Susanne Schunter-Kleemann (* 2. Mai 1942 in Berlin) ist eine deutsche Sozial- und Politikwissenschaftlerin und war Hochschullehrerin in Bremen.

Biografie

Ausbildung und Beruf

Schunter-Kleemann studierte von 1962 bis 1969 Soziologie, Psychologie, Philosophie und Politikwissenschaften an der Philipps-Universität Marburg und an der Freien Universität Berlin (FU) und schloss das Studium 1969 mit dem Diplom in Soziologie ab. Sie war Mitglied des (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) SDS[1] und engagierte sich hochschulpolitisch im Konvent der Freien Universität und gegen den Vietnamkrieg in der Berliner Studentenbewegung.[2] Als studentische Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung bearbeitete sie das international vergleichende Projekt Student und Politik[3], aus der auch ihre Diplomarbeit hervorging.[4]

1971 heiratete sie den Berliner Kunstmaler Peter Schunter. Von 1970 bis 1975 war sie als wissenschaftliche Assistentin am Psychologischen Institut der FU tätig. Sie promovierte 1975 am Otto-Suhr-Institut der FU,[5] um anschließend ein vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) ausgelobtes Studium des Chinesischen in Bonn und Peking zu beginnen. Dieses schloss sie nicht ab, da sie im Sommer 1976 Hochschullehrerin an der Hochschule Bremen wurde. Dort vertrat sie bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2005 die Fächer Sozial-, Politik- und Arbeitswissenschaften.

Weitere Mitgliedschaften

Schunter-Kleemann war gewerkschafts-, partei- und frauenpolitisch engagiert. In den 1980ern war sie Mitglied der Bremer Frauenrunde, des Frauenarbeitskreises des DGB[6](6) und des Frauenarbeitskreises der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und des Bremer Frauenbündnisses gegen Krieg und Militarismus.[7] Sie kandidierte erfolglos 1983 für die Bremische Bürgerschaft auf der Liste der Betrieblich-Alternativen (BAL) und 1994 als Parteilose auf der Liste der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) für das Europaparlament.

Die Beschäftigung mit sozialhistorischen Aspekten der Lebenssituation von bremischen Frauen[8] und biographische Studien zu bekannten und unbekannten Bremerinnen führten zur Ausarbeitung einer frauenbewegten Stadttour,[9] die sie auch zwanzig Jahre lang selber durchführte. Als Mitglied des Vorstands der Freunde und Förderer der Villa Ichon begründete sie die Tradition der jährlichen Damenreden.[10]

Wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkte

Weitere arbeitsmarktpolitische und wirtschaftshistorische Untersuchungen thematisierten die Lebenslage von Frauen auf europäischer und globaler Ebene. Wichtige Impulse hierzu erfuhr sie 1985 durch die Teilnahme an der Weltfrauenkonferenz in Nairobi in Kenia.[11] Als Mitbegründerin der Wissenschaftlichen Einheit Frauenstudien und Frauenforschung (WE FF) an der Hochschule Bremen im Jahr 1987 (neben Inge Buck und Renate Meyer-Braun) galt ihr Augenmerk nun verstärkt dem Ziel, vergleichende Studien der europäischen Wohlfahrtsstaaten, aber auch der Sozial-, Wirtschafts- und Gleichbehandlungspolitik der Europäischen Gremien in den Studiengängen der Hochschule Bremen in Lehre und Forschung zu verankern. Aus der gemeinsamen Tätigkeit der WEFF-Initiatorinnen gingen öffentliche Veranstaltungsreihen, Buchpublikationen und WE FF-discussion papers an der Hochschule Bremen hervor.[12] Die Pionierinnenrolle Schunter-Kleemanns bei der Untersuchung der Europäischen Union aus einer geschlechtersensiblen Perspektive wird im deutschen Sprachraum heute weithin anerkannt[13](16) Die Resonanz auf ihre europapolitische Publikationstätigkeit führte Schunter-Kleemann zu Vortragsreisen in nahezu alle europäischen Länder. Sie hatte 1995/96 Gastprofessuren an der Universität Zürich, 2000 an der Wirtschaftsuniversität Wien und von 2006 bis 2008 an der Zürcher Hochschule der Künste. Von 2006 bis 2009 gehörte sie zum Lehrteam des Rosa Mayreder College in Wien.

Auf Einladung des Österreichischen Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kunst wirkte sie von 2001 bis 2005 als internationale Expertin in der Gabriele-Possaner-Jury zur Vergabe des Österreichischen Staatspreises für Geschlechterforschung mit.

Sie war Mitglied der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, der Sektion Frauenforschung in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, des Arbeitskreises Sozialwissenschaftliche Arbeitsmarktforschung (SAMF) und der European Association of Labour Economists. Als Vorstandsmitglied wirkte sie von 1983 bis 2003 im Verein der Freunde und Förderer der Villa Ichon und in der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung. In diesem Zusammenhang organisierte sie 2009 die Veranstaltungsreihe Afrika: Erinnern-Verhandeln. Kolonialismus im kollektiven Gedächtnis Afrikas und Europas.

Ehrungen

Schriften (Auswahl)

Monographien

Buch- und Zeitschriftenbeiträge

Einzelnachweise

  1. Susanne Schunter-Kleemann: Femmage an Sigrid Damm – Rüger. S. 30–39. In: Wie weit flog die Tomate? Eine 68erinnen Gala der Reflexion. Hg. von der Heinrich Böll-Stiftung und dem Feministischen Institut. 1. Aufl. Berlin 1999, ISBN 3-927760-32-3.
  2. Ute Kätzel: Die 68erinnen – Portrait einer rebellischen Frauengeneration. Portrait Susanne Schunter-Kleemann – SDS Aktivistin.(S. 101–119) Rowohlt Berlin 2002, 1. Aufl. ISBN 3-87134-447-8
  3. Susanne Schunter-Kleemann: Sozialisationsprozesse und Einstellungsveränderungen in der Hochschule am Beispiel USA. Reihe Studien und Berichte. Bibliographische Materialien zur Hochschulforschung. Institut für Bildungsforschung in der Max Planck-Gesellschaft. Berlin 1969.
  4. Susanne Kleemann: Ursachen und Formen der amerikanischen Studentenopposition. Edition Suhrkamp. Bd. 381, Frankfurt a. Main 1971.
  5. Susanne Schunter-Kleemann: Zur Geschichte der Debatten um den Klassencharakter von Soziologie und Sozialpsychologie in der DDR und Kritik ihrer Anwendung im Industrie-betrieb. Dissertation am Fachbereich Politische Wissenschaft der FU Berlin, 1975.
  6. Susanne Schunter-Kleemann: Frauen als Arbeitsmarktreserve oder Gewinner der Krise? Ein Beitrag zur arbeitsmarkttheoretischen Diskussion. In: Memo – Forum. Zirkular der Arbeitsgruppe Wirtschaftspolitik, Nr. 7, November 1985 ISSN 0176-5833.
  7. Susanne Schunter-Kleemann: Die Neue Frauenbewegung in Bremen (1970–1992). S. 128–142. In: Christoph Butterwegge, Hans G. Jansen (Hg.): Neue Soziale Bewegungen in einer alten Stadt. Steintor Verlag Bremen 1992. ISBN 3-926028-77-7.
  8. Susanne Schunter-Kleemann: Bremer Frauen in der Weimarer Zeit und der § 218, S. 81–140. In: Renate Meyer – Braun (Hg.) Frauen-Geschichte-Bremen, WE FF Verlag, Bremen 1991, S. 81–140. ISBN 3-9801942-1-3.
  9. Susanne Schunter-Kleemann: Sind denn die Weiber etwa nur des Magens wegen da? - eine frauenbewegte Radtour. In: Thomas Gatter, Mechthild Müser (Hg.) Bremen zu Fuß – 20 Streifzüge durch Geschichte und Gegenwart, VSA Verlag, Hamburg 1987, S. 235–253.
  10. Susanne Schunter-Kleemann: Die Schaffermahlzeit und die Frauen – Gedanken zur Pflege bremischer Traditionen. Rede beim Benefizessen der Ichon Villa am 9. Dezember 1983. S. 211–215 In: Frau und Gesellschaft. Schriftenreihe des Fachbereichs Wirtschaft der Hochschule Bremen, Bd. 30, Bremen 1985, ISBN 3-922892-29-9.
  11. Susanne Schunter-Kleemann: Schwesterliche Solidarität oder Machtpolitik? Weltfrauenkonferenz in Nairobi. S. 287–297. In: Edith Laudowicz (Hg.) Befreites Land-Befreites Leben? Pahl-Rugenstein Verlag, Köln, ISBN 3-7609-1120-X.
  12. Titel der von Schunter-Kleemann verfassten WE FF discussion papers:
    • Monetary Union and Family Politics in the EU Countries. (1/1997)
    • Supranationale Politik und die Modernisierung patriarchaler Gewaltverhältnisse. (2/1998)
    • Mainstreaming as an Innovative Approach on the EU-Policy of Equal Opportunities?. (3/1999)
    • Gender Mainstreaming in der Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik. Methodologische und politische Überlegungen. (4 /2000)
    • Gender Mainstreaming und das unsichtbare Geschlecht der Europa. (5/2003)
    • Die Liberalisierung des Dienstleistungssektors. Politik- und Lobbynetze im Schnittpunkt der Verhandlungssysteme von GATS und Europäischer Union. (6/2003)
  13. Elke Biester, Barbara Holland-Cunz: „Zwei Frauen kommt hierzulande das Verdienst zu, eine wissenschaftliche und politische Auseinandersetzung über das „unsichtbare Geschlecht der Europa“ angestoßen zu haben (Schunter-Kleemann 1990 und 1992; Hörburger 1991). Mit ihren Veröffentlichungen haben sie das weit entfernte eurokratische Brüssel und seine patriarchalen Entscheidungsstrukturen transparenter gemacht“. In der Einleitung zum Buch Das unsichtbare Geschlecht der Europa. Der europäische Einigungsprozess aus feministischer Sicht. Campus Verlag, Frankfurt am Main 1994, S. 10 ISBN 3-593-35092-0. vgl. auch Dorothea Bohle, S. 36–37: Europäische Integration und Frauenforschung in Deutschland. Eine kommentierte Literaturübersicht. Forschungsgruppe Europäische Gemeinschaft FEG, Arbeitspapier Nr. 13, Marburg 1994, ISBN 3-8185-0177-7.