Die equites originarii (lateinisch für „ursprüngliche Ritter“) sind die uradeligen Familien Holsteins und Stormarns, die seit dem Hochmittelalter dort ansässig waren oder sind. Gemeinsam mit den equites recepti (den „aufgenommenen Rittern“, siehe unten) bilden sie die Schleswig-Holsteinische Ritterschaft.

Geschichte

Im 12. Jahrhundert wurden die ersten ritterschaftlichen Familien urkundlich erwähnt. Ihre Besitzungen konzentrierten sich auf die östliche Landeshälfte, wo das Klima vorteilhafter war, Seeverbindungen an die deutsche Ostseeküste, nach Dänemark und Schweden bestanden und die Hanse einen weiträumigen Handel entfaltete. Sie erbauten sich zunächst Motten (hölzerne Turmhügelburgen) als Rittersitze. Die Eider markierte über Jahrhunderte die Sprachgrenze zwischen Deutsch, genauer Niederdeutsch, und Dänisch. Die heutigen Kreise Plön, Ostholstein, die Gegend um Lübeck und der Kreis Herzogtum Lauenburg waren hingegen um 1150 noch von slawischen Abodriten dünn besiedelt. Deutsche Ritter gründeten dort als Lokatoren im Rahmen der hochmittelalterlichen Ostsiedlung neue Bauerndörfer für Einwanderer vor allem aus Westfalen und Niedersachsen, unter der Anführung des Grafen Heinrich von Badewide und der Schauenburger Grafen von Holstein, die sich bald als Lehnsherren etablierten. In der östlichen Landeshälfte entstand daher ein Gemisch aus Feudalstrukturen und freien Bauern. Nordfriesland und Dithmarschen hingegen wurden überwiegend von westfriesischen Einwanderern besiedelt, die Spezialisten im Deichbau waren und ihre von Sturmfluten gefährdeten fruchtbaren Marschböden als freie Bauern von Warften und Haubargen aus bewirtschafteten; sie entzogen sich weitgehend der Landesherrschaft und dem Lehnswesen.[1] Immer wieder kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen der Holsteiner Grafen und ihrer Vasallen, oft im Bund mit der Hanse und den Mecklenburger Herzögen, gegen die Könige von Dänemark, etwa Waldemar IV. Atterdag und seine Tochter Margarethe I. Den Holsteinern ging es dabei um das Herzogtum Schleswig (Süderjütland), der Hanse um Handelsprivilegien und die Kontrolle über den Øresund.

Erst mit dem Vertrag von Ripen vom 2. März 1460 wurde der zunächst lose Verbund der landtagsfähigen Ritter (und späteren adeligen Gutsbesitzer) des Landes als Stand mit weitreichenden Privilegien etabliert. Die Privilegienlade von 1503, verziert mit 24 ritterlichen Wappen, befindet sich heute im Museum Schloss Gottorf.[2] Aufgrund dieses Vertrages wählte die schleswig-holsteinische Ritterschaft den dänischen König Christian I. zum Herzog von Schleswig und Grafen von Holstein und Stormarn. Die damit begründete Personalunion zwischen dem vom Haus Oldenburg regierten Königreich Dänemark und den beiden norddeutschen Herzogtümern hatte bis 1864 Bestand. Die Ritterschaft erhielt im Gegenzug für die Bevorzugung Christians gegenüber seinem Konkurrenten aus dem Haus der Grafen von Schauenburg und Holstein aus der Linie Holstein-Pinneberg das Recht, die Nachfolger jeweils selbst zu erwählen – die dänischen Könige wurden also nicht automatisch jeweils auch Herzöge von Schleswig und Holstein, sondern nur nach bestätigender Wahl durch die Ritterschaft. Die Handfeste, wie der Vertrag historisch korrekt heißt, sicherte der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft noch etliche weitere Rechte zu, darunter u. a. die Kriegs-, Steuer- und Münzbewilligung. Weilte der König nicht im Land, stellte die Ritterschaft zeitweise ein mehrköpfiges Regierungsgremium. Die bekannteste Passage des Vertrags ist bis heute „dat se bliven ewich tosamende ungedelt“ – also die Unteilbarkeit der beiden Herzogtümer; dies war für die Ritter insoweit von Belang, als viele von ihnen in beiden Herzogtümern Besitz hatten.

Heinrich Rantzau (1526–1598), von 1556 bis 1598 Statthalter dreier dänischer Könige, Ökonom, Humanist

Die schleswig-holsteinischen ritterlichen Familien gehören zum Deutschen Adel, unterstanden jedoch jahrhundertelang durch die Personalunion der Herzogtümer Schleswig und Holstein mit Dänemark den dänischen Königen. Die Grafschaft Holstein (seit 1474 Herzogtum) unterstand – anders als das Herzogtum Schleswig – zugleich aber als Teil des Heiligen Römischen Reiches den römisch-deutschen Königen und Kaisern, die folglich – ebenso wie die dänischen Könige – Adelstitel bzw. Rangerhöhungen an solche Familien verliehen. Manche Familien erhielten daher den (meist für alle Familienmitglieder erblichen) Reichsgrafenstand, andere den (in der Regel primogenen) dänischen Titel Lehnsgraf oder Baron. Einige dieser Familien brachten Zweige hervor, die auch in Dänemark ansässig wurden und teilweise bis heute zum Dänischen Adel gehören. Sofern die Familiennamen sich von einem Herkunftsort (Stammsitz) ableiten, sind sie mit dem Adelsprädikat „von“ verbunden, doch wurde dieses – nach skandinavischem Vorbild – in der urkundlichen und gesellschaftlichen Namensführung oft weggelassen oder durch den vorangestellten (oder hinter Vor- und Nachnamen erwähnten) Rittertitel (eques) bzw. Schildknappe (scutiger) oder Edelknecht (armiger) ersetzt. Führende Persönlichkeiten aus der Ritterschaft, wie der vielfach talentierte Statthalter Heinrich Rantzau, leiteten über Jahrhunderte die Geschicke von Schleswig und Holstein.

Im 19. Jahrhundert entzweiten plötzlich nationale Gegensätze zwischen Deutsch und Dänisch die Länder. Zuvor hatte die Sprachen- und Nationalitätenfrage für Adel und Bevölkerung kaum eine Rolle gespielt. Die Ritterschaft und bald auch weite Teile der deutschen nationalliberalen Bewegung in den Herzogtümern Schleswig und Holstein hielten den Vertrag von Ripen mit seiner zugesicherten Unteilbarkeit und dem Wahlrecht für den Herzogsthron für ihr „historisch verbrieftes Recht“. Darüber kam es schließlich zur Erhebung vom 1848 im Rahmen der März-Revolution und deshalb in der Folge zum Schleswig-Holsteinischen Krieg (1848–1851) zwischen der deutschen nationalliberalen Bewegung im Bündnis mit den meisten Staaten des Deutschen Bundes einerseits und dem Königreich Dänemark andererseits. Es folgte dann 1864 der Deutsch-Dänische Krieg zwischen dem Deutschen Bund und Dänemark um die Zugehörigkeit Schleswigs zu Dänemark. Die mehrfach verschobene Grenze zwischen Dänemark und Deutschland betraf auch einige ritterschaftliche Güter.

Während ein überwiegender Teil der Geschlechter der „Equites Originarii“ im Lauf der Jahrhunderte im Mannesstamm erloschen ist, bilden die bis heute existierenden Familien der „Equites Originarii“ sowie der „Equites Recepti“, gemeinsam mit den adligen Familien der Lauenburgischen Ritterschaft, heute die Schleswig-Holsteinische Ritterschaft. Diese unterhält die Adeligen Damenstifte Kloster Preetz, Kloster Itzehoe, St.-Johannis-Kloster vor Schleswig und Kloster Uetersen. Sie ist auch Trägerin der Ritterschaftlichen Gesellschaft Schleswig-Holstein/Lauenburg e. V., die etwa landesgeschichtliche Bildungsmaßnahmen finanziert.[3]

Geschlechter der „Equites Originarii“

Auf dem Höhepunkt der ständischen Macht, also im 15. und 16. Jahrhundert, gab es ungefähr 25 bis 30 Geschlechter, die zu den Equites Originarii zählten. Von den holsteinischen Uradelsgeschlechtern existierten 1590 noch folgende (in der heutigen Schreibweise):

Bereits im 15. Jahrhundert und 16. Jahrhundert sind etliche uradelige Familien beziehungsweise Linien von uradeligen Familien mit eigenem Geschlechternamen ausgestorben, so zum Beispiel:

Zu den im Spätmittelalter bzw. in der frühen Neuzeit eingewanderten und informell aufgenommenen Adelsgeschlechtern gehören unter anderen die Thienen (vor 1314; ab 1840: Baron von Thienen-Adlerflycht), von dem Hagen (um 1320), Blome (um 1406) und v. Schack (vor 1584). Nur das südjütische Uradelsgeschlecht Holck (seit 1633 Reichsgrafen) fand direkte Aufnahme in die holsteinische Ritterschaft; die Möed (auch Möeth oder Moeten) waren nur gelegentlich eingebunden, so verkaufte Claus Möeth 1381 Eigentum in Arensberg bei Plön, Claus Möeth zeichnete am 2. Mai 1469 in Kiel als einziger schleswiger Uradeliger den Kieler Schutz- und Trutzverbund der holsteinischen Ritterschaft gegen Graf Gerhard von Oldenburg mit und Schack Möeth (Burgvogt von Kiel) fiel 1500 bei Hemmingstedt. Die Godow – heute Godau am Plöner See – († ca. 1510) sind 1330 nach Lolland ausgewandert; die v. Rastorp († 1749, in Dänemark: Rostrup) sind um 1327/28, die v. Stampe († ca. 1550) sind um 1360 sowie die v. d. Knope bzw. Knoop († 1565, in Dänemark: Knob(e)) und die v. Rönnow († 1600) sind 1413/14 nach Dänemark ausgewandert und daher nicht mit aufgeführt.

Im Jahr 1837 blühten laut Auskunft der Ritterschaft nur noch folgende holsteinische Uradelsgeschlechter: v. Ahlefeldt, v. Blome († 1945), v. Brockdorff, v. Buchwaldt, v. Qualen († 1890, ein unebenbürtiger Zweig, der dem niederländischen Rittmeister Hans Hanssen (1661–1713) entstammt, existiert seit Anfang des 18. Jahrhunderts in Südjütland (Schreibweise: von Qualen)), v. Rantzau, v. Reventlow, v. Rumohr, v. Thienen, v. d. Wisch († 1873).

Heute existieren nur noch neun dieser Equites Originarii: die Familien Ahlefeld, Brockdorff, Buchwaldt, Rantzau, Reventlow, Rumohr und Thienen-Adlerflycht als einheimische Uradelsgeschlechter sowie die zugewanderten, ebenfalls zum ritterlichen Uradel gehörenden Familien Holck und Schack. Der Zweig der Grafen Holck auf Eckhof (Dänischer Wohld im Herzogtum Schleswig) wurde Anfang 1800 unbedingt rezipiert. Die Schack, aus Bardowick im Kurfürstentum Lüneburg stammend, wanderten über das Herzogtum Sachsen-Lauenburg um 1580 in die Herzogtümer Holstein und Schleswig ein; ihre Zugehörigkeit wurde Anfang 1714 anerkannt und sie wurden in die korporative Gemeinschaft der Equites Originarii aufgenommen. Die Originarii hatten immer besondere Rechte und Privilegien, auch gegenüber den anderen adeligen Familien, die nicht zu dieser Gruppe gehörten.

Die Wappen der heute weiterhin existierenden ursprünglichen Adelsgeschlechter der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft:

„Equites Recepti“

Die zweite wichtige Gruppe des Schleswig-Holsteinischen Adels sind die „Recepti“ (Aufgenommenen), die durch einen besonderen Rechtsakt unbedingt oder bedingt in die Ritterschaft aufgenommenen Familien. Auflage ist bis heute, dass solche Familien dem historischen Adel angehören sowie seit drei Generation (i.d. Praxis 60 Jahre) in Schleswig-Holstein leben und ein Adliges Gut besitzen.[9] Hierzu werden inzwischen auch die Adelsfamilien aus der Lauenburgischen Ritterschaft gezählt. (Dieser selbst gehören jedoch, ebenso wie bei den Niedersächsischen Ritterschaften, sämtliche Besitzer eines bei der Ritterschaft immatrikulierten Rittergutes im Kreis Herzogtum Lauenburg an, also auch die bürgerlichen Gutsbesitzer).

Bei den Recepti muss man zwischen zwei Gruppen unterscheiden:

  1. Die aus dem (deutschen) Ausland zugewanderten uradeligen Familien, wie beispielsweise die Plessen, Baudissin, Platen, Levetzow, Bernstorff, Mösling, Hahn, Scheel, Holstein, Hessenstein, Schilden, Moltke und Bülow sowie
  2. die ursprünglich bürgerlichen (briefadeligen) Familien, zu denen etwa die Wedderkop († 1962), Liliencron, Kielmansegg, Luckner, Hedemann-Heespen oder Schimmelmann gehören.

Unter die Recepti werden derzeit die folgenden Familien (bzw. ihre in Schleswig-Holstein gutsgesessenen Zweige) gezählt:

v. Abercron, Freiherren v. Ahlefeldt-Dehn, Grafen v. Ahlefeldt-Laurvig, Grafen v. Baudissin-Zinzendorf, Grafen v. Bernstorff (Stintenburg, ehem. Wotersen), Lehnsgrafen v. Bernstorff-Gyldensteen, v. Bethmann-Hollweg, Grafen v. Brockdorff-Ahlefeldt (Ascheberg), Grafen v. Brockdorff-Dallwitz, v. Bülow (Alt-Bokhorst, Bossee, Bothkamp, Gudow, Wittmoldt), Grafen v. Bülow, Freiherren v. Donner, Barone v. Hobe-Gelting, Freiherren v. Jenisch, Grafen v. Hahn (Neuhaus), Grafen v. Holstein, Grafen v. Kerssenbrock, Grafen v. Kielmansegg, Freiherrn v. Liliencron, Grafen v. Luckner, Grafen v. Platen-Hallermund, Barone v. Plessen, Grafen v. Plessen, Lehnsgrafen v. Schack-Schackenborg, Lehnsgrafen Scheel v. Plessen, v. Schiller (Buckhagen), Grafen v. Schimmelmann, Grafen zu Stolberg-Stolberg, Freiherren v. Thienen-Adlerflycht, Grafen v. Thun und Hohenstein, Grafen v. Waldersee, Grafen v. Westphalen zu Fürstenberg.

Abgrenzung zu Nachbarländern

Im Gebiet des heutigen Landes Schleswig-Holstein verfügte das eigenständige Herzogtum Sachsen-Lauenburg (das Gebiet etwa des heutigen Kreises Herzogtum Lauenburg) über eine eigene Ritterschaft (die ebenfalls bis heute existiert). Anders als die Herzogtümer Schleswig und Holstein, die eng mit Dänemark verbunden waren, besaß das Herzogtum Lauenburg mit einer Linie der Askanier von 1296 bis 1689 eine eigene Dynastie. Ab 1648 wurde es um das säkularisierte Hochstift Ratzeburg erweitert. 1689 kam es an die Welfen und wurde Teil der Personalunion des Kurfürstentums Hannover mit Großbritannien. Erst 1814 wurde es Bestandteil des Dänischen Gesamtstaates, zu dem auch Schleswig und Holstein gehörten, und kam 1865 unter preußische Herrschaft. Heute sind die landsässigen lauenburgischen Adelsgeschlechter in die Schleswig-Holsteinische Ritterschaft aufgenommen.

Während etliche Zweige schleswig-holsteinischer „Equites Originarii“ in Dänemark ansässig wurden und teilweise bis heute zum Dänischen Adel gehören, darunter Zweige der Ahlefeldt, Blome, Brockdorff, Rantzau, Reventlow, ebenso manche Zweige der „Equites Recepti“ wie der Bernstorff, Moltke oder Scheel von Plessen, gelangte ein Zweig der „originarii“ Rumohr vor knapp 400 Jahren bis heute auf Besitzungen in Norwegen, ebenso ein Zweig der ursprünglich stormarnschen, später pommerschen Wedel. Vereinzelt wurden schleswig-holsteinische Adlige auch in der Schwedischen Ritterschaft introduziert. Demgegenüber wechselten lediglich die südjütischen Grafen Holck vom dänischen in den schleswig-holsteinischen Adel, zu dem sie bis heute gehören.

Das wohlhabende bürgerliche Patriziat der Reichsstadt Lübeck beherrschte die reichsunmittelbare Hansestadt sowie ihr Umland und war in der Zirkelgesellschaft organisiert. Mit den Hanseaten aus Lübeck und Hamburg unterhielten die ritterschaftlichen Familien seit dem Mittelalter vor allem wirtschaftliche Beziehungen, indem sie die hanseatischen Groß- und Fernhändler mit Getreide, Holz usw. belieferten. Die Umgebung von Lübeck und Eutin gehörte teilweise zum alten Hochstift Lübeck, in dem vor allem nach der Reformation der Holsteiner Adel oft die Domherren und Dompröpste stellte.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Das ab etwa 1565 von dem geadelten Heerführer Caspar Hoyer errichtete Herrenhaus Hoyerswort ist einer der wenigen Rittersitze an der Nordseeküste.
  2. Ritterschaft, mit Abbildung der Privilegienlade von 1503 auf der Webseite der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte
  3. Website der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft
  4. Danmarks Adels Aarbog 2015-17. S. 509–48. Nr. 62.
  5. Danmarks Adels Aarbog 1940. S. 105–06 + Quellen S. 163–65.
  6. a b c A Thiset og PL Wittrup: Nyt Dansk Adelslexikon. 1904.
  7. Danmarks Adels Aarbog, letzte Ausgabe.
  8. Danmarks Adels Aarbog 1928. S. 143–48 + Quellen S. 175.
  9. Die ritterschaftlichen Familien auf: sh-ritterschaft.de, Website der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft