimation – nicht nur im einzelstaatlichen Rahmen, sondern auch innerhalb trans- und supranationaler Kooperationsstrukturen.“
  4. a b Reinhold Zippelius: Allgemeine Staatslehre. Politikwissenschaft. Ein Studienbuch. 16. Auflage, C.H. Beck, München 2010, S. 95.
  5. Alexander Schwan: Politische Theorien des Rationalismus und der Aufklärung. In: Hans-Joachim Lieber (Hrsg.): Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1993, S. 157–258, hier S. 193.
  6. Bettina Westle: Legitimation. In: Everhard Holtmann (Hrsg.): Politik-Lexikon. 3. Auflage, Oldenbourg, München 2000, S. 342.
  7. Bettina Westle: Legitimation. In: Everhard Holtmann (Hrsg.): Politik-Lexikon. 3. Auflage, Oldenbourg, München 2000, S. 342.
  8. Martin Endreß: Soziologische Theorien kompakt. 2., aktualisierte Auflage, Oldenbourg, München 2013, ISBN 978-3-486-73508-6, S. 53–66.
  9. Stefan Machura: Legitimation durch Verfahren – was bleibt? In: Soziale Systeme 22 (2020) Heft 1–2, S. 331–354.
  10. Fritz W. Scharpf: Regieren in Europa: Effektiv und demokratisch? Campus, Frankfurt am Main/New York 1999; auch zum Folgenden Vivien A. Schmidt: Democracy and Legitimacy in the European Union. In: Erik Jones, Anand Menon und Stephen Weatherill: The Oxford Handbook of the European Union. Oxford University Press, Oxford/New York 2012, S. 665–672.
  11. Vivien Schmidt: The Eurozone’s Crisis of Democratic Legitimacy: Can the EU Rebuild Public Trust and Support for European Economic Integration? (PDF) In: European Economy Discussion Papers No. 15. European Commission, September 2015, S. 8, abgerufen am 7. April 2021 (englisch).
  12. Karl Popper: Freiheit und intellektuelle Verantwortung (1989), in: ders.: Alles Leben ist Problemlösen. Über Erkenntnis, Geschichte und Politik. 14. Auflage, München 2010, S. 239–254.