Vitamin B ist die Bezeichnung für eine Vitamingruppe, in der acht wasserlösliche Vitamine zusammengefasst sind, die alle als Vorstufen für Koenzyme dienen. Es sind chemisch und pharmakologisch völlig verschiedene Substanzen. Die Vitamine der B-Gruppe (genannt auch B-Vitamine) stellen somit keine einheitliche Klasse dar. Die Nummerierung ist nicht durchgehend, weil sich bei vielen Substanzen, die ursprünglich als Vitamine galten, der Vitamincharakter nicht bestätigen ließ.

Die B-Vitamine kommen in tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln vor (z. B. in Fisch, Leberprodukten, Milchprodukten, Broccoli, Spinat oder Grünkohl). Davon ausgenommen ist Vitamin B12, das nur wenig in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten ist und anders als die anderen wasserlöslichen Vitamine für längere Zeit im Körper gespeichert werden kann.

Geschichte

Anfang des 20. Jahrhunderts untersuchte man den Einfluss unterschiedlicher Diäten auf das Wachstum von Säugetieren wie Ratten und Mäusen. 1912 wurde von Gowland Hopkins entdeckt, dass ein Mangel essenzieller Verbindungen, die er „accessory food factors“ nannte, zu erheblichen Wachstumsstörungen führte. Er vermutete einen Zusammenhang von Unterversorgung mit diesen Stoffen und ähnlichen Gesundheitsproblemen auch beim Menschen, untersuchte dies aber nicht weiter.

1912 beschäftigte sich auch der polnische Biochemiker Casimir Funk intensiv mit der Isolierung des Wirkstoffes gegen die Vitaminmangelkrankheit Beriberi, eine bis dahin unerklärliche neue Krankheit, die in Japan und auf Java auftrat. Diese Krankheit trat erst auf, nachdem man in diesen Ländern europäische Reisschälmaschinen eingeführt hatte. Es wurde eine Mangelkrankheit vermutet. Der japanische Arzt Takaki Kanehiro konnte die Krankheit heilen, indem er dem Reis die entfernte Reiskleie wieder zuführte. Casimir Funk isolierte 1914[1] aus Reiskleie einen Stoff, der die Mangelkrankheit heilen konnte. Die Analyse der Verbindung zeigte, dass es sich um eine stickstoffhaltige Verbindung, ein Amin handelte. Auf Grund dieser Befunde schlug Funk das Kunstwort Vitamine (vita-das Leben und Amine) vor.

1913 gelang es Elmer McCollum zusammen mit Marguerite Davis – und unabhängig davon Lafayette Mendel mit Thomas Osborne – das fettlösliche Retinol zu isolieren. 1916 führte McCollum die Kategorisierung von Vitaminen nach Buchstaben ein, in der er Retinol als „fat-soluble A“ bezeichnete. Zudem benannte er einen ähnlich essenziellen Stoff, den er aus Weizen- und Reiskleie extrahiert hatte, als „water-soluble B“. Später wurde „fat-soluble A“ dann kurz zu „factor A“.

1920 wurden aus „factor A“ und „factor B“ die Bezeichnungen Vitamin A bzw. B, unter Anlehnung des bereits von Casimir Funk geprägten Begriffes. McCollum zeigte später, dass Vitamin B keine einzelne Komponente, sondern ein Komplex war.

Die einzelnen B-Vitamine

Eine Tabelle mit Angaben zu Wirkungen, Vorkommen, Tagesbedarf und Mangelerscheinungen findet sich im Artikel Vitamin, Abschnitt Vitaminbedarf und Vorkommen.

Verwandte Verbindungen und vitaminähnliche Substanzen

Viele der folgenden Substanzen wurden als Vitamine bezeichnet, da früher fälschlicherweise angenommen wurde, dass sie solche sind. Sie werden jedoch nicht mehr als solche betrachtet. Die ihnen zugewiesenen Zahlen bilden nun die Lücken in der Reihe der oben beschriebenen B-Komplex-Vitamine. Die Vitamine B4, B13 und B15 zählen heute zu den vitaminähnlichen Substanzen und werden als Vitaminoide bezeichnet, wozu auch andere Substanzen gehören.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 55.
  2. Ludwig Weissbecker: Krankheiten des Vitaminhaushaltes. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 1083–1098, hier: S. 1090–1096.
  3. U. Dettmer, M. Folkerts, E. Kächler, A. Sönnichsen: Intensivkurs Biochemie. Elsevier, München 2005, ISBN 3-437-44450-6, S. 10.
  4. Niacin - warum ergänzen? In: Verbraucherzentrale. 3. August 2023, abgerufen am 3. November 2023.
  5. James E. Darnell, Harvey Lodish, David Baltimore: Molekulare Zellbiologie. de Gruyter, Berlin u. a. 2001, ISBN 3-11-011934-X (4. Auflage. Harvey Lodish: Molekulare Zellbiologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u. a. 2001, ISBN 3-8274-1077-0). (freier Volltextzugriff).
  6. F. Rébeillé, S. Ravanel, A. Marquet, R. R. Mendel, M. E. Webb, A. G. Smith, M. J. Warren: Roles of vitamins B5, B8, B9, B12 and molybdenum cofactor at cellular and organismal levels. In: Natural Product Reports. Band 24, Nummer 5, Oktober 2007, S. 949–962, doi:10.1039/b703104c. PMID 17898891.
  7. K. Pietrzik, I. Golly, D. Loew: Handbuch Vitamine. Urban & Fischer Verlag, Elsevier GmbH, München 2008; S. 147–154, 416; ISBN 978-3-437-55361-5
  8. Fragen und Antworten zu Folat und Folsäure. Ist die Bevölkerung in Deutschland ausreichend mit Folat versorgt? In: BfR. 2. April 2015, abgerufen am 3. November 2023.
  9. Vitamin B14. In: Nutrition Reviews. Band 7, Nr. 6, Juni 1949, doi:10.1111/j.1753-4887.1949.tb02224.x.
  10. Vernon H. Cheldelin: Nomenclature of the Vitamins. In: Nutrition Reviews. Band 9, Nr. 10, Oktober 1951, doi:10.1111/j.1753-4887.1951.tb02499.x.
  11. David A. Bender: vitamin B14. In: A Dictionary of Food and Nutrition. 4. Auflage. Oxford University Press, 2014, ISBN 978-0-19-175239-1 (oxfordreference.com [abgerufen am 3. November 2023]).