Arnaldus de Villanova, Speculum medicinae in der Handschrift Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vaticanus Palatinus lat. 1818, fol. 1r (1440 geschrieben)

Arnald von Villanova, lateinisch Arnaldus de Villanova (lateinisch auch Arnoldus de Villa Nova, deutsch auch Arnold von Villanova, katalanisch Arnau de Vilanova, französisch Arnaoult de Ville-Neuve oder Arnaud de Villeneuve; * um 1235 bei Valencia; † 6. September 1311, wahrscheinlich auf dem Ligurischen Meer) war ein katalanischer[1] Arzt und Pharmazeut sowie Hochschullehrer und Laientheologe. Er war Leibarzt von Königen und Päpsten. Er diente den Königen von Aragon auch als Diplomat und versuchte sich als Kirchenreformer, wurde aber auf diesem Gebiet als Häretiker angesehen.

Leben

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Arnald von Villanova ging auf eine Schule der Dominikaner und studierte um 1260 an der Universität Montpellier. Ein Studium in Neapel ist eine spätere Legende. Er hatte ein hohes Ansehen als Arzt, wurde Leibarzt der Könige von Aragon (Peter III., Alfons III., Jakob II.). Außerdem diente er den Königen von Aragon als Diplomat in Paris, Rom und Avignon (dem damaligen Sitz des Papstes). Ab 1291 lehrte er Medizin an der Universität Montpellier. Er befasste sich neben Medizin und Pharmazie auch mit Theologie, Philosophie und Mystik und geriet ab 1299 in Konflikt mit der theologischen Fakultät in Paris. Seine theologischen Ansichten wurden von der Inquisition als häretisch angesehen. Er war Leibarzt für verschiedene Päpste in Rom und Avignon (Bonifaz VIII., Benedikt XI., Clemens V.), sein Bemühen um päpstliche Unterstützung hatte erst 1305 Erfolg. 1309 verlor er die Gunst der Könige von Aragon und wurde Leibarzt von Friedrich II. von Sizilien, dem Bruder von Alfons III. und König von Sizilien. In dessen Dienst starb er auf einer Seereise bei einem Schiffbruch. Nach einigen Autoren war er als Arzt auf dem Weg zu Papst Clemens V. in Avignon und starb vor der Küste Genuas.[2]

Werk

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Opere

Als sein Hauptwerk galt lange Zeit das Breviarium practicae medicinae, ein Handbuch der Medizin. Dieses Werk gilt allerdings mittlerweile als Pseudoepigraph.[3] Arnald von Villanova, der auch Griechisch beherrschte, übersetzte Avicenna (dessen Traktat über die Medikamente für das Herz) und Galen aus dem Arabischen, kam zu dem Urteil, dass Avicenna das griechische Werk des Galen nur oberflächlich gelesen hätte,[4] und schrieb ein Handbuch für Militärärzte (Regimen castra sequentium).

Er führte Weingeist (Alkohol, von ihm Aqua Vini und Aqua Vitae genannt), entstanden aus Destillation von Wein, in die abendländische Medizin ein. In dessen Verwendung hatte er allerdings Vorläufer (z. B. Taddeo Alderotti[5]). Der Name Lebenswasser deutet schon an, dass er es als eine Art Universalmedizin betrachtete. Er gewann damit auch alkoholische Extrakte aus Heilkräutern für medizinische Zwecke, z. B. Einreibungen. Die erfolgreiche Technik der Gewinnung von Wirkstoffen aus Pflanzen, Mazeration genannt, wird heute noch für medizinische Zwecke ebenso verwandt, wie für die Gewinnung von Aromastoffen z. B. für bestimmte Liköre oder Magenbitter.

In die Pharmakologie der damaligen „Schule von Montpellier“ brachte er seine vom thermischen Gegensatzpaar heiß-kalt her definierte Intensitätsberechnung ein.[6] Wie Wilhelm von Brescia gehörte Arnald zu den Exponenten einer quantifizierenden und komplexen Pharmazie wie sie die hochgradig rationalisierte Pharmakologie der Schule von Montpelliers im 13. Jahrhundert erkennen lässt.[7]

Einer späteren Legende nach erfand er auch den Vin Doux Naturel, nämlich dass man die Gärung des Traubenmostes durch Zugabe von Weingeist, zum Stillstand bringen konnte.[8] Auf diese Weise wurde der Wein haltbar, ging nicht in Essig über, und behielt gleichzeitig einen Rest seines natürlichen Zuckers. Mit der Methode der „mutage“ (verstummen lassen; Stoppen der Gärung von Wein durch Zugabe von Alkohol oder Schwefeldioxid), bescherte er danach den natursüßen Weinen im Mittelalter und noch lange danach beachtlichen Erfolg. Auf dieser Entwicklung beruhen u. a. auch Portwein und Madeira, nicht jedoch Sherry (siehe dort).

Wie auch bei Albertus Magnus, der auch (fortgeschrittene) Techniken der Alkoholdestillation beschreibt, und Ramon Llull ist nicht ganz klar, ob entsprechende Texte bei Arnald zur Alkoholdestillation nicht spätere Unterschiebungen sind.[9] Zumindest die Erzeugung von Weinbrand erfordert fortgeschrittene Destillationstechniken die erst im späteren Mittelalter aufkamen.

Weiterhin soll er der Erste gewesen sein, der Lackmus als Indikator für Säuren und Basen entdeckte und einsetzte.[10]

Arnald von Villanova erzielte spektakuläre Heilerfolge in seiner Therapie gegen Nierensteine[3] und verfasste um 1308 zudem ein augenheilkundliches Werk.[11]

Alchemie

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Arnaldus de Villanova lehnte die Alchemie ab (er bezeichnete Alchemisten als unwissend und wahnwitzig). Wie auch Ramon Llull wurden ihm aber von späteren Autoren ab dem 14. Jahrhundert alchemistische Werke untergeschoben[12], um diesen mehr Autorität zu verleihen. Sie fanden auch Eingang in Sammelwerke wie das Theatrum Chemicum (ab 1602). Von Einfluss in der Alchemie war allerdings seine Alkoholdestillation, zum Beispiel mit Einfluss auf Johannes von Rupescissa.[13]

Traumforscher

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In der Geschichte der Traumforschung vor Sigmund Freud spielt Arnaldus de Villanova auch eine wichtige Rolle. So erwähnte er den diagnostischen Nutzen mancher Träume. Dabei verglich er die Träume mit einer Lupe, durch die man Krankheitssymptome erkennen könne, schon lange vor ihrer Wahrnehmbarkeit im Wachbewusstsein. So berichtete er beispielsweise von einem Kranken, der träumte, dass ihm mit einem Stein auf das Ohr geschlagen werde. Kurz danach bekam dieser Mann eine schwere Ohrenentzündung.[14]

Schriften (Auswahl)

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Thesoro de los pobres (1584).

Medizin

Deutsche Übersetzungen

Thema Wein

Deutsche Übersetzung der spirituellen Werke

Fälschliche Zuschreibungen

Einige medizinische Werke sind ihm nur untergeschoben. Zu den Schriften des „Pseudo-Arnaldus“ gehören etwa die Epistula de virtute quercus (Pharmakologie und Magie von Eiche und Eichenmistel, wahrscheinlich aus Deutschland Ende des 14. Jahrhunderts)[1] und das Regimen sanitatis Salernitanum[12] sowie der im 14. Jahrhundert entstandene, ebenfalls pseudoarnaldische[18] Rosarius philosophorum:

In der Alchemie wurden ihm u. a. untergeschoben:

Sammlungen seiner Werke wurden herausgegeben 1504[21] sowie 1505 (Opera omnia) und 1532 in Lyon, mit einer Biographie von Symphorianus Campegius, 1585 als Opera omnia bei Konrad Waldkirch in Basel, 1603 in Frankfurt am Main und erneut 1686 in Lyon.

Die Opera Medica Omnia Arnalds werden seit 1975 von der Universität Barcelona herausgegeben (Herausgeber u. a. J. A. Paniagua, Michael R. McVaugh und Luis Garcia-Ballester)

Online

Literatur

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Siehe auch

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Anmerkungen

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  1. a b Keil, Verfasserlexikon, Eintrag Arnald von Villanova.
  2. So z. B. Pötsch u. a.: Arnaldus von Villanova. In: Lexikon bedeutender Chemiker. Harri Deutsch, Frankfurt am Main/Thun 1989, ISBN 3-8171-1055-3, S. 438.
  3. a b c Christoph Gradmann: Arnaldus von Villanova. In: Wolfgang U. Eckart und Christoph Gradmann (Hrsg.): Ärztelexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert. 1. Auflage. C. H. Beck, München 1995, S. 22b; Ärztelexikon. Von der Antike bis zur Gegenwart. 2. Auflage. 2001, S. 11b; 3. Auflage. Springer Verlag, Heidelberg, Berlin/New York 2006, ISBN 3-540-29585-2, S. 12a. Ärztelexikon 2006, doi:10.1007/978-3-540-29585-3.
  4. Gotthard Strohmaier: Avicenna. Beck, München 1999, ISBN 3-406-41946-1, S. 152.
  5. Destillation von Alkohol aus Wein wird schon von Aristoteles in seiner Meteorologica erwähnt. Siehe Lawrence Principe: Alkohol. In: Claus Priesner, Karin Figala (Hrsg.): Alchemie. Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. Beck, München 1998, ISBN 3-406-44106-8, S. 43.
  6. Gundolf Keil: Arnald von Villanova. In: Claus Priesner, Karin Figala (Hrsg.): Alchemie. Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. Beck, München 1998, ISBN 3-406-44106-8, S. 62.
  7. Gundolf Keil: Medizinische Bildung und Alternativmedizin. In: Winfried Böhm, Martin Lindauer (Hrsg.): „Nicht Vielwissen sättigt die Seele“. Wissen, Erkennen, Bildung, Ausbildung heute. Drittes Symposium der Universität Würzburg (= Würzburger Symposien). Ernst Klett, Stuttgart 1988, ISBN 3-12-984580-1, S. 245–271, hier: S. 247 f.
  8. André Dominé: Die Kunst des Aperitif. Rezepte, Getränke, Philosophie. Kunstverlag Weingarten, Weingarten 1989, ISBN 3-8170-0013-8, S. 21.
  9. Lawrence Principe: Alkohol. In: Claus Priesner, Karin Figala (Hrsg.): Alchemie. Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. Beck, München 1998, ISBN 3-406-44106-8, S. 43.
  10. Pötsch u. a.: Arnaldus von Villanova. In: Lexikon bedeutender Chemiker. Harri Deutsch, Frankfurt am Main/Thun 1989, ISBN 3-8171-1055-3, S. 438.
  11. Gundolf Keil: „blutken – bloedekijn“. Anmerkungen zur Ätiologie der Hyposphagma-Genese im ‚Pommersfelder schlesischen Augenbüchlein‘ (1. Drittel des 15. Jahrhunderts). Mit einer Übersicht über die augenheilkundlichen Texte des deutschen Mittelalters. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 8/9, 2012/2013, ISSN 1863-6780, S. 7–175, hier: S. 139–141.
  12. a b Gundolf Keil: Arnald von Villanova. In: Claus Priesner, Karin Figala (Hrsg.): Alchemie. Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. Beck, München 1998, ISBN 3-406-44106-8, S. 62–63.
  13. Paul Diepgen: Studien zu Arnald von Villanova, III: Arnald und die Alchemie. In: Archiv für Geschichte der Medizin (Sudhoffs Archiv). Band 3, Heft 6 (März 1910), S. 369–396, JSTOR:20772887.
  14. Medard Boss: Der Traum und seine Auslegung (= Geist und Psyche). Kindler, München 1974, ISBN 3-463-18137-1, S. 183.
  15. George Sarton: Introduction to the history of science (= Carnegie Institution of Washington. Publication. 376, 1–3, ISSN 0099-4936). Williams & Wilkins Co., Baltimore MD 1927–1948, Band II,2, S. 895.
  16. Regimen sanitatis ad regem Aragonum. (Memento vom 6. August 2021 im Internet Archive) In: Alcuin. Infothek der Scholastik. Rolf Schönberger, abgerufen am 28. Oktober 2019.
  17. Thomas Gloning: Der Weintraktat des Arnald von Villanova und die deutsche Bearbeitung durch Wilhelm von Hirnkofen (1478). Neue Beobachtungen zur Textgeschichte. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 13, 1995, ISSN 0177-5227, S. 199–208.
  18. Vgl. Joachim Telle: Zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Alchemia medica unter besondere Berücksichtigung von Joachim Tanck. In: Rudolf Schmitz, Gundolf Keil (Hrsg.): Humanismus und Medizin. Acta humaniora, Weinheim 1984 (= Deutsche Forschungsgemeinschaft: Mitteilungen der Kommission für Humanismusforschung. Band 11), ISBN 3-527-17011-1, S. 139–157, hier: S. 146.
  19. Vgl. etwa (Ps.-)Arnaldus von Villanova: Rosarius philosophorum. In: Arnaldus von Villanova: Chymische Schriften. Übersetzt von Johann Hippodamus. Frankfurt am Main / Hamburg (G. Wolf) 1683.
  20. Vgl. etwa Hans-Joachim Romswinkel: „De sanguine humano destillato“. Medizinisch-alchemistische Texte des 14. Jahrhunderts über destilliertes Menschenblut. Medizinische Dissertation Bonn 1974 (in Kommission bei Königshaus & Neumann, Würzburg).
  21. Opera Arnaldi de Villa nova. Lyon 1504.


Personendaten
NAME Arnald von Villanova
ALTERNATIVNAMEN Arnau de Vilanova; Arnaldus de Villanova; Arnold von Villanova
KURZBESCHREIBUNG scholastischer Arzt
GEBURTSDATUM um 1235
GEBURTSORT Valencia, Spanien
STERBEDATUM 6. September 1311
STERBEORT auf See (Schiffbruch)