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Pastoralbriefe nennt man drei Episteln im Neuen Testament, nämlich den Ersten und Zweiten Timotheusbrief sowie den Titusbrief. Die Briefe heißen Pastoralbriefe (lat. pastor „Hirte“, also Briefe die nicht an eine Gemeinde, sondern an einen einzelnen „Hirten“ adressiert waren), weil sie nicht, wie die meisten anderen Paulusbriefe, an ganze Gemeinden geschrieben wurden, sondern an Einzelpersonen (nämlich an Timotheus und Titus) gerichtet sind, die in Gemeinden pastorale Aufgaben hatten; insofern sind sie keine Privatbriefe wie etwa der Brief an Philemon („Tritopaulinen“ oder „tritopaulinisch“).

Die Briefe geben an, von Paulus von Tarsus verfasst zu sein. Seit dem frühen 19. Jahrhundert wurde dieser Anspruch bezweifelt. Heute nehmen viele Neutestamentler an, dass es sich um Pseudepigraphen handelt, d. h., dass sie nicht von Paulus selbst, sondern Jahre oder Jahrzehnte nach seinem Tod von einem oder mehreren seiner Schüler unter dessen Namen verfasst wurden.

Viele Verteidiger der Echtheit der Pastoralbriefe versuchen, Unterschiede zu den anderen Paulusbriefen durch eine „Sekretärshypothese“ zu erklären, wie sie von Heinrich August Schott 1830 eingeführt wurde.[1]

Die Echtheitsfrage der Pastoralbriefe

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Zweifel an der paulinischen Verfasserschaft

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In den heute gängigen Lehrbüchern zur Einleitung in das Neue Testament wird die paulinische Verfasserschaft der Pastoralbriefe bestritten. Folgende Argumente werden dabei gegen die Echtheit der Pastoralbriefe vorgebracht:

  1. Sprache und Stil passen nicht zu dem Sprachstil der unbestritten echten Gemeindebriefe des Paulus (Röm, 1.Kor, 2.Kor, Gal, 1.Thess, Phil, Phlm).
  2. Die Orts-, Zeit- und Personenangaben passen nicht zu der uns bekannten Chronologie des Lebens und Wirkens des Paulus.
  3. Die in den Pastoralbriefen angeschriebenen Gemeinden sind weiter entwickelt und in ihren Ämtern differenzierter als zu der Zeit des Paulus.
  4. Die in den Briefen bekämpften Irrlehrer passen eher zu den Häretikergruppen des 2. Jahrhunderts als zu den Gegnern, die in apostolischer Zeit auftraten; zudem werden sie in den Pastoralbriefen weniger argumentativ denn polemisch und somit anders bekämpft, als es Paulus tat.
  5. Die theologische Lehre in den Briefen und die von daher entworfene Ethik stehen nicht im Einklang mit der rekonstruierten Lehre und Ethik des Paulus. Es gibt neue theologische Begriffe wie „gutes Gewissen“ und „gesunde Lehre“. Auffällig ist auch die Stellung zur Tradition. Paulus verarbeitet die Tradition, in den Pastoralbriefen wird sie nur übernommen und eingeübt. Ein wichtiger Punkt ist die Kirchenordnung.
  6. Die Bezeugung der Pastoralbriefe in der Textüberlieferung ist auffällig. Die Pastoralbriefe fehlen in 46, Codex Vaticanus und auch Marcion hat sie nicht in seinem Kanon aufgenommen.[2]
  7. Paulus wird in den Pastoralbriefen als einzige Autorität überhöht. In den unumstritten echten Briefen ist dies nicht der Fall.

Demnach sind die Pastoralbriefe von einem Paulusschüler geschrieben, dem die echten Paulusbriefe vorlagen, wahrscheinlich schon als frühe Form des Corpus Paulinum.

Argumente für die paulinische Verfasserschaft

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Ein Teil der Neutestamentler weicht von der dargestellten Mehrheitsmeinung der neutestamentlichen Wissenschaft ab. Sie sind der Meinung, dass die Pastoralbriefe, einzeln untersucht und mit den einzelnen unbestrittenen Paulusbriefen verglichen, diesen durchaus nahestehen, so dass eine gemeinsame Verfasserschaft als plausibel erscheint:

  1. Untersuchungen des Sprachstils von 1.Tim, 2.Tim und Tit kommen zu dem Ergebnis, dass 2.Tim stilistisch sogar näher an Röm, Phil oder Gal herankommt als etwa 1.Kor. Anscheinend verwendet der Verfasser in 1.Tim und Tit den damals für einen Vorgesetzten gegenüber seinen bevollmächtigten Delegaten üblichen Sprachstil, um diesen zu beauftragen und zu instruieren. – Anthony Kenny kommt mit Hilfe stilometrischer Untersuchungen zum Schluss, dass im Corpus Paulinum alle Briefe außer dem Titusbrief einen verwandten Stil repräsentieren, der einem gewandten Autor zuzutrauen sei. Der Titusbrief weiche zu stark vom Stil des Verfassers der übrigen Paulusbriefe ab.[3] – Nach den sprachstatistischen Untersuchungen von Eta Linnemann weichen die Pastoralbriefe nicht grundsätzlich von den anderen Paulusbriefen ab; ein Unterschied ergibt sich aufgrund ihrer Kürze.[4]
  2. Es ist möglich, die drei Briefe an Mitarbeiter des Apostels innerhalb der uns bekannten Wirkungszeit des Apostels Paulus unterzubringen. Vor allem die längere Zwischenreise[5] einschließlich Überwinterung[6] von Ephesus über Mazedonien und Achaja und wieder nach Kleinasien/Ephesus zurück bietet für 1.Tim und Tit eine gute Datierungsmöglichkeit. 2.Tim passt in die erste oder in eine uns unbekannte, aber von manchen frühen Kirchenvätern bezeugte zweite Gefangenschaft des Apostels in Rom. Der Titusbrief lässt sich in die Romreise des Paulus einfügen: Paulus hat Titus in Kreta zurückgelassen (Tit 1,5) und gibt ihm vom Kephallenia (Melite)[7] aus weitere Anweisungen zum Gemeindeaufbau.
  3. Die Pastoralbriefe gehen nicht polemischer mit Gegnern um als der „echte“ Paulus.[8] Der Unterschied kann mit den unterschiedlichen Adressaten, Gemeinde oder Mitarbeiter, begründet werden. Mitarbeitern gegenüber wird Theologie nicht entfaltet, sondern als erlernt vorausgesetzt (2.Tim 3,14–17). Außerdem zeigen neuere Vergleiche, dass die in den Pastoralbriefen attackierten Gegner den Gegnern sehr ähnlich sind, die in den allgemein als echt geltenden Paulusbriefen bekämpft werden.
  4. Die Organisation der Gemeinden der Pastoralbriefe erscheint auch in früher Zeit vorstellbar. Der 2.Tim hat noch weniger Interesse an entwickelten Gemeinde- und Leitungsstrukturen als etwa Phil 1,1 EU; Phil 3,17 ff EU oder 1. Kor. 16,15–18 EU. Und Tit und 1.Tim haben kein Interesse daran, Gemeinde ausdrücklich – wie etwa in 1. Kor. 16,15ff EU – den Leitern „unterzuordnen“. Alle ihre Angaben zu Gemeinde und Gemeindeleitung weisen nicht in eine spätere Zeit, sondern sind nur anders als in Gemeindebriefen, weil sie für Mitarbeiter geschriebene Instruktionen zur Organisation von Gemeindeleitung sind. Solche Organisation setzt etwa Phil 1,1 als längst abgeschlossen schon voraus. Sie liegt zeitlich vor den Gemeindebriefen, in denen Paulus bereits organisierte Gemeinden anschreibt (vgl. Apg 14,23 EU). In Gemeindebriefen schreibt er nirgends zu der Frage: Wie sollt ihr Gemeindeleitung organisieren? Er fordert in den Gemeindebriefen sogar strenger als in den Pastoralbriefen „Unterordnung“ der Gemeinde im Konfliktfall unter die Gemeindeleiter (1. Kor. 16,10f.15ff EU).
  5. Inwieweit die Theologie und die Ethik der Pastoralbriefe „paulinisch“ ist: Die weniger radikal wirkende Ethik der Pastoralbriefe muss nicht als „bürgerliche“ Anpassung an die Gesellschaft gesehen werden, sondern sollte einladend auf die Nichtchristen wirken (im Sinne von 1.Thess 4,1ff; 1.Kor 9,19ff; 10,32f; Phil 2,1ff; 4,8–9) und auf eine positive Veränderung der Gesellschaft hinwirken (durch den Glauben, die Hoffnung und die Liebe der Christen, wie es schon Jesus in der Bergpredigt ähnlich fordert). Im Phil etwa wird auch kaum mehr Naherwartung erkennbar als in den Pastoralbriefen (vgl. etwa Phil 4,5 – mehr finden wir in Phil kaum – mit 1.Tim 5,21ff; 6,13–20).
  6. Die einzigartige Autorität des Paulus in den Pastoralbriefen beruhe auf seiner singulären Rolle als einziger, von Christus berufener Heidenapostel (Röm 1,1–7 EU; Gal 1–2 EU). In Phil 3,17; 4,9 sowie im ganzen Phil gibt es gleich nach Christus keine andere oder höhere, normative Autorität für die Adressaten als allein Paulus, selbst über seinen möglichen Tod hinaus (Phil 2,12–18). Genau diese einzigartige Autorität im Heilsplan Gottes vertritt Paulus als Heidenapostel und Gemeindegründer auch in 1 Kor 1,1; 4,1–21; 11,1–2; 16,10–18. Ausgerechnet in Tit aber wird sie nach Tit 1,1–4 vollkommen zurückgenommen. Der Apostel „verschwindet“ im Wir-Stil sowie im „Du ordne an“-Stil völlig (anders 1 Tim 1–3 und 5,14ff: Ich-ordne-an-Stil; 2 Tim fehlt beides). Im Gegensatz zu 1 Kor 4,16–17; 7,17; 11,1–2; 11,16; 11,23; 15,1ff erscheint er in Tit auch nirgends als Vermittler einer heiligen oder heilsnotwendig zu bewahrenden Tradition. Es gibt „das“ Bild „des“ überhöhten Paulus in „den“ Pastoralbriefen gar nicht. Sätze wie Phil 3,17 und 4,9 finden wir in ihnen nicht: „Folgt mir, liebe Brüder, und seht auf die, die so leben, wie ihr uns zum Vorbild habt… Was ihr gelernt und empfangen und gehört und gesehen habt an mir, das tut; so wird der Gott des Friedens mit euch sein.“

Unterschiede

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Die drei Pastoralbriefe weisen untereinander erhebliche Unterschiede auf:

Literatur

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Allgemein

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Zur Lukas-Hypothese

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Contra:

Pro:

Kommentare

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Echtheitskritik

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Zur Christologie der Pastoralbriefe

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Anmerkungen

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  1. Heinrich August Schott: Isagoge historico-critica in libros Novi Foederis sacroshttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3D~IA%3Disagogehistoric01unkngoog~MDZ%3D%0A~SZ%3Dn341~doppelseitig%3D~LT%3DIsagoge%20historico-critica%20in%20libros%20Novi%20Foederis%20sacros~PUR%3D, Jena 1830, S. 324ff. (lat.)
  2. Hans Conzelmann, Andreas Lindemann: Arbeitsbuch zum Neuen Testament. 10. Aufl. § 33, S. 279
  3. Anthony Kenny: A Stylometric Study of the New Testament. Clarendon Press, Oxford 1986, S. 1.
  4. Eta Linnemann: Bibelkritik auf dem Prüfstand. 3. Auflage. VTR, Nürnberg 2012, ISBN 978-3-933372-19-2 (164 S.).
  5. In 1. Kor. 4,18 EU; 11,34; 16,1ff angekündigt und in 2. Kor. 12,14 EU; 13,1f bereits als zurückliegend erwähnt.
  6. Winter – 1. Kor. 16,6 EU; Winterquartier steht noch nicht fest – Tit 3,13; Quartier steht fest – 2. Kor. 9,2 EU; Überwinterung ist längst Vergangenheit.
  7. Heinz Warnecke; Thomas Schirrmacher: Paulus im Sturm. Über den Schiffbruch der Exegese und die Rettung des Apostels auf Kephallenia. 2. Auflage. VTR, Nürnberg 2000, ISBN 3-933372-29-1 (183 S.).
  8. z. B. in Phil oder 1.Thess oder in Röm 16,17–20; Gal 1,8; 1.Kor 5,9–11 u.ö.