Wilhelm Wackernagel war der Sohn des Buchdruckers und Kriminalkommissars Johann Wilhelm und der Agnes Sophie, geborene Schulze. Nachdem sein Vater 1815 und seine Mutter 1818 verstorben waren, kam Wackernagel in die Obhut seiner älteren Geschwister, darunter Philipp Wackernagel.[1]
Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte Wackernagel von 1824 bis 1827 an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, dort war er Schüler von Karl Lachmann. Wackernagel war mit dem Maler Julius Hübner befreundet. In Berlin lebte Wackernagel in ärmlichen Verhältnissen, und als ihn 1828 Hoffmann von Fallersleben zu sich nach Breslau einlud, folgte er der Einladung. Da sie sich nach zwei Jahren zerstritten, kehrte Wackernagel nach Berlin zurück. Hier suchte er eine Anstellung als Bibliothekar oder Archivar, was im Zuge der Demagogenverfolgung erfolglos blieb. So musste sich Wackernagel als Privatlehrer und Übersetzer durchschlagen. Auf Empfehlung von Abel Burckhardt gelang es Wackernagel, eine Professur an der Universität Basel zu erhalten, die er an Ostern 1833 antrat. Ab 1835 lehrte er als Ordinarius an der Universität Basel, wo er 1841, 1855 und 1866 das Rektorat innehatte.
Als Lehrer war Wackernagel am Basler Pädagogium, wo er zum Förderer verschiedener begabter Schüler wurde, etwa des nachmaligen Dichterpfarrers Jonas Breitenstein oder des späteren Schriftstellers, Literaturkritikers und Feuilletonisten Josef Viktor Widmann. Wackernagel war Freimaurer und Redner der Loge Freundschaft und Beständigkeit in Basel.[2] Seit 1856 gehörte er dem Basler Grossrat an.
Wilhelm Wackernagel, Grabstätte der Familie auf dem Friedhof Wolfgottesacker, Basel
Neben den Gebrüdern Grimm gehört Wilhelm Wackernagel zu den bedeutendsten Germanisten seiner Zeit. In späteren Lebensjahren wurde er zudem ein Pionier in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit bestimmten kunsthistorischen Teildisziplinen (Arbeiten über die Geschichte der Glasmalerei und über das goldene Antependium aus dem Basler Münster) und betrieb auch historische Studien. Er initiierte und leitete die Mittelalterliche Sammlung, die Vorläuferin des Historischen Museums Basel.
Zwei seiner Söhne aus zweiter Ehe mit Maria Salome Sarasin, Schwester des Unternehmers und Politikers Karl Sarasin, waren der Indogermanist Jacob Wackernagel und der Historiker Rudolf Wackernagel, ein Enkel (Sohn von Rudolf Wackernagel) war der Kunsthistoriker Martin Wackernagel, ein weiterer (Sohn von Jacob Wackernagel) der Historiker und Volkskundler Hans Georg Wackernagel. Weitere Enkel waren Hans Georg Wackernagel und Jacob Wackernagel.
Karl Jünger verfasste 1906 eine Gedenkschrift auf Wackernagel als Dichter.[9]
Zum 150. Todestag Wilhelm Wackernagels am 21. Dezember 2019 startete die Universitätsbibliothek Basel mit der Digitalisierung seiner Bibliothek.[10][11]
Deutsches Lesebuch. Neue durch ein Handbuch der Literaturgeschichte vermehrte Ausgabe, 3 Bde., Basel 1847–53
1849; Geschichte der deutschen Literatur. Ein Handbuch., 3 Abt., Basel 1851–53
Der „Arme Heinrich“ Herrn Hartmanns von Aue und zwei jüngere Prosalegenden verwandten Inhalts. Schweighauser, Basel 1855; neu hrsg. von Ernst Stadler, ebenda 1911.
Die deutsche Glasmalerei. Geschichtlicher Entwurf mit Belegen, Leipzig 1855
Die goldene Altartafel von Basel. Erklaerung und Zeitbestimmung, Basel 1857
Die Lebensalter. Ein Beitrag zur vergleichenden Sitten- und Rechtsgeschichte, Basel 1862
Johann Fischart von Strassburg und Basels Antheil an ihm. Schweighauser, Basel 1870 (Google Books).
Wilhelm Wackernagel. In: Unsere Zeit. Deutsche Revue der Gegenwart. Monatsschrift zum Conversations-Lexikon. N. F. 6. Jg., 2. Hälfte. 1870, S. 132–136 (Digitalisat).
Michael Gebhardt, Jens Haustein, Jürgen Jaehrling, Wolfgang Höppner (Hrsg.): Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Theodor Georg von Karajan, Wilhelm Wackernagel, Johann Hugo Wyttenbach und Julius Zacher. (Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Kritische Ausgabe in Einzelbänden. Bd. 4.) Stuttgart 2009, ISBN 978-3-7776-1332-1.
Rolf Parr: Namenlose Gesellschaft, in: Wulf Wülfing, Karin Bruns, Rolf Parr (Hrsg.): Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825–1933. Stuttgart : Metzler, 1998, S. 348–350
↑Eugen Lennhoff, Oskar Posner, Dieter A. Binder: Internationales Freimaurerlexikon. Überarbeitete und erweiterte Neuauflage der Ausgabe von 1932, München 2003, 951 S., ISBN 3-7766-2161-3
↑Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 249.
↑Stefan Hess / Tomas Lochman (Hg.), Klassische Schönheit und vaterländisches Heldentum. Der Basler Bildhauer Ferdinand Schlöth (1818–1891), Basel 2004, S. 174 f.