Jeanne Demessieux (1921–1968)

Jeanne Marie-Madeleine Demessieux (* 13. Februar 1921 in Montpellier; † 11. November 1968 in Paris) war eine französische Komponistin, Pianistin, Organistin und Musikpädagogin.

Leben

Bereits in ihrer Kindheit verfügte Jeanne Demessieux über eine außergewöhnliche musikalische Begabung und erhielt mehrere Abschlüsse am Konservatorium ihrer Heimatstadt Montpellier. Mit 12 Jahren wurde sie 1933 zur Titularorganistin der Pariser Pfarrkirche Saint-Esprit im 12. Arrondissement ernannt, wo sie bis 1962 tätig war. Gleichzeitig studierte Jeanne am Pariser Konservatorium und erhielt dort 1937 einen Ersten Preis in Harmonielehre (bei Jean Gallon), ein Jahr später im Fach Klavier (bei Magda Tagliaferro), 1939 in Kontrapunkt und Fuge (bei Noël Gallon), 1940 im Fach Komposition (bei Simon Riera) und 1941 einen einstimmigen Ersten Preis in Orgel und Improvisation (bei Marcel Dupré).[1]

Prägend für Demessieux' künftige musikalische Laufbahn war die erste Begegnung mit Marcel Dupré im Oktober 1936 in Meudon, dem sie am Klavier und Orgel vorspielte. In den folgenden drei Jahren bis zu ihrem Eintritt in die Orgelklasse am Pariser Konservatorium 1939 erhielt Demessieux bei Dupré Privatunterricht. Nach ihrem Ersten Preis in Orgel folgten fünf weitere Jahre privater Zusammenarbeit mit Dupré, die dazu dienten, Demessieux umfassend auf eine internationale Konzertlaufbahn vorzubereiten.

Während des Krieges und der deutschen Besetzung Frankreichs arbeitete Demessieux diszipliniert bis zu 18 Stunden täglich, ohne jedoch öffentlich in Erscheinung zu treten – von ihrer organistischen Tätigkeit in Saint-Esprit und (als Vertreterin von Dupré) in Saint-Sulpice abgesehen. Erst 1946 debütierte sie mit einer vielbeachteten 12-teiligen Konzertreihe (1946–1948) in der Salle Pleyel in Paris, der den Beginn ihrer internationalen Karriere als Konzertorganistin markierte – und kurz danach das unwiderrufliche Ende ihrer 10-jährigen Zusammenarbeit mit Dupré mit sich brachte.[2] Jeanne Demessieux spielte mehr als 700 Konzerte in ganz Europa und unternahm drei ausgedehnte Konzerttourneen durch die USA (1953, 1955 und 1958).[3][4] Ihr aktives Repertoire umfasste mehr als 2.500 Werke, die sie auswendig beherrschte, darunter sämtliche Orgelwerke von Johann Sebastian Bach, César Franck, die großen Orgelwerke von Franz Liszt und Felix Mendelssohn Bartholdy, sowie alle Orgelwerke von Marcel Dupré bis Opus 41.[5] Außerdem spielte Demessieux zahlreiche Schallplatten ein, einschließlich der Welt-Ersteinspielung des gesamten Orgelwerkes von César Franck, die 1961 mit dem Grand Prix du Disque ausgezeichnet wurde.

Nach 29 Jahren Tätigkeit an Saint-Esprit wurde Demessieux 1962 als Titularorganistin an die Pariser Kirche La Madeleine berufen, wo sie bis zu ihrem Tode tätig war. Als Professorin unterrichtete Demessieux Orgel und Improvisation am Konservatorium in Nancy (1950–1952) und am Königlichen Konservatorium in Lüttich, Belgien (1952–1968). Zu ihren Schülern zählen unter anderem Marie-Madeleine Duruflé,[6] Pierre Labric und Louis Thiry.

Aufgrund von gesundheitlichen Problemen ab Mitte der Sechziger Jahre reduzierte Demessieux ihre Konzerttätigkeit. Nach mehrjährigen Verhandlungen unterzeichnete sie 1967 einen Vertrag mit Decca Records für eine Gesamteinspielung der Orgelwerke Olivier Messiaens in Notre-Dame de Paris, die aber durch Demessieux' Tod im folgenden Jahr nicht mehr zustande kam. Laut ihrer Biographin Christiane Trieu-Colleney begab sich Demessieux in ärztliche Behandlung und zog sich in ihrem letzten Lebensjahr weitgehend von öffentlichen Auftritten zurück. Jeanne Demessieux starb am 11. November 1968 mit 47 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung in Paris.[7] Sie wurde im Familiengrab auf dem Friedhof von Le Grau-du-Roi, wenige Kilometer südlich von Aigues-Mortes, beigesetzt.[8]

Jeanne Demessieux hinterließ ein umfangreiches kompositorisches Schaffen: Neben acht Kompositionen für Orgel schrieb sie Werke für Klavier, zahlreiche Lieder und Chorwerke, darunter ein Oratorium Chanson de Roland und Orchesterwerke. Etwa zwei Drittel des kompositorischen Schaffens von Demessieux, das mehr als 30 Werke umfasst, sind bis heute im Druck erschienen. 2021 veröffentlichte Decca Records ein 8-CD-Box-Set mit allen Aufnahmen von Demessieux für dieses Label, darunter ihre Gesamteinspielung der Orgelwerke César Francks von 1959.[9]

Kompositionen

Orgel solo

Orgel und Orchester

Klavier Solo

Lieder (mit Klavier)

Kammermusik

Chorwerke

Sonstige Werke

Diskographie

Bibliographie

Einzelnachweise

  1. Weitere Informationen zum Leben von Jeanne Demessieux sind in Trieu-Colleney 1977, Welzel 2005 und Demessieux 2009 zu finden
  2. Cavanagh 2005.
  3. Jeanne Demessieux vermied es zeitlebens, zu fliegen, geprägt durch den Tod der französischen Violinistin Ginette Neveu, die bei einem Flugzeugabsturz 1949 auf dem Weg in die Vereinigten Staaten ums Leben kam. Vgl. Cavanagh, S. 26.
  4. Nach 1958 kehrte Demessieux nie wieder in die USA zurück, um stets in Reichweite ihrer pflegebedürftigen Eltern sein zu können. Vgl. Cavanagh 2004, S. 30.
  5. Ellis 1995.
  6. Auf Bitte von Marcel Dupré 1945 unterrichtete Jeanne Demessieux Marie-Madeleine Duruflé privat in Fuge, Kontrapunkt und Orgel, um sie für die Aufnahmeprüfung in Duprés Orgelklasse am Pariser Konservatorium vorzubereiten. Vgl. Chevalier 2020, S. 40.
  7. Cavanagh 2004, S. 28.
  8. Bilder vom Demessieux-Familiengrab in Aigues-Mortes auf der Website "Musica et Memoria" (abgerufen am 11. Februar 2021).
  9. Jeanne Demessieux – The Decca Legacy (abgerufen am 18. Februar 2021).
VorgängerAmtNachfolger
Édouard MignanTitularorganist der Orgel von La Madeleine
1962–1968
Odile Pierre