Junges Polen (polnisch Młoda Polska) ist die Bezeichnung für eine Richtung des Modernismus in der polnischen Literatur, Musik und Kunst. Das Junge Polen existierte als Gruppe von Künstlern in den Jahren 1890 bis 1918.

Den Begriff Junges Polen führte 1898 der Literaturkritiker Artur Górski (1870–1959) ein. Górski kritisierte in einem programmatischen Manifest die nach der Niederschlagung des Januaraufstands von 1863 einflussreich gewordene Strömung des literarischen polnischen Positivismus in Polen und stellte ihm ein literarisches Programm junger Künstler entgegen. Als der „Meister“ der kurzlebigen Bewegung gilt der vielseitige Stanisław Wyspiański.[1]

Diese kulturpessimistische künstlerische und literarische Gegenbewegung gegen den polnischen Positivismus hatte sich schon länger in Krakau vorbereitet. Die Stadt und ihr Umland hatten den 1815 verliehenen Status eines Freistaats 1846 wieder verloren und Krakau war als Teil des rückständigen österreichischen Galiziens zu einer Provinzstadt geworden. Im Zuge der Liberalisierung und Modernisierung der Habsburger Monarchie entfaltete sich dort jedoch schon in den späten 1860er Jahren ein polnisches Kulturleben. Auch das benachbarte Zakopane hatte als Wohnsitz und Sommerfrische vieler Künstler Teil an dieser Entwicklung.

Die seit 1890 auch andere Teile Polens erfassende dynamische jungpolnische Bewegung war geprägt durch Tendenzen der Dekadenz und durch Anleihen bei Neoromantik, Symbolismus, Impressionismus und Secession. Der Literaturkritiker Kazimierz Wyka charakterisiert die in dieser Phase vorherrschende Stimmungsliteratur als „Pessimismus, Melancholie, Willenlosigkeit, Ohnmacht, Zerfall von Idealen und Werten, philosophischer Unglaube, Passivität“.[2]

In der Literatur

Gattungen

Lyrik

Nichtfiktionales

Prosa

Schauspiel

Weitere wichtige Persönlichkeiten

Die norwegische Schriftstellerin Dagny Juel-Przybyszewska, Ehefrau Stanisław Przybyszewskis, wird ebenfalls als Vertreterin der Bewegung angesehen.

Bedeutende Literaturkritiker, die das Junge Polen gefördert haben, waren Ignacy Matuszewski, Wilhelm Feldman und Stanislaw Brzozowski. Zenon Przesmycki hat als Übersetzer zur Rezeption von Baudelaire, Verlaine, Poe und Swinburne beigetragen.

Chłopomania

In die Zeit des Jungen Polen fällt die gelegentlich als Chłopomania („Bauernbesessenheit“, „Bauernkult“) bezeichnete Begeisterung, von der um die Wende zum 20. Jahrhundert viele polnische Intellektuelle – besonders Künstler und Schriftsteller – erfüllt waren. Diese waren von der Ursprünglichkeit, Vitalität und Natürlichkeit des dörflichen Lebens und der bäuerlichen Kultur angezogen und feierten im polnischen Bauerntum ein Gegenmodell zur städtischen Zivilisation.[3]

Lucjan Rydel mit Frau und Kindern

Ein frühes Beispiel, das allerdings bereits einen kritischen Impetus hat, ist Stanisław Wyspiańskis Drama Die Hochzeit (Wesele, 1901). Zwei Freunde von Wyspiański – der Maler Włodzimierz Tetmajer und der Schriftsteller Lucjan Rydel – hatten Bauerntöchter geheiratet und sich auf dem Dorf niedergelassen.[3] Auch Wyspiański selbst hatte 1900 die auf einem Dorf geborene, von Bauern abstammende Teodora Teofila Pytko geheiratet.[4]

Władysław Reymonts Bauernroman Die Bauern (1902–1908) trägt deutliche Spuren der Chłopomania, ist von folkloristischen Stereotypen jedoch frei und arbeitet auch nicht auf eine Fraternisierung von Bauern und Intelligenz hin.[3] Einflüsse der Chłopomania sind auch bei Jan Kasprowicz erkennbar.[5]

Dokumentiert ist die Geschichte der Chłopomania unter anderem in Tadeusz Boy-Żeleńskis postum veröffentlichten Memoiren, Znaszli ten kraj? (1945).

Eine von Schriftstellern bäuerlicher Herkunft geschaffene Bauernliteratur entstand in Polen erst in der Zwischenkriegszeit (z. B. Stanisław Czernik, Stanisław Piętak).[3]

In der Kunst

In der Kunst wurde Junges Polen von Olga Boznańska, Artur Górski, Jacek Malczewski, Józef Mehoffer, Józef Pankiewicz, Władysław Podkowiński, Kazimierz Sichulski, Władysław Ślewiński und Leon Wyczółkowski vertreten.

In der Musik

In der Musik wurde Junges Polen von Grzegorz Fitelberg, Mieczysław Karłowicz, Ludomir Różycki und Karol Szymanowski vertreten.

Sonstige Bereiche

Literatur

Einzelnachweise

  1. Thomas Urban: Polen. 2. Auflage. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-44793-7, S. 136 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Karl Dedecius (Hrsg.): Nachwort zu: Polnische Prosa. Hanser, München 1969, S. 694.
  3. a b c d Birgit Krehl: „Bewirtschaftete Natur“ – Idyllisches im Roman Chłopi (Die Bauern) von Władysław Reymont. In: Yaraslava Ananka, Magdalena Marszalek (Hrsg.): Potemkinsche Dörfer der Idylle. Imaginationen und Imitationen des Ruralen in den europäischen Literaturen. Transkript, Bielefeld 2018, ISBN 978-3-8376-4281-0, S. 249–274, hier: S. 253 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. A Family Man: The pastel portraits of Stanislaw Wyspianski. Abgerufen am 20. Februar 2022.
  5. John Neubauer: Introduction. In: Marcel Cornis-Pope, John Neubauer (Hrsg.): History of the literary cultures of East-Central Europe. Band 3. John Benjamins Publishing Company, Amsterdam, Philadelphia 2007, ISBN 978-90-272-3455-1, S. 39–62, hier: S. 53 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).