Sonja Ulrike Finck (* 1978 in Moers) ist eine deutsch-kanadische literarische Übersetzerin und gelernte Artistin.

Leben und Werk

Sonja Finck mit dem Autor Ryad Assani-Razaki im Heine Haus Düsseldorf bei einer Lesung aus Iman am 19. März 2014

Sonja Finck ließ sich zunächst an der Zirkusschule „Le Lido“[1] in Toulouse zur Artistin ausbilden und finanzierte sich zwischen 1998 und 2004 als Jongleurin das Studium für literarisches Übersetzen an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seit 2004 arbeitet Finck als freie Übersetzerin von Romanen, Erzählungen, Theaterstücken, Dokumentarfilmen und wissenschaftlichen Texten und überträgt aus dem Französischen, Englischen und Spanischen ins Deutsche.

Schon in ihrer Diplomarbeit über Assia Djebar erörterte Sonja Finck die Übersetzung kritisch als eine oft angestrebte „Unsichtbarkeit“ und „Transparenz“ zwischen Originaltext und Rezeption, da die Ebene des Übersetzens zumeist eher unbemerkt bleiben solle. Ohne dieses vorherrschende Prinzip völlig verwerfen zu wollen, sei es jedoch wünschenswert, dass es „zugunsten eines differenzierten Modells aufgegeben“ werde, in dem die „Vermittlungsinstanz“ der Übersetzung deutlicher als eine solche erkannt werde.[2] In diesem Sinn wiederholte Finck in einem Interview mit der Zeitung Der Freitag anlässlich der Übersetzung von Les Années von Annie Ernaux, sie versuche als Übersetzerin des Buches gewissermaßen „Annie Ernaux in der Stimme von Sonja Finck“ zu sein.[3]

Der Ansatz, das Prinzip der „Unsichtbarkeit“ der Übersetzenden selbst durch Sichtbarkeit zu differenzieren, wurde von Finck seit 2005 regelmäßig durch – sonst eher für Autoren typische – Lesungen und durch Moderationen von Podiumsdiskussionen bekräftigt, zum Beispiel auf der Frankfurter Buchmesse, dem „Fest des jüdischen Buches“ in der Synagoge Duisburg oder dem Internationalen Literaturfestival Berlin.

Für die Übersetzung des Romans Fever von Leslie Kaplan erhielt sie im Jahr 2006 den André-Gide-Preis. In ihrer Dankesrede wies sie darauf hin, dass sie für diese Arbeit von keinem Verlag beauftragt worden sei: „Ich habe mir diesen Text selbst ausgesucht, was in unserem Métier selten vorkommt. Und ich habe feststellen können, dass man nie besser übersetzt, als wenn man zum Text echte Verwandtschaft verspürt.“[4]

Finck unterzeichnete im Juni 2007 die Solidaritätserklärung von Navid Kermani und Michael Kleeberg für Salman Rushdie, der erneut bedroht worden war: …die Freiheit der Kunst (ist) ein nicht verhandelbares Gut.

Zwischen 2009 und 2013 erarbeitete Finck die Übersetzungen für Untertitel, Voiceover- und Voiceoff-Fassungen mehrerer Dokumentarfilme des Fernsehsenders Arte.

Für das Jugendbuch Der Geruch von Häusern anderer Leute wurde sie 2017 gemeinsam mit der Autorin Bonnie-Sue Hitchcock mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.[5]

Denis Scheck bezeichnete Fincks neue Übersetzung von Annie Ernaux’ Der Platz als „brillant übersetzt“.[6] Der Suhrkamp-Verlag teilte im August 2020 einem Pressedienst mit, dass von den Ernaux-Übersetzungen Fincks bislang 150.000 Bücher verkauft wurden, dazu kommen noch CDs mit Lesungen oder die Bearbeitungen als Hörspiel.[7]

Die Jury des Eugen-Helmlé-Preises 2019 hob Fincks „intensive Auseinandersetzungen mit Werk und Autor“ hervor. „Die Arbeit von Sonja Finck endet nicht mit der Rekreation eines Textes in einer anderen Sprache. Sie lädt auf ihre Art dazu ein, an den großen Debatten und aktuellen Fragen unserer Gegenwart teilzuhaben.“[8]

Im Jahr 2021 wurden Finck und ihr Kollege Frank Heibert für die Übersetzung von Louis-Karl Picard-Siouis Kurzgeschichtenband Der große Absturz. Stories aus Kitchike für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.[9]

Sonja Finck lebt in Berlin und im kanadischen Gatineau. Sie ist Mitglied in der Literary Translators’ Association of Canada und im Verband deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke, dessen Veranstaltungen zum Internationalen Übersetzertag (auch „Hieronymustag“ genannt) sie mitorganisiert.[10]

Übersetzungen

Aus dem Französischen

Romane

Erzählungen und Kurzgeschichten

Theaterstücke

Sachbücher

Aus dem Englischen

Sachbücher

Aus dem Spanischen

Dokumentarfilme (Untertitel, Voice-over und Voice-off)

Essays

Auszeichnungen

Literatur

Einzelnachweise

  1. Siehe Le Lido in der französischen Wikipedia.
  2. Sonja Finck: (Un-)Sichtbarkeit in der literarischen Übersetzung anhand von Assia Djebars L’Amour, la fantasia. Diplomarbeit, Düsseldorf 2004, S. 6.
  3. Beate Tröger: „Vom Tod her denken“. Interview. Annie Ernaux’ „Die Jahre“ war Inspiration für Didier Eribon. Wir haben mit ihrer deutschen Übersetzerin gesprochen. In: Der Freitag. 46/2017, abgerufen am 17. Februar 2019.
  4. Im Original: « Ce n’est pas une maison d’edition qui m’a proposé de traduire Fever. J’ai choisi moi-même ce texte – ce qui est rarement le cas dans notre métier. Et j’ai ainsi pu constater que l’on ne traduit jamais mieux quand on éprouve une vraie affinité envers le texte. » Aus Sonja Fincks Rede bei der Verleihung des André-Gide-Preises an sie: La traduction – un amalgame, une chimère, un mouvement infini (französisch, zu Deutsch: „Die Übersetzung – ein Amalgam, eine Chimäre, eine unabgeschlossene Bewegung“).
  5. (Von dpa): Auszeichnung. Jugendliteraturpreis auf der Buchmesse vergeben (Memento vom 14. Oktober 2017 im Internet Archive). In: Stuttgarter Nachrichten. 14. Oktober 2017, abgerufen am 14. März 2019.
  6. Sendung „Lesenswert Quartett“ des SWR Fernsehens vom 23. Mai 2019 (online, ARD Mediathek, ein Jahr abrufbar).
  7. Michaela Hütig, epd, in einem Gespräch mit Sonja Finck, August 2020: Ethnologin in eigener Sache – Die französische Autorin Annie Ernaux wird 80 Jahre alt. In: Evangelischer Pressedienst. 1. September 2020. abgerufen am 1. September 2020: Zitate: „Stattdessen wolle sie eine ‚Ethnologin meiner selbst‘ sein, schreibt Ernaux … Insgesamt 150.000 Bücher wurden laut Verlag seitdem in Deutschland verkauft.“ (Bezahlschranke, Zugang nur über die Redaktion möglich. Mit Bild).
  8. Zit. n. Martin Breher: Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis geht an Sonja Finck. In: Saarländischer Rundfunk. 10. September 2019, abgerufen am 12. September 2019.
  9. Übersetzung – Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse 2021. In: preis-der-leipziger-buchmesse.de. Abgerufen am 13. April 2021.
  10. Internationaler Übersetzertag. Verband deutschsprachiger Übersetzer VdÜ, abgerufen am 12. März 2019 (Veranstaltungsankündigung zum Hieronymustag 2019).
  11. Als Hörbuch durch die Westdeutsche Blindenhörbücherei und die Schweizerische Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte, SBS, auch per Fernleihe erhältlich, sowie in reformierter Blinden-Kurzschrift bei SBS.
  12. a b c d e f g h Als CD oder zum Download erhältlich bei Schweizerische Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte und damit auch bei anderen Blindenbibliotheken.
  13. direkt ausleihbar in der BRD nur in der Stadtbibliothek Bremen; ansonsten bei allen Fernleihen für Blinde.
  14. Auszug aus Kuessipan, Mémoire d'encrire, Montréal 2011 u.ö., in frz. Sprache. Verfilmt unter dem gleichen Titel (auch: engl. UT). Inhaltsangabe in Deutsch. 2 Standbilder. In Frz., Engl. und Innu. Der Film konnte in Hamburg nicht öffentlich gezeigt werden wegen gesetzlicher Vorgaben (Pandemie)
  15. Er ist alleiniger Übersetzer aller übrigen Novellen des Bandes außer den beiden hier genannten.
  16. Darstellung durch das Kunsthaus.
  17. Saarländischer Rundfunk
  18. Uraufführung, französisch: 21. September 2017 durch die Compagnie „La Nuit te soupire“ auf dem „Festival des Francophonies en Limousin“, Limoges, unter der Regie von A. Thibault. Eine weitere deutsche Aufführung fand statt am 18. Januar 2019 im Landestheater Coburg, unter der Regie von Camille Hafner, Coburg. Das Stück erhielt den 1. Preis des „3. Coburger Forums für junge Autoren“. Weitere Auff.: Theater im Fridericianum, Kassel, ab 15. März 2020
  19. Sammel-Rezension: Hanns-Josef Ortheil, Best of der Taschenbuchprogramme, Die Welt, 4. November 2006.
  20. Programmrückblick. (PDF; 963 kB) In: dfjw.org, abgerufen am 12. September 2019.
  21. Dabei die Rede Fincks: La traduction. Un amalgame, une chimère, un mouvement infini (französisch; „Die Übersetzung. Ein Amalgam, eine Chimäre, eine unabgeschlossene Bewegung“; zur Translatologie in der Praxis).
  22. Personalia: André-Gide-Preis für Sonja Ulrike Finck. In: HHU Uni-Magazin. Hrsg. von der Pressestelle der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. 2007, Nr. 1, S. 52 (uni-duesseldorf.de [PDF; 2,5 MB]).
  23. Dazu Inger Lison, Jan Standke: Verwobene Schicksale. Jugendbuchpreis für Bonnie-Sue Hitchcock und Sonja Finck. In: JuLit. Jg. 43, Heft 4, Dezember 2017: Mischt Euch ein! S. 24–28.
  24. Pressemitteilung der Stiftung in Deutschlandfunk Kultur; Video, Interview mit der Preisträgerin beim Saarländischen Rundfunk. – Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis: Sonja Finck geehrt. In: literaturuebersetzer.de, VdÜ, [vor dem] 6. August 2019, abgerufen am 19. Oktober 2019. – Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis für Sonja Finck. In: stadt-sulzbach.de, Stadt Sulzbach/Saar, [nach dem] 9. September 2019, abgerufen am 19. Oktober 2019 (Bericht mit Fotos).
  25. Von 13 Treffern sind 5 zutreffend, die übrigen betreffen namensgleiche Personen.