Ein Aphorismus (von altgriechisch ἀφορίζειν ‚genau bestimmen, abgrenzen‘) ist ein selbständiger einzelner Gedanke, ein Urteil oder eine Lebensweisheit. Er kann aus nur einem Satz oder wenigen Sätzen bestehen. Oft formuliert er eine besondere Einsicht rhetorisch als allgemeinen Sinnspruch (Sentenz, Maxime, Aperçu, Bonmot). Dagegen gelten Auszüge aus anderen Texten, wie geflügelte Worte oder pointierte Zitate literaturwissenschaftlich nicht als Aphorismen. Ein Verfasser von Aphorismen wird als Aphoristiker bezeichnet.

Eigenschaften

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Erst seit dem frühen 20. Jahrhundert wird der Aphorismus als eigenständige Prosa­gattung anerkannt und erforscht. Er gilt als Textform mit folgenden Kerneigenschaften:[1]

Begriffsherkunft

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Das Wort „Aphorismus“ stammt aus dem altgriechischen ἀφορισμός (aphorismόs) und kann folgende Bedeutungen haben:

Das zugehörige Verb ἀφορίζειν (aphorízein, von *ap[o]-horízein) „genau bestimmen, abgrenzen“, lässt sich vom Wort ὅρος hóros „Begrenzung, Bedingung“ ableiten, von dem auch das deutsche Wort „Horizont“ abstammt.

Geschichtliche Entwicklung

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Der erste Aphoristiker war Heraklit von Ephesos.[2] Auch Platon rechnet Heraklit zu den Aphoristikern.[3] Das erste Werk, das zu einem großen Teil aus Aphorismen bestand, waren die Schriften des Hippokrates, die jedoch von vielen einzelnen Autoren der koischen Schule stammen. In den sieben Büchern Aphorismen der hippokratischen Schriftensammlung[4] werden in aphoristischer Form medizinische Lehrsätze aufgestellt.

Die literarisch-philosophische Gattung entwickelte sich erst später. Zu ihren Meistern gehören vor allem die französischen Moralisten des 17. und 18. Jahrhunderts, u. a. François de La Rochefoucauld, Jean de La Bruyère, Joseph Joubert, Luc de Clapiers, Marquis de Vauvenargues sowie der Spanier Baltasar Gracián.

Eine lange Tradition hat der Aphorismus im deutschsprachigen Raum. Auf Georg Christoph Lichtenberg (Sudelbücher) im 18. Jahrhundert folgen u. a. Johann Wolfgang von Goethe, Jean Paul, Friedrich Schlegel, Novalis, Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche, Karl Kraus, Franz Kafka, Ludwig Wittgenstein, Theodor W. Adorno, Elias Canetti, Émil Cioran und Elazar Benyoëtz.

In Polen sind zu nennen: Stanisław Jerzy Lec, Karol Irzykowski, Adolf Nowaczyński, Henryk Elzenberg und Wojciech Wiercioch.

Weitere bekannte Aphoristiker sind Laotse, Konfuzius, Oscar Wilde, George Bernard Shaw, Andrzej Majewski und Paul Valéry.

Aphoristiker über Aphorismen

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Aphoristikertreffen

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Seit 2004 findet in Hattingen an der Ruhr alle zwei Jahre ein deutschsprachiges, inzwischen internationales Aphoristikertreffen statt. Veranstalter dieses Forums sind der Förderverein Deutsches Aphorismus-Archiv Hattingen e. V. (DAphA) und das Stadtmuseum Hattingen.[5]

Aphoristische Stilmittel

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Alle Beispielaphorismen stammen von Stanisław Jerzy Lec.

Berühmte Aphoristiker

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Anthologien

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Literatur

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Wikiquote: Aphorismus – Zitate
Wiktionary: Aphorismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiversity: Schopenhauer Aphorismen zur Lebensweisheit – Kursmaterialien

Einzelnachweise

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  1. Klaus von Welser: Die Sprache des Aphorismus. Formen impliziter Argumentation von Lichtenberg bis zur Gegenwart. Berliner Beiträge zur neueren deutschen Literaturgeschichte, hrsg. von Hans Schumacher. Peter Lang, Frankfurt a. M. 1986, ISBN 3-8204-9170-8.
  2. Jünger, Friedrich Georg. Gedanken und Merkzeichen. Frankfurt a. M. 1949
  3. Platon, Theaitetos 179c–180b, Sämtliche Werke Bd. 4. Nach der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, hrsg. von Walter F. Otto und Ernesto Grassi, Hamburg 1958, S. 146.
  4. Jutta Kollesch, Diethard Nickel: Antike Heilkunst. Ausgewählte Texte aus dem medizinischen Schrifttum der Griechen und Römer. Philipp Reclam jun., Leipzig 1979 (= Reclams Universal-Bibliothek. Band 771); 6. Auflage ebenda 1989, ISBN 3-379-00411-1, S. 176.
  5. http://www.dapha.de/aktivitaeten/aphoristikertreffen/