Das Wappen derer von Tucher

Die Tucher, seit 1697 Tucher von Simmelsdorf (vereinfacht oft auch von Tucher bzw. seit 1815 Freiherren Tucher von Simmelsdorf genannt), waren eine einflussreiche Patrizierfamilie der Reichsstadt Nürnberg, erstmals urkundlich erwähnt im Jahr 1309. Vom 15. bis zum 17. Jahrhundert unterhielt die Tuchersche Handelsgesellschaft Handelsverbindungen in ganz Europa. Die Tucher zählen neben den Fuggern und Welsern zu den bekanntesten Kaufmannsfamilien oberdeutscher Reichsstädte.

Namensgebender Familiensitz ist das 1598 erworbene Rittergut Simmelsdorf. Die Tucher waren, mit kurzen Unterbrechungen, seit 1340 bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit im Jahre 1806 im Inneren Rat vertreten und gehörten nach dem Tanzstatut zu den zwanzig alten ratsfähigen Geschlechtern. Durch den Besitz von Simmelsdorf waren die Tucher im Ritterkanton Gebürg der Reichsritterschaft in Franken immatrikuliert. Die Familie besteht bis heute.

Geschichte

Albrecht Dürer: Wappen der Scheurl und Tucher, um 1512
Tucherschloss Nürnberg
Sixtus Tucher (1459–1507), Professor beider Rechte, Domkustos, kaiserlicher und päpstlicher Rat (Bleiglasfenster, nach einem Entwurf von Albrecht Dürer)

Die Herkunft der Tucher ist nicht eindeutig geklärt. Die von ihnen in Auftrag gegebenen Geschichtswerke behaupten eine Abstammung aus dem Ministerialenstand, als Dienstmannen der Grafen von Castell oder Hohenlohe, wohingegen der Name eher eine Herkunft aus dem Handwerk nahelegt.[1] Nach der im Tucherbuch überlieferten Familiengeschichte ist der 1326 verstorbene Konrad Tucher Stammvater der Familie, der seinen Wohnsitz in der Nähe der 1313 gegründeten, nördlich neben der Sebalduskirche gelegenen Moritzkapelle hatte. Allerdings hatte bereits 1309 ein Berthold Tucher das Nürnberger Bürgerrecht angenommen.

Die Tucher gehören nicht zu den ältesten Nürnberger Geschlechtern.[2] Der bemerkenswert steile Aufstieg der Tucher im Rat der Stadt fand zunächst in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts statt. Das weitere 14. und das 15. Jahrhundert brachten den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg der Tucher unter die ersten Familien Nürnbergs mit sich. 1340 war erstmals ein Mitglied der Familie im Inneren Rat vertreten und dadurch Mitglied des Nürnberger Patriziats, das die freie Reichsstadt regierte. Das Ansehen der Tucher im 14. Jahrhundert wird durch eheliche Verbindungen zu den vornehmsten Nürnberger Familien belegt.

Die Stammväter beider bis heute bestehender Linien sind Hans II. († 1449, "ältere Linie") und sein jüngerer Bruder Endres I. ("jüngere Linie"); zwischen beiden sind Rechtsstreitigkeiten um das Erbe des 1425 verstorbenen Vaters Hans I. bezeugt.[3] Im 15. Jahrhundert suchten sie die Verbindung zu reichen Kaufmannsgeschlechtern und bauten die Tuchersche Handelsgesellschaft auf. Obwohl sie im Vergleich zu anderen Patrizierfamilien erst relativ spät eigene Handelsniederlassungen gründeten, wurden sie im ausgehenden Mittelalter und der frühen Neuzeit durch ihre Handelsverbindungen in ganz Europa zu einer der reichsten Kaufmannsfamilien der Stadt. Sie gehörten zu den bedeutendsten Mäzenen des Goldenen Zeitalters der Nürnberger Kunst um 1500. Wie auch die anderen handeltreibenden Ratsgeschlechter Nürnbergs und der meisten Reichsstädte bekennen die Tucher sich seit der Reformation zum evangelischen Glauben. Als eine Familie, die bereits seit 1332 berechtigt war, Mitglieder in den „Rat der Stadt Nürnberg“ zu schicken (siehe: Geschichte der Stadt Nürnberg), hatten die Tucher einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Geschicke der Stadt.

Lazarus Tucher (1491–1563), kaiserlicher Rat Karls V. und Philipps II., Handelsherr in Antwerpen, begründete eine flämische (katholisch gebliebene) Linie, die noch für fünf Generationen in Antwerpen (wo sie drei Bürgermeister stellte) sowie auf Kasteel Tanghof bei Kontich ansässig war.

Während bereits viele Patrizierfamilien im Lauf des 16. Jahrhunderts nichts mehr von ihrer Herkunft als Kaufleute wissen wollten und sich darauf beschränkten, „adelig zu sein“ und von ihren Grundherrschaften zu leben, betrieben die Tucher und die mit ihnen im Safranhandel konkurrierenden Imhoff noch im 17. Jahrhundert die letzten in größerem Umfang aktiven Handelsgesellschaften des Nürnberger Patriziats. Nach ihrem im Jahre 1598 von den Türriegel von Riegelstein gekauften Hauptsitz in Simmelsdorf nannten sie sich „Tucher von Simmelsdorf“. Der Namenszusatz wurde 1697 von Kaiser Leopold als Adelstitel anerkannt.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts hatten sich die bisherigen Handelsströme aus der Levante, über Italien und die Alpen in die süddeutschen Reichsstädte, nach dem Norden verlagert. Die Edelmetalle aus Amerika führten zu einer Geld- und Absatzkrise. Spanien, Frankreich und die Niederlande erklärten mehrfach den Staatsbankrott. Die Welser verkauften 1610 ihre Nürnberger Niederlassung und ihre Augsburger Handelsgesellschaft war 1614 zahlungsunfähig. Sebald XI. Tucher (1583–1649) musste 1636 wegen Überschuldung aus dem Rat ausscheiden.[4] Auch die Tucher zogen sich schließlich auf ihre Landgüter zurück.

Obwohl Kaiser, Fürsten und Kirchen seit jeher auf das Geld der Reichsstädte angewiesen waren, ließen sie sich dennoch nicht zu einer Nobilitierung des gesamten Patriziats herbei. Erst 1705 und unter dem Nachweis ihres Besitzes Simmelsdorf (seit 1598) sowie einiger später hinzugewonnener Ritterlehen wie Winterstein und Rüssenbach wurden die Tucher in den fränkischen Reichsritterstand aufgenommen. 1815 wurden die Tucher, gemeinsam mit den übrigen „alten“ Patrizierfamilien des Tanzstatuts von 1521, in die Freiherrenklasse des bayerischen Adels immatrikuliert, als Freiherren Tucher von Simmelsdorf.

1855 erwarb Siegmund von Tucher das königliche Bräuhaus (vormals das „Reichstädtische Weizenbräuhaus“) und gründete daraus die „Freiherrlich von Tucher’sche Brauerei“, die bis 1898 als Privatbrauerei geführt und dann in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, die inzwischen zur Oetker-Gruppe gehört. Das Tucherschloss, der seit 1533 der Familie gehörende Nürnberger Stadtsitz, ist heute ein Museum für die Geschichte der Kaufmannsfamilie, mit zahlreichen Gemälden, Mobiliar und Ausstellungsstücken, vornehmlich aus der Blütezeit des 16. Jahrhunderts.

Besitzungen (Auszug)

Die folgenden Herrensitze befinden sich noch im Besitz der Tucher:

Ehemalige Besitzungen (Auszug)

In und um Nürnberg herum hatten die Tucher große Besitzungen. Ihr Nürnberger Stammhaus ist das Tucherschloss in Nürnberg. Weitere Besitzungen waren:

Bekannte Familienmitglieder

Elsbeth Tucher auf der Vorderseite des 20-DM-Scheins, nach dem Porträt von Albrecht Dürer

Großes Tucherbuch

Das Tucherbuch wurde 1590 in Auftrag gegeben und war 1596 vollendet. Es umfasst, nach Registern und Vorrede, dem Stammbaum folgend Kurzbiographien für jedes Mitglied der verschiedenen Generationen und Linien mit Geburt, Hochzeit, Tod, Ausbildung, Vermögensverhältnissen, Stellung im Nürnberger Rat sowie persönlichen Charakteristika. Zu jeder Kurzbiographie gehört eine ganzseitige Miniatur mit dem jeweiligen Familienmitglied als Ganzkörperfigur, mit der Ehefrau oder den Ehefrauen.[11] Das Buch befindet sich heute im Stadtarchiv Nürnberg.[12]

Wappen

Das Stammwappen ist geteilt. Oben von Schwarz und Silber fünfmal schrägrechts geteilt und unten in Gold ein schwarzer Mohrenkopf (Symbol des Heiligen Mauritius; die schwarzen Balken symbolisieren laut "Tucherbuch" Balken des Glaubens). Auf dem Helm ist ein goldgekleideter Mohrenrumpf mit silber-schwarz-gold geteilten Stierhörnern statt der Arme. Die Helmdecke ist schwarz-golden. Die älteste erhaltene Darstellung findet sich auf der Figur des Apostels Bartholomäus in der Nürnberger Sebaldkirche, wohl von 1345.[13]

Stiftungen (Auszug)

Vor allem im 15. und 16. Jahrhundert bemühten sich die Tucher stärker als andere Nürnberger Geschlechter um Repräsentation ihres Status, unter anderem durch Gedenkbücher sowie durch bildkünstlerische und kulturelle Stiftungen, darunter Altarstiftungen (einschließlich entsprechender Messstipendien). Zu den geistlichen und weltlichen Stiftungen gehören:

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Tucher, von Matthias Kirchhoff in: Historisches Lexikon Bayerns
  2. Familien wie die Pfinzing (1274), Stromer (1291), Haller (1314), Muffel (1318), Behaim (1319), Ebner (1319), Holzschuher (1319), Koler (1319), Nützel (1319), Schopper (1319) waren schon vor den Tucher (1340) im Inneren Rat vertreten.
  3. Tucher, von Matthias Kirchhoff in: Historisches Lexikon Bayerns
  4. Tucher, von Matthias Kirchhoff in: Historisches Lexikon Bayerns
  5. Glossar Deutsch-Neuhochdeutsch (Memento vom 31. Dezember 2013 im Internet Archive), uni-hamburg.de. Abgerufen am 30. Dezember 2013.
  6. Généalogie de la famille de Coloma
  7. zeit.de: Bayerische Vereinsbank hat Dividendenmut
  8. zeit.de: Gut bediente Siemens-Aktionäre
  9. zeit.de: Keine Allianz-Zusatzaktien
  10. zeit.de: Nordkredit stärkt Reserve
  11. Großes Tucherbuch (Download)
  12. Tucherbuch, Website IHK Nürnberg
  13. Tucher, in: Historisches Lexikon Bayerns
  14. Dr. Lorenz Tucher Stiftung (Memento vom 3. September 2014 im Internet Archive)
  15. Der Englische Gruß – in nuernberginfos.de

Literatur