2011

Sandra Mann (* 27. Oktober 1970 in Groß-Gerau) ist eine deutsche Künstlerin und Fotografin. In ihrem genreübergreifenden Werk befasst sie sich konzeptuell mit der Beziehung der Menschen zueinander, zur Natur, zur Umwelt, Tierwelt oder zur Genderthematik.[1][2] Ihre Arbeit ist durch die Erforschung der Grundlagen der Fotografie und Bildsprache[3] geprägt. 2021 wurde sie mit der Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main ausgezeichnet.

Leben

Sandra Mann studierte Kunstgeschichte an der Universität Frankfurt und Visuelle Kommunikation bei Heiner Blum, Rudolf Bonvie und Lewis Baltz an der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main. Noch während des Studiums erwarb Jean-Christophe Ammann für das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt mehrere ihrer Arbeiten und stellte diese aus.[4] Durch Nebenjobs in Bars und Clubs finanzierte sie ihr Studium.[5] In dieser Zeit inszenierte sie Menschen aus dem Nachtleben, wie z. B. Türsteher, Barfrauen oder DJs, im Stil der Heiligendarstellung. Erste Aufträge von Musik- und Lifestyle-Magazinen folgten, ebenso wie Fotoaufträge für namhafte Firmen, (z. B. Atelier Markgraf, Daimler Chrysler/Lab01, Expo 2000). Es entstanden Plattencover,[6] Porträts, Modeaufnahmen und Fotoraumgestaltungen. Bekannt wurde Mann hierbei mit ihren Fotoimpressionen aus der Glamour- und Partywelt der Metropolen Paris, Mailand und New York.

Obwohl sie ihre Fotografien als Einzelwerke versteht, arrangiert sie diese in Ausstellungen oft zu Diashows und Wandinstallationen. Dadurch entstehen visuelle Assoziationsketten, welche die Bilder in Sinnzusammenhänge stellen, die das Denken der Künstlerin für den Betrachter präzisieren.

Werk

Mann bedient sich einer großen Bandbreite künstlerischer Ausdrucksformen. Ihr Schaffensschwerpunkt liegt dabei vor allem im Bereich der Fotografie. Sie forscht und arbeitet in verschiedenen Medienbereichen wie z. B. Rauminstallationen, Skulpturen, Videos, Multimediainstallationen, künstlerischen Interventionen[7] und Design.

Sandra mit Bart, Gender-Photographie 2000

Ein sich wiederholendes Element ihrer Arbeiten stellt das Beschäftigen mit Grenzen und deren Aufhebung dar. Die Durchmischung verschiedener Medienbereiche als Ausdrucksmittel ist Bestandteil ihrer inhaltlichen Auseinandersetzung damit. Eine ihrer ersten Videoarbeiten, das Musikvideo Biomechanik entstand für Anthony Rother. Sie fotografierte mit einer Nikon F3, seriell mit einem Motor. Anstatt zu filmen, ließ sie die Dias scannen und animieren, und erhielt durch diese Vorgehensweise ein Video in 35-mm-Qualität.[8] 2001 verwandelte sie einen leerstehenden Geschäftsraum in eine Schnakengedenkstätte.[9] Sie präsentierte stellvertretend für ein fiktives Bestattungsunternehmens die Mücken in kleinen Särgen, begleitet von reichhaltigem Buffet, Trauermusik und Kondolenzbuch, und gedachte damit in buddhistischer Art und Weise einem winzigen Insekt, das mehr als Plagegeist, denn als gedenkwürdiges Tier bekannt ist.

Ihren internationalen Durchbruch erzielte Sandra Mann im Jahr 2005 mit einer zweiten Version ihrer Arbeit Expedit.

Expedit II, Museo Universitario de Ciencias y Arte, Mexico City, Mexico, 2005

In der Ausstellung Morir de Amor im Museo Universitario de Ciencias y Arte in Mexiko-Stadt (MUCA) stellte sie u. a. mit Marina Abramović, Tracey Emin, Nikki S. Lee, Bas Jan Ader, Sophie Calle, Douglas Gordon, Félix González-Torres und Dominique Gonzalez-Foerster aus. Aus der Ferne scheint es sich bei Expedit auf den ersten Blick um eine Art abstraktes Gemälde mit Rahmen zu handeln. Bei näherer Betrachtung erkennt man, dass es sich um eine Installation in Form eines ordinären Ikea-Regals handelt, das die Künstlerin in eine Wand einbauen ließ und mit Schallplatten füllte. Das Regal und die Plattencoverrücken schauen nur 5 cm heraus, daher rührt der anfängliche Gemäldecharakter. Tritt man an das Werk heran, kann man lesen, dass es sich bei den Songs und Alben um Liebeslieder handelt, die das Wort Love beinhalten. Damit schaffte sie es, eines der größten Gefühle der Menschheit zu visualisieren, zu komprimieren und zu archivieren.[10]

Das Video „Balla Balla“ von 2005, zeigt auf den ersten Blick, eine Gruppe im Tschador verhüllter Frauen, die vor einem brachliegenden Industriegelände Fußball spielen. Der Betrachter wird durch die Bilder in die Irre geführt: Tatsächlich spielen die Frauen nicht im Nahen Osten, sondern in Frankfurt am Main, auf dem Gelände der leer stehenden Großmarkthalle. 2002 wurde das Gelände der Großmarkthalle von der Europäischen Zentralbank gekauft. Im Dritten Reich wurde sie als Deportierbahnhof jüdischer Kinder, Frauen und Männer genutzt. Bei den vermeintlichen Musliminnen handelt sich tatsächlich um eine deutsche Frauen-Fußballmannschaft diverser Religionszugehörigkeit, die souverän mit den Unannehmlichkeiten der übergestülpten Kultur umgeht. Dies wird durch die professionelle Spielweise ersichtlich. Das Video ist musikalisch mit dem Techno-Stück „Apricot“ von Sven Väth unterlegt, wodurch die Irritation des Betrachters – irgendetwas stimme hier nicht – verstärkt wird.[11]

Im Herbst 2008 widmete ihr die Vehbi Koç Foundation unter Kuration des Künstlers Ekrem Yalcindag in der Ausstellungshalle Operation Room des American Hospitals in Istanbul eine Ausstellung. Seit 2012 widmet sich Mann mit ihrer Serie Waldlife den Themen Diversität, Klimawandel und Naturschutz.[12]

Mann lebt in Frankfurt am Main, leitete die Fotoklasse an der AVA Academy of Visual Arts /Frankfurter Akademie für Kommunikation und Design[13][14] und unterrichtet seit 2011 Fotografie & Bildsprache an der European School of Design.[15]

Ihre Werke sind unter anderem im Museum für Moderne Kunst, in der Kunsthalle Mannheim, dem Tiroler Landesmuseum, im MUCA in Mexiko-Stadt, der Vehbi Koc Foundation im American Hospital in Istanbul und der Art Collection der Deutsche Börse Photography Foundation vertreten.[16]

Sandra Mann ist Mitglied im Deutschen Künstlerbund.[17] Sie war 2016/17 Kunstbotschafterin für die Stiftung Palmengarten und Botanischer Garten und ist seit 2017 Kunstbotschafterin für die Keep The World Foundation.[18][19][20]

Zitate

Ausstellungen und Projekte (Auswahl)

Stipendien, Auszeichnungen und Preise

Sammlungen (Auswahl)

Bibliographie (Auswahl)

Belege

  1. about. Abgerufen am 14. Februar 2021 (amerikanisches Englisch).
  2. aus "Sandra Mann Contando sin palabras" von Leonie Schilling, Arte Global/ArteAllimite, S. 126–131, No. 37, Julio-Agosto 2009, aus dem Text übersetzt
  3. Übersicht der Lehrenden, abgerufen am 18. Juni 2011 bei academy-of-visual-arts.de, PDF (Memento vom 11. November 2011 im Internet Archive)
  4. germangalleries.com
  5. artbooksheidelberg.de
  6. aus Sandra Mann von Alexander Antonakis, Sub Culture, 03.2006.
  7. aus "Transcending Transfiguration" von Ichiro Irie, RIM, Artist Magazine Mexico City & Los Angeles, No. 6, Autumn, 2004, aus dem Text übersetzt
  8. aus Nackt vorm Kirchenaltar von Claudia Buchenauer, Feuilleton, Darmstädter Echo, 16. Mai 2002.
  9. "Schnakenleiche auf der Menükarte" von Silke Hohmann und Sandra Danicke, Frankfurter Rundschau, 9. Juli 2001.
  10. aus Recorridos emocionales von cmedin, Reforma, Seccion Cultura, S. 26, 11. Juni 2005, und Morir de Amor, Pamela Echeverria, MUCA, 2005, ISBN 970-32-2716-3 aus dem Text übersetzt
  11. aus Die Kunst und das Tor, Frankfurter Rundschau, Journal, 06.2006.
  12. Veranstaltungen - Hanoi - Goethe-Institut Vietnam. Abgerufen am 8. Oktober 2019.
  13. farbenfabrik.info (Memento vom 16. Juni 2011 im Internet Archive)
  14. Stadtmagazin Frizz, März, 2011.
  15. werkschau jul 19 | european school of design. Abgerufen am 8. Oktober 2019 (deutsch).
  16. Sandra Mann bei der Deutsche Börse Photography Foundation. Abgerufen am 8. Oktober 2019.
  17. kuenstlerbund.de: Mitglieder "M" / Sandra Mann (abgerufen am 11. November 2015)
  18. Kunstauktion beim Frühlingsball. Abgerufen am 16. Februar 2021.
  19. Tanzen für die Schmetterlinge - Frankfurt hatte eine der wenigen rauschenden Ballnächte. Abgerufen am 16. Februar 2021.
  20. Botschafter - Keep the world. Abgerufen am 16. Februar 2021.
  21. bei der Buchpräsentation Daylife, im Museum für Moderne Kunst Frankfurt, am 3. Juni 2009, 19.00 Uhr
  22. openpr.de
  23. aus dem Einführungstext von Jean-Christophe Ammann, Nightlife, Kehrer Verlag Heidelberg, 2003.
  24. kunstaspekte.de
  25. wasmuth-museumsshop.de (Memento vom 12. Februar 2013 im Webarchiv archive.today)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt
  26. Arte Al Límite | Edición especial N° 90. Abgerufen am 8. Oktober 2019 (englisch).
  27. Sandra Mann. Abgerufen am 8. Oktober 2019 (spanisch).
  28. The Female Portrait bei der Deutsche Börse Photography Foundation. Abgerufen am 17. März 2022.
  29. http://www.kunsthalle-giessen.de/2017_mann.html
  30. „Waldlife“-Fotoarbeiten von Sandra Mann in der. Abgerufen am 8. Oktober 2019.
  31. kjubh - Ausstellungsraum - Köln. Abgerufen am 8. Oktober 2019.
  32. Art Initiatives Cologne | Arkadischer Wandel. Archiviert vom Original am 8. Oktober 2019; abgerufen am 8. Oktober 2019.
  33. The German Way of Life II - Städelschule. Abgerufen am 8. Oktober 2019 (englisch).
  34. Veranstaltungen - Hanoi - Goethe-Institut Vietnam. Abgerufen am 8. Oktober 2019.
  35. Veranstaltungen - Vietnam - Goethe-Institut Vietnam. Abgerufen am 8. Oktober 2019.
  36. HfG Offenbach - Waldlife: Artist talk mit Sandra Mann. Abgerufen am 8. Oktober 2019.
  37. QIPO FAIR 02, MEXICO CITY. Abgerufen am 16. Februar 2021 (amerikanisches Englisch).
  38. #laestaciongallery Instagram posts (photos and videos) - Picuki.com. Abgerufen am 16. Februar 2021 (englisch).
  39. B3 IN DEPTH WITH SANDRA MANN / JOHANNES GRENZFURTHNER. 8. April 2021, abgerufen am 25. Januar 2024 (amerikanisches Englisch).
  40. B3 in Depth - #2 Sandra Mann. Abgerufen am 25. Januar 2024 (deutsch).
  41. SANDRA MANN NETZ | WERKE & KOLLEKTIVES GEDÄCHTNIS. In: kvfm.de. 23. November 2021, abgerufen am 25. Januar 2024 (deutsch).
  42. Charity-Auktionsmatinée der KeepThe World Foundation mit Auktionatorin Nina Buhne, Sotheby`s. Abgerufen am 25. Januar 2024 (deutsch).
  43. ABOUT PLACE / Harris Gallery University of La Verne. 26. Februar 2022, abgerufen am 25. Januar 2024 (amerikanisches Englisch).
  44. About Place. Abgerufen am 25. Januar 2024 (amerikanisches Englisch).
  45. Künstlerin Sandra Mann: 100 Foto-Bälle für Los Angeles. 8. März 2022, abgerufen am 25. Januar 2024.
  46. I THOUGHT I WAS AN ALIEN - POLARRAUM HAMBURG 26.11.2022, 16h. 11. November 2022, abgerufen am 25. Januar 2024 (amerikanisches Englisch).
  47. EXHIBITIONS. Abgerufen am 25. Januar 2024.
  48. MILESTONES, SANDRA MANN / NIGHTLIFE PHOTO INSTALLATION. 2. März 2023, abgerufen am 25. Januar 2024 (amerikanisches Englisch).
  49. Homepage - MOMEM. 11. Januar 2023, abgerufen am 25. Januar 2024 (deutsch).
  50. Sonderausstellungen 2023 - Freilichtmuseum Hessenpark. Abgerufen am 25. Januar 2024 (deutsch).
  51. ARD AUDIOTHEK: HR-INFO DAS INTERVIEW. 29. März 2023, abgerufen am 25. Januar 2024 (amerikanisches Englisch).
  52. UPDATE GROUP EXHIBITION. 2. Mai 2023, abgerufen am 25. Januar 2024 (amerikanisches Englisch).
  53. Kultur an der Hauptwache: Apokalypse heißt Offenbarung und nicht Weltuntergang. Abgerufen am 25. Januar 2024.
  54. Peter Simmonds, Evelien M. Adriaenssens, F. Murilo Zerbini, Nicola G. A. Abrescia, Pakorn Aiewsakun, Poliane Alfenas-Zerbini, Yiming Bao, Jakub Barylski, Christian Drosten, Siobain Duffy, W. Paul Duprex, Bas E. Dutilh, Santiago F. Elena, Maria Laura García, Sandra Junglen, Aris Katzourakis, Eugene V. Koonin, Mart Krupovic, Jens H. Kuhn, Amy J. Lambert, Elliot J. Lefkowitz, Małgorzata Łobocka, Cédric Lood, Jennifer Mahony, Jan P. Meier-Kolthoff, Arcady R. Mushegian, Hanna M. Oksanen, Minna M. Poranen, Alejandro Reyes-Muñoz, David L. Robertson, Simon Roux, Luisa Rubino, Sead Sabanadzovic, Stuart Siddell, Tim Skern, Donald B. Smith, Matthew B. Sullivan, Nobuhiro Suzuki, Dann Turner, Koenraad Van Doorslaer, Anne-Mieke Vandamme, Arvind Varsani, Nikos Vasilakis: Four principles to establish a universal virus taxonomy. In: PLOS Biology. Band 21, Nr. 2, 13. Februar 2023, ISSN 1545-7885, S. e3001922, doi:10.1371/journal.pbio.3001922 (doi.org [abgerufen am 25. Januar 2024]).
  55. Arter. Abgerufen am 25. Januar 2024 (türkisch).
  56. Veranstaltungen - Hanoi - Goethe-Institut Vietnam. Abgerufen am 8. Oktober 2019.
  57. Frankfurt: Goetheplakette für Hans Zimmer und Sandra Mann. 12. Februar 2021, abgerufen am 12. Februar 2021.
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