FIM-92 Stinger | |
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Allgemeine Angaben | |
Typ | MANPADS |
Hersteller | Raytheon |
Indienststellung | 1980 |
Technische Daten | |
Länge | 1,52 m |
Durchmesser | 70 mm |
Gefechtsgewicht | Komplett: 15,8 kg Lenkwaffe: 10,1 kg Gefechtskopf: 3 kg |
Spannweite | 91 mm |
Antrieb | 2-teiliger Feststoff-Raketenmotor Maximale Flugdauer: 17 s Maximale Zielmanöver:[1] 8 g Startmotor: APCP (PVC, Al) Flugmotor (dual-thrust)[2]: APCP (CTPB, Al)[3] |
Geschwindigkeit | Mach 2,2 |
Reichweite | 0,2–6 km Effektive Reichweite:[1]
Minimale Bekämpfungshöhe:
Maximale Bekämpfungshöhe:[1]
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Ausstattung | |
Zielortung | Passiv, Infrarot |
Gefechtskopf | 3 kg Splittergefechtskopf mit 1 kg Hexogen |
Zünder | Abstands- und Aufschlagzünder |
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Die FIM-92 Stinger (zu englisch sting ‚Stachel, Stich, verdeckte Operation‘) ist eine infrarotgelenkte Flugabwehrrakete des US-amerikanischen Herstellers Raytheon, die gegen tieffliegende Luftziele eingesetzt wird. Sie kann entweder von der Schulter aus oder von Land-, Luft- oder Wasserfahrzeugen abgefeuert werden.
Die FIM-92 Stinger wurde als eine Ein-Mann-Boden-Luft-Rakete (englisch Man Portable Air Defense System (MANPADS)) entwickelt. Sie war Nachfolger der FIM-43 Redeye, deren Entwicklung 1959 begonnen hatte. Die Stinger hatte 1980 ihren Produktionsbeginn in den USA. Die Produktion in Europa begann 1989, seitdem wird die Stinger in verschiedenen Versionen in einer Reihe von Ländern unter Lizenz gefertigt. In Deutschland war dies die Dornier GmbH, heute Teil von Airbus Defence and Space. Die ersten Fliegerfäuste 2 Stinger liefen 1992 Truppenteilen des Deutschen Heeres zu.
Der ursprüngliche Hersteller General Dynamics verkaufte die Rechte an der Waffe inzwischen an den Raketenspezialisten Raytheon, zuvor Hughes MSC. Die Rakete wurde außerdem im M6-Linebacker-Flugabwehrpanzer der US Army verwendet.
1984 begann ein auf der Stinger basierendes Entwicklungsprogramm für ein Luft-Luft-Raketensystem. Das Air-to-Air Stinger (ATAS)-Programm bietet eine zielempfindliche, leichte IR-Rakete zum Einsatz aus kurzen Entfernungen gegen tieffliegende Flugzeuge und Hubschrauber. Diese auch als AIM-92 Stinger bezeichnete Variante wird vor allem von den US-amerikanischen Kampfhubschraubern Hughes AH-64 Apache und Bell OH-58 Kiowa eingesetzt.
Die Sowjetunion gelangte schon Anfang der 1980er-Jahre durch einen griechischen Agenten an sensible technische Daten der Stinger.[4]
Nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan lieferte die CIA im Rahmen der Operation Cyclone ab 1986 Stinger-Raketen über Mittelsmänner in Pakistan an die Mudschahedin, die damit u. a. die sowjetischen Kampfhubschrauber vom Typ Mi-24 Hind bekämpften und die bis dahin ungefährdete Luftherrschaft der sowjetischen Luftwaffe teils brechen konnten. Die verwendeten Modelle FIM-92A/B erreichten eine Abschusswahrscheinlichkeit von 79 %.[5][1] Nach russischen Angaben wurden allerdings nur 29 von 78 während des Afghanistan-Einsatzes verlorenen Mi-24 durch MANPADS abgeschossen. Explizit auf die Stinger kamen hierbei 18 abgeschossene Hind, wobei lediglich zwei Hubschrauber je einem einzelnen Treffer zum Opfer fielen. Beim Einsatz gegen Flugzeuge sollen 7,2 % der Abschüsse von FIM-92 Stinger zu einem Verlust geführt haben. Gegen Su-25, Mi-24 und Mi-8 ergaben sich Quoten von jeweils 4,7 %, 3,2 % und 18 %.[6]
Insgesamt lieferte die CIA etwa 2.000 bis 2.500 Stinger-Raketen an Mudschahedin-Kommandeure und viele der Waffen verblieben nach dem Abzug der Sowjetunion in Afghanistan. Die USA fürchteten, dass die Stinger in die Hände von Terroristen gelangen und gegen zivile Flugzeuge eingesetzt werden könnten, weshalb US-Präsident George H. W. Bush ein geheimes Programm zum Rückkauf der Stinger (Operation MIAS) genehmigte. Der Verkaufspreis einer Stinger lag zwischen 80.000 und 150.000 US-Dollar. Nach Schätzungen der CIA waren 1996 noch etwa 600 im Umlauf, davon etwa 100 im Besitz des Iran.[7] Die Taliban lehnten 1997 ein Angebot der CIA über den Rückkauf der rund 50 Stinger-Raketen in ihrem Besitz ab.[8] Einige Raketen fielen in den Besitz al-Qaidas, das FBI erfuhr jedoch aus Verhören von Osama bin Ladens langjährigem Leibwächter Abu Jandal im September 2001, dass ihnen die für den Einsatz notwendigen Batterien fehlten.[9]
Die UNITA in Angola wurde ab 1986 mit Stinger beliefert (siehe auch Bürgerkrieg in Angola#Nach der Unabhängigkeit).[10] 1987 belieferte die CIA Diktator Hissène Habré im Tschad mit Stinger-Raketen.[11]
Bis 2009 wurden etwa 270 Flugzeug- und Hubschrauberabschüsse durch Stinger-Basic-waffen bestätigt.[1] Davon entfallen allein 250 Abschüsse auf Dreh- und Starrflügler der Sowjetunion während des Sowjetisch-Afghanischen Krieges.[1] Während des Kargil-Kriegs 1999 wurde ein indischer Kampfhubschrauber mit einer Stinger-Rakete abgeschossen.[12]
Bis zum 7. März 2022 lieferten mehrere westliche Länder, unter anderem die USA, Lettland sowie die Niederlande, insgesamt 2.000 Stinger-Raketen an die Ukraine.[13] Deutschland lieferte 500 Stinger-Raketen aus Beständen der Bundeswehr.[14]
Die Stinger besteht aus einem Startrohr und einem Lenkflugkörper mit einem passiven Zielsuchkopf, d. h. er sendet keine elektromagnetischen Wellen aus. Der durch Argon gekühlte Detektor arbeitet bei den weiterentwickelten Varianten nicht nur im IR-Bereich (Wellenlänge 3,5–5,0 µm), sondern auch im UV-Bereich (Wellenlänge 0,3–0,4 µm). Dies erhöht die Störresistenz gegenüber IR-Täuschkörpern und der Sonnenstrahlung, da deren UV-Signatur sich deutlich von der eines Flugzeugs unterscheidet. Die Zielerfassung wird dem Schützen durch ein akustisches Signal und die Aktivierung eines Vibrators (Bone-Shaker) durch das Abschussgerät gemeldet. Die Stinger funktioniert nach dem Fire-and-Forget-Prinzip, d. h., nach dem Abfeuern verfolgt die Rakete ihr Ziel selbstständig. Der Schütze muss es nicht, wie bei anderen Modellen, anvisiert lassen, da nach dem Abfeuern keine Verbindung mehr zwischen der Startplattform und der Rakete besteht. Die Rakete verfolgt ihr Ziel per Proportionalnavigation.
Um eine Rakete abzufeuern, muss sich eine BCU (Battery Coolant Unit) im Griffstück befinden. Diese Einwegkartusche enthält unter hohem Druck gelagertes Argon. Dieses wird durch den Joule-Thomson-Effekt zur Kühlung des Infrarotdetektors des Zielsuchkopfes verwendet. Eine BCU enthält außerdem eine Thermalbatterie zur Stromversorgung. Eine BCU kann eine Stinger ca. 45 Sekunden kühlen und mit Strom versorgen. Danach muss eine neue BCU eingeführt werden, falls die Rakete noch nicht abgefeuert wurde.[15]
Die effektive Bekämpfungsreichweite beträgt ca. 4.000 m, wobei vermutet wird, dass die Stinger unter günstigen Bedingungen, wie wenig Lenkbewegungen, bis 10.000 m erreichen kann. Die israelischen Streitkräfte geben bei Bekämpfungsdistanzen von bis zu 6 km eine Trefferwahrscheinlichkeit von 80 % an (mindestens für FIM-92B). Die Bekämpfungshöhe beträgt etwa 3.000 m.
Als primärer Antrieb (Flugmotor) dient ein Feststoff-Raketenmotor[2], der in sicherer Entfernung zum Schützen gezündet wird, sobald die von einem Startmotor ausgestoßene Rakete etwa 9 Meter[2] zurückgelegt hat (siehe Kaltstart). Der Start- und Flugmotor nutzen jeweils einen Ammoniumperchlorat-Verbundtreibstoff (APCP) mit geringfügig unterschiedlichen Zusammensetzungen.[3] Der Flugmotor ist als dual-thrust-Motor umgesetzt. Nach Zünden des Flugmotors wird ab einer Beschleunigung von etwa 22g der Gefechtskopf aktiviert.[2] Die Flugbahn der Rakete wird durch ein Faltleitwerk stabilisiert. Der Splitter-Sprengkopf von 1 kg HTA wird durch einen Aufschlag- oder Abstandszünder gezündet. Die Rakete vollführt eine zieladaptive Endphasenlenkung, um seitlich vor dem Ziel zu zünden bzw. auf das Ziel aufzuschlagen (in den meisten Fällen direkt in den Treibstofftank des gegnerischen Flugzeuges).[1] Der verursachte Schaden wird beim Aufschlagzünder durch eine verzögerte Zündung erhöht, damit der Gefechtskopf erst im Inneren des Ziels detoniert. Falls das Ziel verfehlt wird, zerstört sich die Rakete nach 15 bis 19 Sekunden Flugdauer selbstständig.[2]
Die Bundeswehr verfügt seit dem Ende der 1990er-Jahre über etwa 4.400 Stück dieser Flugabwehrwaffen und setzt sie in allen drei Teilstreitkräften ein:
Gebaut wurden die Stinger für die Bundeswehr und weitere Staaten, darunter auch die Türkei, bei EADS (früher Dornier) in Immenstaad.
Die Schweizer Armee prüfte 1982 erstmals näher den Vorschlag, das Lenkwaffensystem Stinger einzuführen. Die Stinger 'BASIC' erschien verbesserungswürdig; mit der Beschaffung wurde abgewartet. Im Jahre 1988/89 kam dieses Vorhaben wieder auf den Tisch – mit Erfolg für die Stinger. Das Stinger-System 'Stinger POST RMP' setzte sich klar gegen die französische Mistral durch. Im Jahre 1990 wurde das sogenannte „Kernteam Stinger“ geschaffen und für Versuche nach New Mexico geschickt. In dieser Zeit wurden auch die ersten Instruktoren ausgebildet.
Da es in der Schweiz Tradition ist, jedes Waffensystem nicht einzukaufen, sondern in Lizenz zu fertigen, wurden die Schweizer Stinger bei RUAG hergestellt und weiterentwickelt. Insgesamt wurden 3500 Lenkwaffen und rund 492 Startgeräte hergestellt.[19]
Im Jahr 2000 beschaffte die Schweiz eine unbekannte Anzahl AN/PAS-18 Stinger Night Sight (SNS). Mit diesem Wärmebildvisier wird das Stinger-System bedingt nachtkampftauglich.
Seit 2004 stehen den Stinger-Einheiten 30 mobile Überwachungsradars vom Typ P-STAR ER der Firma Lockheed-Martin zur Verfügung. Dieses hat eine Erfassungsreichweite bis 35 km und ermöglicht eine Luftraumüberwachung bis in eine Höhe von 3 km. P-STAR ER wiegt 180 kg und kann von einem Puch-300 oder Duro transportiert werden. Für das Erstellen der Betriebsbereitschaft benötigen zwei Mann rund 15 Minuten.[20] In der Schweizer Armee trägt das Radar die Bezeichnung ALERT.