Das Corpus Hippocraticum (genannt auch hippokratische Schriften) ist eine Sammlung von mehr als 60 antiken medizinischen Texten, die zwischen dem 6. Jahrhundert v. Chr. und 2. Jahrhundert n. Chr. entstanden sind und ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. vor allem in Alexandrien zu einem Gesamtkorpus zusammengetragen worden sind.[1]
Die von wissenschaftlich-rationalem Geist geprägte[2] Textsammlung ist nach dem berühmten griechischen Arzt Hippokrates von Kos benannt, jedoch war bereits in der Antike bekannt, dass die wenigsten Texte des Corpus von ihm selbst verfasst wurden. Solche Texte werden als pseudohippokratisch[3][4] bezeichnet. Als Mitverfasser des Corpus genannt wurde Polybos, der Schüler und vermutete Schwiegersohn des Hippokrates.[5]
Die Schriften des Corpus umfassen zahlreiche Themenfelder der wissenschaftlichen Medizin und bieten eine Einführung für Ärzte und Laien. Abgedeckt wurden Theorie und Praxis der Heilkunde, allgemeine und spezielle Pathologie, Ethik und Standeslehre.
Neben großen Übereinstimmungen lassen sich dennoch zahlreiche Uneinheitlichkeiten im Inhaltlichen, Formalen und Stilistischen feststellen, die auf einen großen Entstehungszeitraum hinweisen. Die Forschung nach der Verfasserschaft der einzelnen Texte und ihrem Ursprung wurde erweitert durch die Versuche von Zuordnungen zu zwei verschiedenen Ärzteschulen, nämlich derer von Kos sowie derer von Knidos, einer Stadt, die der Insel Kos unmittelbar gegenüber an der kleinasiatischen Küste lag und ein weiteres bedeutendes Heilzentrum hatte. Mittlerweile werden der Begriff der „Schulen“ und die damit verbundene Auffassung jedoch stark kritisiert, da die Zuschreibung der Texte zu den jeweiligen Zentren und der Nachweis einer stark konträren Ausrichtung nie zweifelsfrei möglich waren.
Die Schriften enthalten erste Ansätze der antiken Humoralpathologie, eine einheitliche Fassung wurde darin jedoch noch nicht erreicht.
Als generelle Methode lässt sich die Beobachtung von Krankheitsverläufen nennen. Das Innere des Körpers blieb weitgehend unbekannt, da nicht mit Experiment oder Sektion am Menschen gearbeitet wurde. Weitere Prinzipien sind die Lehre von den kritischen Tagen der Krankheit, die rationale Erklärung von Krankheiten (bspw. der Epilepsie in „Über die Heilige Krankheit“)[6] und der große Einfluss der Umwelt auf die Gesundheit des Menschen. Auch finden sich in der vermutlich in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. verfassten[7] Schrift Über das Fleisch (De carnibus, Peri sarkon[8]), die nicht therapeutisch orientiert ist, erste Theorien zur Ontogenese, so z. B. über die Entstehung der Körperteile und Organe.[9] Zur therapeutischen Anwendung des Aderlasses wird im 11. Kapitel von Über die Natur des Menschen (griechisch περί φύσιος ἀνθρώπον) eine der ältesten zusammenhängenden Beschreibungen der Blutgefäße des Menschen gegeben. Zur ältesten Gruppe der Schriftensammlung gehört das dritte Buch[10] über Epidemien. Zu den frühesten Zeugnissen für Schriften chirurgischen Inhalts gehören die im 5. Jahrhundert entstandenen Texte Über das Einrenken der Gelenke und Über die Knochenbrüche.[11] Als schmerzlindernde Mittel werden in den hippokratischen Schriften um 450 v. Chr. Opium, Mandragora und Schierling empfohlen. Auch die Inhalation von Kräuterdämpfen zu Narkosezwecken wird erwähnt.[12]
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