Die Alfred-Toepfer-Stiftung F. V. S. ist eine gemeinnützige Stiftung, die sich für die Förderung der europäischen Verständigung unter Wahrung der kulturellen Vielfalt engagiert. Sie ist europaweit in den Feldern Kunst und Kultur, Wissenschaft, Naturschutz und Jugend präsent und vergibt vier Preise: den KAIROS-Preis, den Freiherr-vom-Stein-Preis, den Max-Brauer-Preis und den CULTURA-Preis.

Die Stiftung wurde vom Hamburger Kaufmann und Landwirt Alfred C. Toepfer (1894–1993) zum Jahreswechsel 1931/1932 als Stiftung F. V. S. gegründet. Die Abkürzung „F. V. S.“ nimmt laut Toepfer Bezug auf den preußischen Reformer Freiherr vom Stein.[1]

Geschichte und Funktion

Die Stiftung ist bis heute wegen des schwierig einzuordnenden Verhältnisses des Gründers Alfred Toepfer zum Nationalsozialismus umstritten. So kam es Anfang der 1990er-Jahre in Wien zu heftigen Attacken der Forschungsgruppe Kulturgeschichte gegen den neu gestifteten Grillparzer-Preis (der nach drei Vergaben eingestellt wurde) und die Kontinuität der Herder-Preise.[2][3] Im Jahr 1996 musste der 1962 geschaffene Straßburg-Preis für Beiträge zur deutsch-französischen Verständigung wegen anhaltender Proteste gegen den Stifter eingestellt werden. Dies nahm die Stiftung 1997 zum Anlass, das Wirken der Stiftung und des Stifters durch eine unabhängige Kommission untersuchen zu lassen. Die am 11. Dezember 2000 vorgestellten Ergebnisse stellten zum einen fest, dass Toepfer „nie die zentralen Ziele und Motive der führenden Nationalsozialisten“ teilte, „Rassismus und Antisemitismus lagen ihm fern“ (Mommsen, Kreis et al.). Zum anderen zeigte sein Wirken durch die Vergabe von Kulturpreisen eine große Nähe zu nationalsozialistischer Volkstumspolitik, zu deren Parteifunktionären er Kontakt pflegte. In den Tagebüchern des Joseph Goebbels ist eine freundschaftliche Begegnung vermerkt. Auch eine personelle Kontinuität in den Stiftungsgremien von der Zeit des Nationalsozialismus bis in die jüngere Vergangenheit, etwa durch die Funktion des ehemaligen NS-Staatssekretärs im Ernährungsministerium Hans-Joachim Riecke als zeichnungsberechtigter stellvertretender Vorstand der Stiftung von 1958 bis 1976, stellte die Kommission fest und kritisierte die Vermeidung „selbstkritische(r) Vergangenheitsanalysen“ des Stifters selbst, attestierte ihm jedoch auch Lernfähigkeit und eine Abkehr vom extremen Nationalismus. (Lit.: Kreis et al.)

Dennoch verhinderte diese von der Stiftung in Auftrag gegebene Aufarbeitung nicht, dass das Verhältnis Alfred Toepfers zum Nationalsozialismus auch danach noch der Stiftung zum Vorwurf gemacht wurde. So verweigerte 2005 die französische Theaterleiterin Ariane Mnouchkine die Annahme des Hansischen Goethe-Preises. 2010 forderte der britische Historiker Michael Pinto-Duschinsky die Einstellung der Hanseatic Scholarschips an der Universität Oxford.[4] Nach dem Ausscheiden von Birte Toepfer als letzter Familienangehörigen des Gründers (sie war die Schwiegertochter Alfred Toepfers) aus dem Vorstand leitete die Stiftung im Jahr 2004 eine Umstrukturierung des Stiftungsprogramms ein. Eines der Ziele war es, die Vielzahl von Preisen und Stipendien, die historisch gewachsen war, zu straffen und die Mittel in ein operatives Programm zu überführen. Dieser Prozess wurde 2007 abgeschlossen.

Von den 1960er bis in die 1980er Jahre hatte die Stiftung neben ihrer Funktion zur Förderung kultureller Vielfalt auch Bedeutung als wesentlicher Kapitalträger der Firma Alfred C. Toepfer. Das Stiftungsvermögen wuchs von 50 Millionen DM 1963 auf 84 Millionen DM 1970 und 185 Millionen DM 1985.[5] Das Kapital der als persönlich haftenden Gesellschafterin für die Firma gegründeten Alfred C. Toepfer Verwaltungsgesellschaft (mbH), deren Aufsichtsratsvorsitzender Alfred Toepfer war,[6] war schon 1961 an die Stiftung übertragen worden.[7]

Die Geschichte der Stiftung F. V. S. und die Biografie ihres Stifters Alfred Toepfer bleiben Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und kritischer Begleitung auch der Stiftungsaktivitäten. Entsprechende Publikationen und Debatten aktualisiert und veröffentlicht die Stiftung regelmäßig (letztmals 2016).[8]

Kulturpreise während des Nationalsozialismus

Überblick aller Preise, die – laut Stifter – einen Wall um das Binnendeutschtum (Zweckbestimmung von 1932) ziehen sollten:

Verschiedene

Nicolaus-Kopernicus-Preis

Bestimmt für das „Deutschtum in Polen“, später „im ehemaligen Polen“. Verleihung durch die Schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau. Preisträger:

Kuratorium: Hermann Aubin; Ernst Birke; Günther Grundmann; Viktor Kauder; Hans Koch (V); Walter Kuhn; Alfred Lattermann; Kurt Lück

Prinz-Eugen-von-Savoyen-Preis

Bestimmt für das „Deutschtum im Südosten“, Verleihung durch die Universität Wien. Preisträger:

Kuratorium: Carl Freiherr von Bardolff; Otto Brunner; Hugo Hassinger (V); Hans Hirsch; Josef Nadler; Rudolf Spek; Heinrich Ritter von Srbik

Shakespeare-Preis

Bestimmt für „Angelsachsentum“, vornehmlich im Vereinigten Königreich. Verleihung durch die Hansische Universität, Hamburg. Preisträger:

Kuratorium: Hans Friedrich Blunck; Hermann Fiedler; Hans Grimm; Adolf Rein (Geschäftsführer); Rudolf Sieverts

Für die Preisträger ab 1967 siehe unten.

Rembrandt-Preis

Bestimmt für das „niederländisch-niederdeutsche Volkstum“. Verleihung durch die Hansische Universität, Hamburg. Preisträger:

Kuratorium: Hans Friedrich Blunck; Conrad Borchling (V); Antoon Jacob; Adolf Rein (Geschäftsführer); Geerto Aeilko Sebo Snijder; Anton Johan van Vessem[9]

Ossian-Preis

Bestimmt für das „keltisch-nordische Volkstum“. Verleihungen sollten durch die Hansische Universität, Hamburg, erfolgen. Es kam jedoch zu keinen Verleihungen. Kuratorium: Leo Weisgerber.

Ehemalige Preise nach 1949

Shakespeare-Preis ab 1967

Nach dem Besuch der Königin Elizabeth II in Hamburg wurde der Preis neu aufgelegt und bis 2006 vergeben. Er war dem angelsächsischen Anteil an der Pflege des europäischen Kulturerbes und der Förderung übernationaler Gesinnung und humanitärer Bestrebungen gewidmet und mit einem Ein-Jahres-Stipendium an einer deutschen Hochschule für einen Rezipienten verbunden, den der Preisträger auswählte.[14] Die Preisträger waren:

Aktuelle Preise

Die Reform der Stiftung und die mehrfachen Ablehnungen von Preisen führte zur Straffung des Preisprogramms. Viele Preise wurden eingestellt und 2006 letztmals verliehen. Danach reduzierte sich die Zahl der durch die Stiftung verliehenen Preise zunächst auf vier.[15]

Aufgaben der Stiftung

In Menschen investieren

Im Schwerpunktbereich In Menschen investieren fördert die Stiftung direkt Personen durch Stipendien, Preise und das Europäische Fördernetzwerk:

„Gegenwartsfragen“

Stiftungen haben die Chance, mit großer Unabhängigkeit relevante Fragen aufzuwerfen und zu bearbeiten. Die Stiftung nutzt diese Freiheit insbesondere in ihrem experimentellen Programmbereich, der alle fünf Jahre eine neue Ausrichtung erhält: Hier formuliert sie Fragen von gesellschaftlicher, künstlerischer oder wissenschaftlicher Bedeutung.

Von 2010 bis 2015 stellt die Stiftung zehn exemplarisch gewählte „Gegenwartsfragen“. Bis 2010 initiierte sie einen „WerteDialog“.

Gesellschaftliche Innovation

Sonderbereiche

Hamburger Momente

natur@toepfer-fvs

Die Förderung des Naturschutzes sowie des Naturparkgedankens waren schon immer ein besonderes Anliegen der Stiftung. Mit ihrem Sonderbereich „natur@toepfer-fvs“ entwickelt sie das traditionelle Engagement auf diesem Gebiet in zeitgemäßer Weise weiter und geht neue Wege der Förderung.

Gremien

Dem Stiftungsrat gehören neun Mitglieder an. Jürgen Schlaeger ist Vorsitzender und Ulrich Bopp stellvertretender Vorsitzender (Stand August 2011). Ansgar Wimmer ist Vorstandsvorsitzender, Andreas Holz ist Mitglied des Vorstandes der Alfred-Toepfer-Stiftung F. V. S.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Vgl. Begrüßungsworte des Herrn Alfred Toepfer, Vorstand der Stiftung F.V.S., anläßlich des Festessens am 26. Oktober 1950, in: Stiftung F.V.S. zu Hamburg: Der Fritz-Schumacher-Preis 1950, S. 17–19, hier: S. 17. Dort heißt es wörtlich: "Die Stiftung leitet ihren Namen vom Freiherrn vom Stein her, der seinerzeit eine zeitgemäße soziale Befriedigung durch Aufhebung der Leibeigenschaft und Wiederherstellung bürgerlicher Freiheit in den Städten herbeiführte."
  2. Friedrich Denk: Die Zensur der Nachgeborenen. Weilheim i. OB 1996 (3. Aufl.), S. 17, nennt Angela Gruber als deren Vorsitzende.
  3. Vgl. die damaligen Debatten in der Zeitschrift FORVM
  4. Gina Thomas: Alfred Toepfer: Mäzen im Zwielicht. Gutes Geld, dunkle Absichten? FAZ.net am 8. April 2010
  5. Jan Zimmermann: Alfred Toepfer. Ellert & Richter, Hamburg 2008, S. 129.
  6. Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s who. 24. Ausgabe. Schmidt-Römhild, Lübeck 1985, ISBN 3-7950-2005-0, S. 1255.
  7. Jan Zimmermann: Alfred Toepfer. Ellert & Richter, Hamburg 2008, S. 195.
  8. DEBATTEN ZUR STIFTUNGSGESCHICHTE (2005–2016) (Memento vom 9. Juni 2015 im Internet Archive), abgerufen am 24. Juli 2021
  9. Parlamentsabgeordneter der Nationaal-Socialistische Beweging in Nederland (NSB); siehe Jan Zimmermann 2008, S. 66.
  10. Kulturpreise.de
  11. Theaterleiterin Mnouchkine lehnt Goethe-Preis ab, Deutschlandfunk, 18. April 2005, Interview mit Hans Mommsen
  12. toepfer-fvs.de: (Memento vom 5. November 2013 im Internet Archive) (PDF; 46 kB)
  13. Kulturpreise, abgerufen am 25. Mai 2016.
  14. Webseite bei Kulturpreise
  15. Die Preise der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. (Memento vom 23. Februar 2007 im Internet Archive)
  16. Bevor es losgeht. Lehre ist Interaktion. Toepfer Stiftung gGmbH, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. Oktober 2020; abgerufen am 15. November 2023 (deutsch).
  17. BMBF-Internetredaktion: Innovation in der Hochschullehre. In: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Archiviert vom Original am 14. Oktober 2020; abgerufen am 13. Oktober 2020.
  18. Jan-Martin Wiarda: Neue Organisation zur Hochschullehre. Macht euch bei der Lehre ehrlich! In: Der Tagesspiegel. 3. Februar 2020, abgerufen am 13. Oktober 2020.
  19. kas: Vorstand von Stiftung für Hochschullehre komplett. In: Forschung & Lehre. 14. September 2020, abgerufen am 13. Oktober 2020.