Wolfgang Ruge (* 1. November 1917 in Berlin; † 26. Dezember 2006 in Potsdam) war ein deutscher marxistischer Historiker, der in der DDR wirkte.

Leben

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Wolfgang Ruge ist ein Urgroßneffe[1] von Arnold Ruge und wuchs in einem kommunistischen Elternhaus auf. Er war erst „Junger Pionier“ und später Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes. Nach der NS-Machtübernahme flüchteten er und seine Familie 1933 in die Sowjetunion. Zuerst ließ Stalin seinen Vater Erwin Ruge im Frühjahr 1938 in das nationalsozialistische Deutschland abschieben,[2] dann wurde sein älterer Bruder Walter Ruge (geb. 1915)[3] nach der deutschen Kriegserklärung als „feindlicher Ausländer“ 1941 verhaftet und zu 10 Jahren Arbeitslager verurteilt.[4]

Ruge studierte nach seinem Abitur zunächst an der Kommunistischen Universität der nationalen Minderheiten des Westens (KUNMS) und weiterhin Geschichte in Moskau.[5] Fassungslos erlebte er dort mit, wie sich unter dem Terror Mitte der 1930er-Jahre die Reihen der Altkommunisten und Emigranten lichteten.[6] Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wurde er (mit seiner zweiten Ehefrau) wegen seiner deutschen Herkunft nach Kasachstan deportiert, ein Jahr später von ihr getrennt und als Zwangsarbeiter in ein Straflager des Gulags in den Nordural verschickt. Dort wurde er unter Bedingungen der völligen Willkür und Essenzuteilung nach Normerfüllung zu Schwerstarbeit, wie Holzfällen, eingesetzt.[5]

Drei Jahre nach Ende des Krieges zerschlugen sich Ruges Hoffnungen, das Lager als freier Bürger verlassen und zu seiner Frau in die Steppe zurückkehren zu können. Seine Strafe wurde in „Ewige Verbannung“ umgewandelt. Er durfte den Lagerort per Dekret zeitlebens nicht mehr verlassen. Ruge konnte jedoch 1948 unter Umgehung des Verbannungsregimes ein Fernstudium der Geschichte in Swerdlowsk absolvieren. Im Nordural-Straflager Soswa fristete Ruge ein karges Leben zusammen mit seiner dritten Frau.

Erst 1956 gelang Ruge zusammen mit seiner Frau und ihrem gemeinsamen zweijährigem Sohn Eugen die Ausreise in die DDR. Ihm wurde eine Stelle am Institut für Geschichte an der Akademie der Wissenschaften in Berlin angeboten. Ruge wurde einer der bekanntesten Historiker der DDR mit dem Spezialgebiet Weimarer Republik und Aufstieg des Faschismus. Ruge wurde Mitglied in der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).[7] 1959 promovierte Ruge in Berlin über die Besetzung des Ruhrgebiets 1923.[8] Ruge erhielt 1958 eine Professur für Geschichte am Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR,[9] 1983 wurde er emeritiert.

Ruge wurde Nationalpreisträger und erhielt den Vaterländischen Verdienstorden in Silber sowie die Ehrendoktorwürde der Universität Jena.

Wolfgang Ruges Sohn ist der Autor und Regisseur Eugen Ruge. Dieser unterstützte seinen inzwischen alt gewordenen Vater bei der Herausgabe der zweiten Auflage seines autobiographischen Berichts im Rowohlt Verlag (2012): Gelobtes Land. Meine Jahre in Stalins Sowjetunion. Wolfgang Ruge hatte zur DDR-Zeit darüber nicht publiziert, aber Aufzeichnungen angefertigt, die er später verwerten konnte.[10]

In Eugen Ruges preisgekröntem Roman In Zeiten des abnehmenden Lichts trägt der Historiker Kurt Umnitzer Züge Wolfgang Ruges.

Schriften (Auswahl)

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Literatur

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in der Reihenfolge des Erscheinens

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Einzelnachweise

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  1. Eugen Ruge: Follower – Vierzehn Sätze über einen fiktiven Enkel. Rowohlt, Reinbek 2016, ISBN 978-3-498-05805-0, S. 249.
  2. Wolfgang Ruge: Gelobtes Land. Meine Jahre in Stalins Sowjetunion. Rowohlt Verlag, Reinbek 2012, S. 83–84.
  3. Hermann Weber, Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch. 1918 bis 1945. Dietz, Berlin, 2., überarbeitete und stark erweiterte Aufl. 2008, ISBN 978-3-320-02130-6, S. 90.
  4. Klaus Latzel: Geschichten der Novemberrevolution. Historiographie und Sinnbildung im geteilten Deutschland. In: Franka Maubach, Christina Morina: Das 20. Jahrhundert erzählen. Zeiterfahrung und Zeiterforschung im geteilten Deutschland. Wallstein Verlag, Göttingen 2016, S. 120.
  5. a b Wolfgang Ruge: Lenin. Vorgänger Stalins. Matthes & Seitz, Berlin 2010, S. 8.
  6. Frank Quilitzsch: Verbannt auf ewige Zeit. Erschütternde Lektüre: Wolfgang Ruges traumatische Erlebnisse in Stalins Lagern. In: Thüringische Landeszeitung, 7. Juli 2012.
  7. Biografie Ruges, abgerufen am 16. November 2020.
  8. Die Stellungnahme der Sowjetunion gegen die Besetzung des Ruhrgebietes 1923 und die deutsch-sowjetischen Beziehungen während der Zeit des passiven Widerstandes. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1962.
  9. Süddeutsche Zeitung: Stalinismus – Abrechnung eines Verbannten. Abgerufen am 2. September 2020.
  10. Frank Quilitzsch: Verbannt auf ewige Zeit. In: Thüringische Landeszeitung, 7. Juli 2012.
Personendaten
NAME Ruge, Wolfgang
KURZBESCHREIBUNG deutscher marxistischer Historiker
GEBURTSDATUM 1. November 1917
GEBURTSORT Berlin
STERBEDATUM 26. Dezember 2006
STERBEORT Potsdam