RUAG International Holding AG

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Rechtsform Aktiengesellschaft[1]
Gründung 1998
Sitz Bern, Schweiz Schweiz
Leitung Remo Lütolf
(VR-Präsident)
André Wall
(CEO)[2]
Mitarbeiterzahl 2963 (2022)
Umsatz 945 Mio. CHF (2022)[3]
Branche Luft- und Raumfahrttechnik und Rüstungsindustrie
Website www.ruag.com
Stand: 31. März 2022

Die RUAG International Holding AG ist ein Schweizer Technologiekonzern mit Sitz in Bern. Sie ist hauptsächlich in den Märkten Luft- und Raumfahrt und Rüstung tätig.

Geschichte

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Die Regiebetriebe

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Die RUAG entstand aus den ehemaligen Unterhalts- und Produktionsbetrieben der Schweizer Armee. Auf Grund der Neutralität der Schweiz und der dabei akuten Gefahr, in Spannungszeiten keine Rüstungsgüter im Ausland beschaffen zu können, baute die Schweiz ab 1863 eine eigene Industriebasis für die Armee auf. Dies waren die Eidgenössische Munitionsfabrik Thun und die Eidgenössische Munitionsfabrik Altdorf, die Eidgenössische Waffenfabrik Bern, die Eidgenössische Konstruktionswerkstätte in Thun, ab 1943 das Eidgenössische Flugzeugwerk in Emmen, die Pulverfabriken Wimmis und Aubonne sowie weitere dem Militärdepartement unterstellte Betriebe.

Gründung der RUAG 1998

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Der Fall der Berliner Mauer 1989 und das Zusammenbrechen des Eisernen Vorhangs führten in der Schweiz zur Armeereform «Armee 95» mit sinkenden Mannschaftsbeständen, zudem wurde das Budget des Eidgenössischen Militärdepartements (EMD) deutlich verkleinert. Zu spüren bekamen dies entsprechend auch die Industriebetriebe der «Gruppe Rüstung» des EMD, bei denen das Auftragsvolumen stetig sank. In der Botschaft vom 16. April 1997 zu einem «Bundesgesetz über die Rüstungsunternehmen des Bundes» (BGRB) stellte der damalige EMD-Vorstand, Bundesrat Adolf Ogi, einen Gesetzesentwurf vor, der im Wesentlichen die Ausgliederung und Umwandlung der unselbständigen öffentlich-rechtlichen Bundesbetriebe in privatwirtschaftliche Aktiengesellschaften erlauben sollte. Damit stand den Betrieben neu der internationale Markt offen.[4] Das Geschäft wurde am 10. Oktober 1997 von beiden Parlamentskammern angenommen, und das BGRB trat am 1. Mai 1998 in Kraft, womit das Projekt «RüstungsUnternehmen-AktienGesellschaft» (RUAG) in Angriff genommen wurde.

Das Unternehmen wurde am 27. Mai 1998 unter dem Namen RUAG Schweiz AG im Handelsregister Bern-Mittelland eingetragen. Aus dem EMD, welches per 1. Januar 1998 in Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) umbenannt worden war, wurden vier Produktionseinheiten gebildet, ausgelagert und in Aktiengesellschaften umgewandelt:

Die vier operativen Rüstungsunternehmen wurden mit Publikation vom 2. Juli 1999 im Handelsregister, rückwirkend per 1. Januar, von der RUAG Schweiz AG übernommen. Im Mai 2001 erhielt die RUAG Schweiz AG ihren Namen RUAG Holding AG und erstmals eine neue Konzernstruktur, in welcher die SE zu RUAG Electronics, SF zu RUAG Aerospace, SW zu RUAG Land Systems und SM zu RUAG Munition wurden.

Die Entwicklung des Konzerns

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In Oberpfaffenhofen übernahm RUAG 2003 den zivilen und militärischen Betreuungsbereich der ehemaligen Dornier Luftfahrt GmbH. Sie betreute dort als RUAG Aerospace Services unter anderem das Hubschrauberbaumuster Bell UH-1D der Bundeswehr und produzierte das zweimotorige Turbopropflugzeug Dornier 228 NG. Im Unternehmensbereich RUAG Technology Structures werden verschiedene Strukturbaugruppen vor allem für das Verkehrsflugzeug Airbus A320 hergestellt.

2008 übernahm RUAG vom schwedischen Konzern Saab den Raumfahrtbereich Saab Space und das österreichische Tochterunternehmen Austrian Aerospace, 2009 Oerlikon Space von OC Oerlikon. Sie firmierten danach unter den Namen RUAG Space AB (Schweden) bzw. RUAG Space GmbH (Österreich) oder RUAG Space als Teil der RUAG Schweiz AG (Schweiz). 2013 wurden die für die Hauptaufgaben nicht unbedingt notwendigen Bereiche der Metallbearbeitung[5] und Oberflächenbearbeitung veräussert und die Division in RUAG Aerostructures umbenannt.

RUAG Defence entstand aus der Zusammenlegung der bisherigen Divisionen Land Systems und Electronics. Im März 2012 wurde von Ascom der Bereich Defence Kommunikation übernommen. Im Herbst 2013 übernahm RUAG die französische GAVAP[6] und schloss sie dem Bereich Training und Simulation der RUAG Defence an.

Aufsehen erregte die im Bereich Sicherheit tätige RUAG durch einen seit 2014 laufenden und 2016 bekannt gewordenen Hackerangriff auf ihr IT-System[7] und damit das der Bundesverwaltung.[8] Eine Folge davon war die am 28. Juni 2018 vom Bundesrat gutgeheissene Entflechtung der nationalen Tätigkeiten und einer bis 2021 zu bildenden RUAG International.[9]

Im Juli 2019 wurden die auf Geschäftsreiseflugzeuge bezogenen Standorte an den Flughäfen Genf und Lugano an Dassault Aviation veräussert. Am 30. September 2020 wurde eine Vereinbarung unterzeichnet, dass alle Geschäftstätigkeiten rund um Wartungsarbeiten für Privatflugzeuge und militärische Luftfahrzeuge als auch die Herstellung und den Unterhalt der Dornier 228 inklusive 450 Mitarbeitern an die General Atomics Europe verkauft werden. Der Geschäftsbereich Aerostructures mit rund 800 Mitarbeitern verbleibt bei RUAG.[10][11]

Aus der Entflechtung ist 2020 die RUAG AG entstanden.[12][13] Die RUAG Holding hat den Namenswechsel zu RUAG International Holding beschlossen.[14] Im März 2022 wurde bekannt, dass RUAG Ammotec, unter Vorbehalt der regulatorischen Genehmigungen, an Beretta veräussert werden soll.[15][16] Im Juli 2023 wurde bekannt, dass die RUAG Aerostructure-Geschäftsbereiche in Deutschland und Ungarn an die Firma Mubea verkauft werden sollen.[17] Im Verlauf des Jahres 2024 soll Ruag Aerostructures Schweiz mit Sitz am Militärflugplatz Emmen mit rund 230 Mitarbeitern von Pilatus Aircraft übernommen und ausgebaut werden. Gemäss den strategischen Zielen des Bundesrates soll sich Ruag International auf das Weltraumgeschäft um Beyond Gravity konzentrieren.[18]

Unternehmensstruktur

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Die RUAG Holding ist die Dachgesellschaft der RUAG-Tochterunternehmen im In- und Ausland. Die Gruppe ist hauptsächlich in den zwei Marktsegmenten Aerospace und Defence aktiv, wobei stets auch andere Märkte mit technologisch abgeleiteten Produkten und Serviceleistungen bedient werden.

Marktsegment «Aerospace»

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Von RUAG Aviation produzierte Dornier 228 NG auf der ILA 2012
Von RUAG Aviation produzierte Drohne RUAG Ranger ADS-95 im Einsatz bis 2019
Von RUAG Aviation produzierte Zweifach-AMRAAM-Starter an einer F/A-18 der Schweizer Luftwaffe
In Alpnach werden von RUAG die Helikoptertypen Aérospatiale AS 332 Super Puma/Cougar und Eurocopter EC635 von verschiedenen in- und ausländischen Nutzern gewartet.
In Emmen führt die RUAG die Unterhaltsarbeiten an den Flugzeugen Northrop F-5, McDonnell Douglas F/A-18 und an der Drohne Elbit Hermes 900 der Schweizer Luftwaffe durch. 32 der 34 F/A-18 der Schweizer Luftwaffe wurden von RUAG gebaut. Die Wartung für die Schweizer Luftwaffe wurde inzwischen in die neu gegründete RUAG AG eingegliedert, und die Wartung der F/A-18 wird seit April 2021 auch auf dem Militärflugplatz Payerne vorgenommen.[21][22]
In Dübendorf unterhält die RUAG das FLORAKO-Luftraumüberwachungssystem der Luftwaffe.
Das Unternehmen ist heute an zehn Standorten in der Schweiz aktiv, wovon sieben auf folgenden Flugplätzen sind: Militärflugplatz Emmen, Militärflugplatz Alpnach, Flugplatz Buochs, Militärflugplatz Dübendorf, Flugplatz Interlaken, Flugfeld Lodrino und Flugplatz St. Gallen-Altenrhein sowie zwei in Deutschland und je einer in Australien, Brasilien und Malaysia. Entstanden ist diese Division aus dem Eidgenössischen Flugzeugwerk (F+W) und dem Zukauf des ehemaligen Dornier-Stammwerks in Oberpfaffenhofen sowie der australischen Rosebank Engineering.

Marktsegment «Defence»

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Standorte

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RUAG International hat unter anderem folgende Produktionsstätten und Standorte:[27]

Zusätzlich gibt es RUAG-Standorte in Belgien, England, Finnland, Italien, Malaysia und den VAE.

Ehemalige Standorte

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Siehe auch

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Commons: RUAG – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. RUAG International Holding AG. Handelsregisteramt des Kantons Bern, abgerufen am 11. Februar 2021.
  2. André Wall wird neuer CEO von RUAG International. Abgerufen am 20. Januar 2021.
  3. Geschäftsbericht 2022. Abgerufen am 8. August 2023.
  4. Geld oder Leben?, Republik, 26. September 2018.
  5. Verkauf an Berghoff-Gruppe (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive) Pressemitteilung vom 5. April 2013.
  6. Die RUAG investiert in das französische Partnerunternehmen GAVAP (Memento vom 2. Dezember 2013 im Internet Archive) Pressemitteilung vom 6. November 2013.
  7. Cyber-Angriff auf Ruag: Mehr als 20 Gigabyte entwendet, SRF, 23. Mai 2016.
  8. Wie der Cyberangriff auf die Ruag die Informatiker auch heute noch auf Trab hält, NZZ, 29. November 2019.
  9. Schweizer Regierung will Ruag International vollständig privatisieren, Swissinfo, 18. März 2019.
  10. RUAG verkauft MRO-Geschäft und Dornier 228-Produktion in Oberpfaffenhofen. In: aerobuzz.de. 16. Oktober 2020, abgerufen am 17. Oktober 2020.
  11. RUAG trennt sich von der Dornier 228, abgerufen am 30. Oktober 2020.
  12. RUAG AG startet mit neuem Auftritt in die Zukunft. In: ruag.ch. 25. Juni 2020, abgerufen am 11. Februar 2021.
  13. Bund und RUAG feiern den Startschuss der neuen RUAG Beteiligungsgesellschaften. In: ruag.com. 15. November 2019, abgerufen am 11. Februar 2021.
  14. Aus RUAG Holding wird RUAG International Holding. In: ruag.com. 17. Juni 2020, abgerufen am 11. Februar 2021.
  15. RUAG International schliesst Verkaufsvereinbarung mit der Beretta Holding über Ammotec ab. In: srf.ch. 9. März 2022, abgerufen am 9. März 2022.
  16. Italienische Beretta — Ruag verkauft die Munitionsfabrik in Thun. In: srf.ch. 9. März 2022, abgerufen am 9. März 2022.
  17. RUAG verkauft Aerostructure an MUBEA. In: srf.ch. 19. Juli 2023, abgerufen am 20. Juli 2023.
  18. Flugzeugbauer Pilatus rettet 230 Arbeitsplätze nau.ch, 23. Januar 2024.
  19. Geschäftsbericht der RUAG Holding AG, 2017. (PDF) Abgerufen am 19. Oktober 2018.
  20. Österreichisches Know-How schützt «Rosetta», ORF.at, 5. November 2014 – Isolierende Haut der Sonde Rosetta von RUAG
  21. RUAG AG baut Service für die Luftwaffe in Payerne aus. In: vbs.admin.ch. Gruppe Verteidigung, Generalsekretariat VBS, 4. Mai 2020, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 3. Mai 2021.@1@2Vorlage:Toter Link/www.vbs.admin.ch (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  22. RUAG nimmt neuen Standplatz in Payerne in Betrieb. In: admin.ch. Gruppe Verteidigung, Generalsekretariat VBS, Armasuisse, 3. Mai 2021, abgerufen am 3. Mai 2021.
  23. Verkauf von Armeematerial
  24. a b Neue Hightech-Waffe ist um Jahre verspätet – Kosten explodieren, Tagesanzeiger,
  25. Finanzkontrolle kritisiert Verfahren zur Beschaffung neuer Mörser, swissinfo, 24. Juni 2020.
  26. RWS bedeutet Rheinisch-Westfälische Sprengstoff-Fabriken AG, ein Konzern, dessen Produkte von RUAG integriert wurden. Siehe Philippe Peseux: Connaître les armes et les munitions. Publibook, 2013, ISBN 978-2-342-00394-9. Abkürzungsverzeichnis S. 408 und die im Buch aufgeführte Munition mit dieser Abkürzung (drei Positionen)
  27. Standorte. In: ruag.com. Abgerufen am 11. Februar 2021.
  28. Airbus-Lieferant bekommt neuen Eigentümer. In: aerotelegraph.com. 19. Juli 2023, abgerufen am 19. Juli 2023.

Koordinaten: 46° 57′ 58,5″ N, 7° 27′ 19,7″ O; CH1903: 601281 / 201688