Pierre Deligne, März 2005

Pierre René Vicomte Deligne (* 3. Oktober 1944 in Etterbeek, Region Brüssel-Hauptstadt) ist ein belgischer Mathematiker. Berühmt wurde er durch seinen vollständigen Beweis der Weil-Vermutungen.

Leben

Deligne besuchte schon als Gymnasiast (auf dem ihm mit 14 Jahren ein Mathematiklehrer die Mengenlehre von Nicolas Bourbaki zur Lektüre gab) mit sechzehn Jahren Mathematikkurse an der Université Libre de Bruxelles unter anderem bei Jacques Tits. Er war danach an der Université Libre de Bruxelles, verbrachte aber einen großen Teil seines vierjährigen Studiums in Paris, wo er dem Rat von Tits folgend am Institut des Hautes Études Scientifiques (IHES) am Seminar von Alexander Grothendieck teilnahm und am Collège de France die Vorlesungen von Jean-Pierre Serre besuchte. Zu den Prüfungen kehrte er jeweils nach Brüssel zurück und verbrachte nach dem Studium 1966 seinen Wehrdienst bei Bonn (wobei er auch die Mathematische Arbeitstagung in Bonn besuchte, ansonsten aber wenig dazu kam Mathematik zu betreiben).[1] Danach war er wieder am IHES bei Grothendieck, der ihn zur Ausarbeitung seiner Seminarvorträge vergangener Jahre heranzog. 1968 promovierte er in Brüssel bei Grothendieck (Théorème de Lefschetz et critères de dégénérescence de suites spectrales). Er blieb am IHES und wurde dort 1970 Professor und ständiges Mitglied. Neben Grothendieck arbeitete er auch mit Serre zusammen (über l-adische Darstellung von Modulformen und Funktionalgleichungen von L-Funktionen) und mit David Mumford. Nachdem er mehrfach Gastprofessor am Institute for Advanced Study war (1972/73, 1976/77, 1981/2), war er dort ab 1984 ständiges Mitglied. 2008 wurde er emeritiert.

In seine Zeit beim IHES fiel auch sein Beweis der Weil-Vermutungen (speziell des Analogons der Riemann-Vermutung für algebraische Varietäten über endlichen Körpern) und der Beweis der Ramanujan-Petersson-Vermutung aus der Theorie der Modulformen, die er auf die Weil-Vermutungen zurückführte. Wesentlich für den Beweis der Riemann-Vermutung in den Weil-Vermutungen war die Beschäftigung mit Modulformen, zu denen er über die Vorlesungen von Jean-Pierre Serre geführt wurde, der ihn auch 1969 zu seinem ersten Vortrag im Séminaire Nicolas Bourbaki über die Theorie von Gorō Shimura anregte. Im Rahmen des Grothendieckschen Forschungsprogramms arbeitete er an Fragen der Hodge-Theorie (Mixed Hodge Theory), Kategorientheorie und der Theorie der Motive (von ihm stammt das Konzept der gemischten Motive). Er beschäftigte sich später auch mit der Monodromie von linearen Differentialgleichungen, der Darstellungstheorie endlicher Gruppen, Grassmann-Varietäten und der Deformations-Quantisierung. 1980 gab er einen Beweis (Weil II) einer noch viel allgemeineren Version der Riemannschen Vermutung für Varietäten über endlichen Körpern.

Mit Alexander Beilinson, Joseph Bernstein, Ofer Gabber führte er Anfang der 1980er Jahre perverse sheaves ein und bewies das Decomposition Theorem und andere Eigenschaften für spezielle perverse Garben.[2] Diese bis Anfang der 1980er Jahre bewiesenen Sätze wurden als wesentlicher Fortschritt mit vielen Anwendungen angesehen.

1974 hielt er einen Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress (ICM) in Vancouver (Poids dans la cohomologie des varietes algebriques), und 1970 war er Invited Speaker auf dem ICM in Nizza (Theorie de Hodges I).

Er ist seit 1980 mit Elena Alexeeva (Tochter des russischen Mathematikers V. M. Alexeev) verheiratet und hat zwei Kinder. Er war Anfang der 1970er Jahre erstmals in Moskau (zu einem Bankett zum 80. Geburtstag Winogradows), besuchte dort die Seminare von Israel Gelfand und Yuri Manin und kehrte regelmäßig dorthin zurück. Er unterstützte nach der Wende die Unabhängige Universität Moskau (ein Mathematikwettbewerb ist dort nach ihm benannt).

Auszeichnungen

Für sein Werk hat Deligne zahlreiche Preise bekommen. 1974 erhielt er den Francois Deruyts Preis der Belgischen Akademie der Wissenschaften und im selben Jahr die nach Henri Poincaré benannte Poincaré-Medaille der Französischen Akademie der Wissenschaften. Des Weiteren erhielt er 1978 die Fields-Medaille, 1988 den Crafoord-Preis (mit Grothendieck), 2004 den Balzan-Preis[3] und 2008 den Wolf-Preis (gemeinsam mit Phillip Griffiths und David Mumford). Er ist Mitglied der Französischen Akademie der Wissenschaften, der Accademia dei Lincei, der Königlichen Belgischen Akademie der Wissenschaften,[4] der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften, der National Academy of Sciences, der American Philosophical Society, der American Academy of Arts and Sciences und der Russischen Akademie der Wissenschaften.[5] 2003 wurde er Ehrenmitglied der London Mathematical Society für seine monumentalen Beiträge zur algebraischen Geometrie. Im Jahr 2013 erhielt er den Abel-Preis.

Literatur

Schriften (Auswahl)

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Interview mit Robert MacPherson, Simons Foundation, 2012.
  2. Mark Andrea A. de Cataldo, Luca Migliorini: The Decomposition theorem, perverse sheaves and the topology of algebraic maps. In: Bulletin of the American Mathematical Society. Band 46, Nr. 4, 2009, S. 535–633, (Online).
  3. Pierre Deligne. Fondazione Internazionale Premio Balzan, abgerufen am 17. September 2023.
  4. Membre associé: Vicomte Pierre Deligne. Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique, abgerufen am 7. September 2023 (französisch).
  5. Auswärtige Mitglieder: Делинь, Пьер Рене (Deligne, Pierre René). Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 7. September 2023 (russisch).