Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Zum alten Zuchthaus in der Innenstadt (mit Verwendung als KZ und Tötungsanstalt) siehe Altes Zuchthaus Brandenburg an der Havel.
Luftaufnahme der JVA, 2022
Informationen zur Anstalt
Name
Justizvollzugsanstalt Brandenburg a. d. Havel
Bezugsjahr
1931
Haftplätze
413
Mitarbeiter
314
Die Justizvollzugsanstalt Brandenburg a. d. Havel (abgekürzt JVA Brandenburg a. d. Havel), ehemals Strafanstalt Brandenburg-Görden (allgemein als Zuchthaus Brandenburg-Görden bekannt), ist eine Justizvollzugsanstalt des Landes Brandenburg in Brandenburg an der Havel, im Stadtteil Görden. In ihr sind männliche erwachsene Straftäter mit bis zu lebenslangen Freiheitsstrafen und Untersuchungshäftlinge untergebracht. Sie wurde von 1927 bis 1935 als eine der damals modernsten Haftanstalten Europas für etwa 1800 Häftlinge als Nachfolger des Alten Zuchthauses Brandenburg an der Havel errichtet.
Aktuelle Situation
Eingangsgebäude mit Zufahrt (2022)
Die JVA Brandenburg ist ausschließlich mit männlichen Strafgefangenen belegt und gliedert sich heute in drei Vollzugsabteilungen, eine sozialtherapeutische Abteilung und eine Krankenabteilung.
Derzeit verfügt die Justizvollzugsanstalt (JVA) über eine Belegungsfähigkeit von 88 Haftplätzen für erwachsene Untersuchungsgefangene, 330 Haftplätzen für erwachsene Strafgefangene, 80 Haftplätzen in der sozialtherapeutischen Abteilung (SOTHA), 100 Haftplätzen für erwachsene Strafgefangene im offenen Vollzug und 36 Schlafplätzen in der Transportabteilung. Hinzu kommen 32 Belegungsplätze im Haftkrankenhaus, welches das einzige seiner Art im Land Brandenburg ist. Außerdem betreibt das Haftkrankenhaus eine externe Station im Städtischen Klinikum der Stadt Brandenburg an der Havel.
In der JVA Brandenburg an der Havel werden Freiheitsstrafen bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe sowie Untersuchungshaft für den Gerichtsbezirk des Landgerichts Potsdam vollstreckt. Insgesamt sind 314 Mitarbeiter angestellt, davon 220 im Vollzugsdienst.
Bis 2014 wurde die gesamte JVA renoviert und sicherheits- und ausstattungstechnisch auf den neuesten Stand gebracht. Diese Renovierung wurde bei laufendem Betrieb durchgeführt, wobei nur eine geringe Anzahl der Inhaftierten in andere brandenburgische Haftanstalten, beispielsweise die Justizvollzugsanstalt Cottbus-Dissenchen und Justizvollzugsanstalt Neuruppin-Wulkow, verlegt werden mussten.
Geschichte
Altes Zuchthaus Neuendorfer Straße (1928)Hauptgebäude Strafanstalt Brandenburg-Görden (1931)
In dem seit Mitte des 19. Jahrhunderts bestehenden Zuchthaus an der Neuendorfer Straße herrschten katastrophale hygienische Zustände, die zum Neubau der Strafanstalt im Stadtteil Görden führten. Dieser Neubau, in dem auch die heutige JVA besteht, wurde in der Zeit von 1927 bis 1935 als Musteranstalt des „humanen Strafvollzugs“ konzipiert und errichtet. Das alte Zuchthaus wurde dann 1931 geschlossen.
In der DDR saßen in der Strafanstalt insbesondere Häftlinge, die wegen Tötungsdelikten zu Strafen ab fünf Jahren, z. T. bis zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden waren. Dort wurden aber auch politische Häftlinge inhaftiert, deren Strafe oft unter fünf Jahren lag. Vor dem Hintergrund des chronischen Mangels an Arbeitskräften in der DDR-Volkswirtschaft waren spätestens ab den 1960er-Jahren fast alle arbeitsfähigen Strafgefangenen zur Haftarbeit für lokale Betriebe verpflichtet. Dafür wurden auf dem zuletzt 90 Hektar umfassenden Gefängniskomplex Produktionshallen für Betriebe wie das Getriebewerk Brandenburg errichtet. Dort arbeiteten die Gefangenen – unter ihnen war der Anteil an politischen Gefangenen besonders hoch[7] – unter Anleitung von Betriebsangestellten und durch das Gefängnispersonal überwacht im Drei-Schicht-Betrieb.[8] Auf Grundlage der Ausbeutung der Arbeitskraft der Häftlinge entstand so ein kleines „Wirtschaftsimperium“.[9]
Gedenkstätte
Seit 1949 gibt es Gedenkräume in der Strafanstalt Brandenburg, die sich heute innerhalb des Komplexes der Justizvollzugsanstalt Brandenburg a. d. Havel befinden. Sie gehören als Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden zur Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Im Jahr 1975 wurden die Räumlichkeiten im Zuge der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestages der Befreiung des Zuchthauses durch die Rote Armee grundlegend umgestaltet. Das 1947 errichtete Ehrenmal für die im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichteten antifaschistischen Widerstandskämpfer auf dem Brandenburger Marienberg wurde in diesem Zuge für Massenkundgebungen mit bis zu 100.000 Teilnehmenden erweitert. Seit April 2018 beherbergt das ehemalige Direktorenwohnhaus der Strafanstalt eine Dauerausstellung über die Geschichte des Zuchthauses.[10] Nach einer kurzen Einführung in die Entstehungszeit des Zuchthauses in der Weimarer Republik legt die Ausstellung einen Fokus auf die Zeit des Nationalsozialismus und die DDR. Eine Medienstation informiert über den Strafvollzug in der Gegenwart.[11] Der Gedenkort in der heutigen Justizvollzugsanstalt ist in seiner Gestaltung nahezu unverändert. Schilder weisen auf die einzelnen Gestaltungselemente hin und ordnen sie historisch ein. Seit 2018 gibt es hier außerdem zwölf exemplarische Biografien von Hinrichtungsopfern sowie eine Projektion der Namen aller bekannter Opfer. Während die Dauerausstellung im Direktorenwohnhaus regelmäßig geöffnet ist, muss ein Besuch der ehemaligen Hinrichtungsstätte im Vorfeld angemeldet werden, da diese sich auf dem Gelände der heutigen Justizvollzugsanstalt befindet.[12] Die Gedenkstätte bietet auch außerhalb der Öffnungszeiten Führungen sowie Studientage für Schulklassen, Jugendgruppen, Auszubildende und Studierende an.[13]
Liste von im Zuchthaus hingerichteten oder verstorbenen Personen
Bernhard Bästlein: In Brandenburg hingerichtet (DDR-Briefmarke, 1964)Franz Jacob: In Brandenburg hingerichtetAnton Saefkow: In Brandenburg hingerichtet – nach ihm ist die Straße Anton-Saefkow-Allee vor der Justizvollzugsanstalt benannt (DDR-Briefmarke, 1964)
Die Liste ist nicht auf Vollständigkeit ausgelegt. Die Sortierung erfolgt lexikalisch nach dem Nachnamen.
A
Otto Adam, Widerstandskämpfer, am 15. November 1943 hingerichtet
Bernhard Almstadt, Kommunist und Widerstandskämpfer, am 6. November 1944 hingerichtet
Walther Arndt, Zoologe, am 26. Juni 1944 hingerichtet
Jean Arnolds, katholischer Geistlicher, am 28. August 1944 hingerichtet
Friedrich Aue, Kommunist und Widerstandskämpfer, am 27. November 1944 hingerichtet
B
Gustav Basse, Unternehmer, Kommunist und Widerstandskämpfer, am 6. November 1944 hingerichtet[20]
Willi Bänsch, Widerstandskämpfer, am 11. Dezember 1944 hingerichtet
Bernhard Bästlein, Kommunist und Widerstandskämpfer, am 18. September 1944 hingerichtet
Sylvia de Pasquale, Sebastian Nagel (Hrsg.): Auf dem Görden. Die Strafanstalt Brandenburg im Nationalsozialismus (1933–1945) und in der DDR (1949–1990). Eine Ausstellung am historischen Ort. Metropol, Berlin 2020, ISBN 978-3-86331-513-9.
Tobias Wunschik: Honeckers Zuchthaus. Brandenburg-Görden und der politische Strafvollzug der DDR 1949–1989. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2018, ISBN 978-3-525-35124-6.
Sylvia de Pasquale: Zwischen Resozialisierung und „Ausmerze“. Strafvollzug in Brandenburg an der Havel (1920–1945). Metropol, Berlin 2013, ISBN 978-3-86331-115-5.
Leonore Ansorg: Politische Häftlinge im nationalsozialistischen Strafvollzug: Das Zuchthaus Brandenburg-Görden. Metropol, Berlin 2015, ISBN 978-3-86331-246-6.
Leonore Ansorg: Politische Häftlinge im Strafvollzug der DDR: Die Strafvollzugsanstalt Brandenburg. Metropol, Berlin 2005, ISBN 3-938690-21-6.
↑ abAnnette Kaminsky (Hrsg.): Orte des Erinnerns: Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR. Ch. Links Verlag, 2. Aufl. 2007, Seite 156. (online), gibt die Anzahl der zwischen 1940 und 1945 im Zuchthaus Brandenburg-Görden Hingerichteten mit 2743 Menschen an.
↑Annette Kaminsky (Hrsg.): Orte des Erinnerns: Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR. Ch. Links Verlag, 2. Aufl. 2007, Seite 156. (online)
↑Marcus Herrberger: Denn es steht geschrieben: „Du sollst nicht töten!“ Verlag Österreich, Wien 2005. S. 384–418.
↑Tobias Wunschik: Honeckers Zuchthaus. Brandenburg-Görden und der politische Strafvollzug der DDR 1949–1989 (= Analysen und Dokumente des BStU. Nr.51). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2018, ISBN 978-3-525-35124-6, S.588f.
↑Tobias Wunschik: Honeckers Zuchthaus. Brandenburg-Görden und der politische Strafvollzug der DDR 1949–1989 (= Analysen und Dokumente des BStU. Nr.51). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2018, ISBN 978-3-525-35124-6, S.485, 489.
↑Tobias Wunschik: Honeckers Zuchthaus. Brandenburg-Görden und der politische Strafvollzug der DDR 1949–1989 (= Analysen und Dokumente des BStU. Nr.51). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2018, ISBN 978-3-525-35124-6, S.922.
↑Hermann Weber: Damals, als ich Wunderlich hieß: vom Parteihochschüler zum kritischen Sozialisten: die SED-Parteihochschule „Karl Marx“ bis 1949. Aufbau-Verlag, 2002, ISBN 3-351-02535-1.
↑ abcdeJohannes Tuchel: Die Todesurteile des Kammergerichts 1943 bis 1945 : eine Dokumentation. Lukas Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-86732-229-4.
↑Im Jahr 1946 wurden zahlreiche Urnen mit der Asche von hingerichtetenWiderstandskämpfern aus den damaligen Berliner Bezirken Lichtenberg, Kreuzberg und Prenzlauer Berg auf den Zentralfriedhof Friedrichsfelde überführt, von denen besonders viele im Zuchthaus Brandenburg-Görden enthauptet und im Krematorium Brandenburg verbrannt worden waren. Ihre sterblichen Überreste fanden in der 1951 eingeweihten Gedenkstätte der Sozialisten (Urnensammelgrab bei der großen Porphyr-Gedenktafel auf der rechten Seite der Ringmauer) ihren endgültigen Platz. Neben Friedrich Krummel erhielten auf diese Weise auch viele andere Widerstandskämpfer eine würdige Grabstätte und einen Gedenkort. (Siehe Joachim Hoffmann: Berlin-Friedrichsfelde. Ein deutscher Nationalfriedhof. Das Neue Berlin, Berlin 2001, ISBN 3-360-00959-2, S. 168.)
↑Ernst Bornemann: Brücke zur Welt: die Übersee-Funkempfangsstelle Lüchow-Woltersdorf: eine Chronik von 1938 bis 1988. Projekte-Verlag Cornelius, 2008, ISBN 978-3-86634-485-3.
↑James Irvin LichtiHouses on the Sand?: Pacifist Denominations in Nazi Germany, 2008, S. 65 – „Albert Merz was executed in Brandenburg military detention prison on April 3, 1941.“
↑ abMarcus Herrberger: Denn es steht geschrieben: „Du sollst nicht töten!“: die Verfolgung religiöser Kriegsdienstverweigerer unter dem NS-Regime mit besonderer Berücksichtigung der Zeugen Jehovas (1939–1945). Österreich, 2005, ISBN 3-7046-4671-7, S.43.
↑Fritz Wilhelm: Sie kämpften für ein besseres Deutschland-Aufzeichnungen über den antifaschistischen Widerstandskampf im Kreis Liebenwerda. Hrsg.: Kreiskommission zur Erforschung der örtlichen Geschichte der Arbeiterbewegung bei der Kreisleitung der SED Bad Liebenwerda. S.89.
↑Johannes Tuchel: Die Todesurteile des Kammergerichts 1943 bis 1945: Eine Dokumentation. Lukas Verlag, 2016, ISBN 978-3-86732-229-4, S.65.