Ein Vorbeiflug oder Flyby (auch Fly-by) ist ein Flug einer Sonde, die einen Planeten oder einen anderen Himmelskörper erforscht, ohne dass sie in dessen Umlaufbahn eintritt oder ihre Flugbahn durch die Gravitation des Himmelskörpers signifikant verändert wird.[1] Der Übergang zum Swing-by, bei dem ebendiese Beeinflussung gewünscht ist, ist dabei fließend, Vorbeiflug ist aber auch ein Oberbegriff für beide Arten von Manöver.

Eine Vorbeiflugsonde[2][3] ist eine Raumsonde, die an einem oder mehreren Himmelskörpern vorbeifliegt und dabei Daten über das passierte Objekt sammelt.[4] Vorbeiflugsonden sind technisch und energetisch günstiger als Orbiter, die in die Umlaufbahn um einen Himmelskörpers eintreten. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind durch den nur wenige Stunden bis Tage dauernden Vorbeiflug geringer als bei einem Orbiter, der aus einer Umlaufbahn den Himmelskörper monate- oder jahrelang beobachtet. Ein weiteres Konzept von Raumsonden sind Lander, die auf einem Himmelskörper landen, um dort Forschung zu betreiben.

Vorbeiflugsonde Voyager 2 in den Tiefen des Weltalls (künstlerische Darstellung)

Abgrenzung

Wird bei entsprechender Steuerung eines Raumflugkörpers das Schwerefeld eines Himmelskörpers dazu benutzt, um seinen Kurs gezielt zu ändern und seine Geschwindigkeit zu erhöhen oder zu verringern, spricht man von einem Swing-by.[5]

Vorbeiflüge am Mond

Siehe auch: Liste aller Mondbesuche (V = Vorbeiflug)

In den Anfangsjahren der Raumfahrt waren Vorbeiflüge am Mond oder an den Nachbarplaneten der Erde die einzige Möglichkeit zur Fernerkundung anderer Himmelskörper. Die Genauigkeit und Verlässlichkeit der Steuerung eines Raumfahrzeuges bestimmt die erreichbare minimale Distanz. Die Brennschlussgeschwindigkeit der frühen Trägerraketen konnte noch nicht so exakt eingehalten werden, wie es für nahe Vorbeiflüge erforderlich gewesen wäre. Mit zunehmender Präzision des Starts gelangte auch das direkte Ansteuern des Mondes, zum Zweck einer harten Landung, in den Bereich des Möglichen.

Die ersten erfolgreichen Vorbeiflüge am Erdmond waren die der sowjetischen Mondsonde Lunik 1 am 2. Januar 1959 in einer Entfernung von 6.000 km zum Mond und der US-amerikanischen Pioneer 4 am 4. März 1959 in 60.000 km Entfernung. Diesen Missionen gingen insgesamt sieben Fehlstarts zwischen August und Dezember 1958 voraus. Beide Sonden führten Strahlungs- und Teilchenmessungen zwischen Erde und Mond durch und wurden nach der Mondpassage Satelliten der Sonne. Lunik 1 konnte die vorausgesagte Existenz des Sonnenwindes nachweisen.

Bei der sechsten sowjetischen Mondsonde Lunik 2, am 12. und 13. September 1959, gelang erstmals ein harter Aufschlag auf dem Mond. Lunik 3, mit einem Flug vom 4. bis 10. Oktober 1959, konnte nach dem Vorbeiflug die ersten Fotos der Mondrückseite per Funk übermitteln und entdeckte dort dabei das einzige Mondmeer dieser Hemisphäre, das Mare Moscoviense.

Nach je vier weiteren Fehlschlägen der UdSSR und der Vereinigten Staaten folgte der Vorbeiflug von Ranger 2 im November 1961, die harten Landungen von Ranger 4 1962 und Ranger 6 1964, die keine Daten übermittelten, sowie der Vorbeiflug von Luna 4 1963. Zur Gänze erfolgreich waren erst die Nahaufnahmen der Mondoberfläche durch Ranger 7 1964 und Ranger 8 und Ranger 9 1965 sowie durch Zond 3 1965.

Die ersten weichen Landungen gelangen 1966 Luna 9 aus der UdSSR und 1967 Surveyor 3 der Vereinigten Staaten.

Vorbeiflüge an Planeten

Vorbeiflüge an den beiden Nachbarplaneten der Erde, der Venus und dem Mars, erfordern nochmals eine um ein bis zwei Zehnerpotenzen höhere Genauigkeit, die sich nur durch nachträgliche Bahnmanöver erreichen lässt. Daher gelangen sie erst nach einigen Fehlschlägen und weiteren zwei bis drei Jahren technischer Entwicklung. Die folgende Aufzählung ist chronologisch geordnet: erst die Planeten nach erstem Vorbeiflug, dann innerhalb der Abschnitte nochmals chronologisch:

Venus

Siehe auch: Liste aller Venusbesuche (V = Vorbeiflug)

Mars

Siehe auch: Liste aller Marsbesuche (V = Vorbeiflug)

Merkur

Siehe auch: Liste aller Merkurbesuche (V = Vorbeiflug)

Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun

Siehe auch: Listen aller Jupiter-, Saturn-, Uranus- und Neptunbesuche (V = Vorbeiflug)

Mit Voyager 1 und Voyager 2 (1977–1979) gelangen erstmals Vorbeiflüge am Jupiter und den Jupitermonden – und nach erfolgreichen Swing-by-Manövern die erforderliche Beschleunigung, um zum Saturn, Uranus und Neptun zu gelangen.

Vorbeiflüge an weiteren Himmelskörpern

Siehe auch: Listen aller Asteroiden- und Kometenbesuche (V = Vorbeiflug)

Halleyscher Komet

Im Jahr 1985 wurde die unbemannte Raumsonde Giotto zur Erforschung des Halleyschen Kometen ins All gesandt. Sie war „die erste interplanetare Sonde der ESA und die erste wissenschaftliche Nutzlast an Bord einer Ariane-Rakete.“

Komet 9P/Tempel 1

Deep Impact war eine von der NASA am 12. Januar 2005 gestartete Mission zum Kometen 9P/Tempel 1, bei der am 4. Juli 2005 ein von der Sonde abgeschossenes Projektil mit rund 370 kg Masse und einer Geschwindigkeit von 10,2 m/s an der Oberfläche des Kometen einschlug. Die Auswirkungen des Einschlags wurden von der Sonde, von Weltraumteleskopen und Teleskopen auf der Erde beobachtet. Die Untersuchung des aufgeworfenen Materials und des Einschlagkraters sollte das Verständnis für den Aufbau und die Entstehung von Kometen und des Sonnensystems erhöhen.[6]

Komet 103P/Hartley 2

In der kombinierten, erweiterten Mission EPOXI (Extrasolar Planet Observation/eXtended Investigation of comets) erkundete die Raumsonde Deep Impact am 4. November 2010 den Kern des Kometen 103P/Hartley 2 (früher P/Hartley 2) bei einem Vorbeiflug aus einer Entfernung von 700 km. Danach beobachtete sie mit einem ihrer beiden Teleskope fünf zuvor entdeckte extrasolare Planetensysteme eingehend.[7]

Pluto

Siehe auch: Liste aller Pluto-Vorbeiflüge

Die Raumsonde New Horizons startete am 19. Januar 2006 zum Zwergplanet Pluto. Nach einem Swing-by-Manöver am Jupiter 2007 flog sie am 14. Juli 2015 an Pluto und seinen Monden vorbei.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. E. Julius Dasch: fly-by. In: A Dictionary of Space Exploration. Oxford University Press, Januar 2005, abgerufen am 28. November 2012 (englisch, ISBN 978-0-19-172801-3): „A spacecraft flight that explores a planet or other astral body by passing it without being captured into its orbit and without having its flight path altered by the body's gravitational pull.“
  2. Heinz Habeler, Erich Übelacker: Die Sterne. In: Was ist was (= Was ist was). Band 6. Tessloff, Nürnberg 2001, ISBN 3-7886-0246-5, Sternwisch, S. 242 (Online [abgerufen am 4. Dezember 2012]).
  3. Peter Leibundgut: Ausserirdische und was Sie darüber wissen sollten. Wissen(schaft) versus Spekulation. Novum, Neckenmarkt 2011, ISBN 978-3-99003-549-8, S. 39 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – Bibliographie der Österreichischen Nationalbibliothek, Heft: 4 / 2012, S. 4 (PDF; 636 kB)).
  4. Vorbeiflugsonde. Astronomie Wissen, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. Januar 2016; abgerufen am 2. Dezember 2012.
  5. E. Julius Dasch: swing-by. In: A Dictionary of Space Exploration. Oxford University Press, Januar 2005, abgerufen am 28. November 2012 (englisch, ISBN 978-0-19-172801-3): „The path of a spacecraft as it flies past another planetary body and its course is changed and speed increased“
  6. Deep Impact. In: wissen.de. wissenmedia in der inmediaONE GmbH, abgerufen am 2. Dezember 2012.
  7. 'Hitchhiker' EPOXI: Next Stop, Comet Hartley 2. In: nasa.gov. NASA, abgerufen am 2. Dezember 2012.